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Super Tuesday

Es gibt Tage, die entscheiden über deinen weiteren Weg. Es können ganz gewöhnliche Tage sein, die dir wie der Sonnenuntergang zuvor und der Sonnenaufgang danach scheinen. Sie können für dich selbst nichts besonderes darstellen. Aber für alle rund um dich herum. Wie etwa der Super Tuesday, an dem oft nicht viel passiert, der aber in der medialen Geiselhaft zwischen amerikanischen Kabelnachrichtennetzwerken und dem Murdoch‘schen FOX-Imperium zu einem Orakel ähnlich dem Delphis hochgespielt wird. Das Spiel gegen Liefering könnte auch so ein Dienstag sein. Nicht, weil es um viel geht – nur drei Punkte von insgesamt 108. Aber man könnte es als Richtungsanzeiger verstehen.

 
Wer ist die Wundertüte?

Denn eigentlich ist es ein Spiel wie jedes andere. Nein, eigentlich weniger, denn der Gegner Liefering sprüht nicht gerade vor Charisma, darf als professionelles Amateurteam nicht aufsteigen und fungiert weniger als Team denn als Ausbildungsgemeinschaft. Aber: die Salzburger haben nur einen Sieg weniger als Wacker (11 zu 12). Sie haben bisher drei Tore mehr erzielt (46 zu 43), stellen die gefährlichste Offensive der Liga. Und: obwohl ihre Defensive beinahe schon traditionell die Achillesferse darstellt (34 erhaltene Treffer, 8 mehr als der FCW), ist ihr Torverhältnis nur um fünf Treffer schlechter als jenes der Innsbrucker (+17 zu +12). Liefering ist gefährlicher als vielfach angenommen. Aber das ist am Super Tuesday nicht das Thema. Es geht um Wacker, es geht um die Richtung, in die man sich bewegt. Denn so, wie die Kälber aus dem Bullenstall – sportlich oft eine Wundertüte, die durch Neuzugänge und Abstellungen stets ihr Antlitz verändert und schwer einzuschätzen ist – gerne unterschätzt werden, ist der FC Wacker Innsbruck derzeit wohl überschätzt. Zu lange wurde man durch die Tabellensituation geblendet, zu lange retteten Ausrutscher der größten Konkurrenten die Spitzenposition, zu oft waren die Schwarz-Grünen Nutznießer zufälliger Spielsituationen, die Punkte auf das wackere Konto spülten, die bereits verloren geglaubt schienen. Und zu froh war man über die Wandlung der Tiroler nach der vergangenen Katastrophensaison, dass man viele Hinweise übersah. Obwohl sie schwer zu übersehen waren, etwa, wenn man regelmäßig das ehrwürdige Tivoli besuchte. Auch die Innsbrucker präsentierten sich als Wundertüte…
 
Fühlen sie sich wie zu Hause…!

Seit Juli gab es für Wacker 12 Bewerbsspiele vor eigenem Publikum. Gewinnen konnte Schwarz-Grün nur zwischen der 5. und 8. Runde innerhalb der vier Wochen nach dem 14. August. Mit dem ersten Heimsieg gegen Liefering (4:1, ein Tor aus einem Strafstoß, zwei Tore in nomineller Überzahl – aber auch ein „Shorthander“) wurde die Tabellenführung übernommen, die man bis letzte Woche inne hatte. Der Tabellenführer gab zu Hause als erstes Team der Liga Punkte gegen den Floridsdorfer AC ab, spielte Remis gegen Fixabsteiger Austria Salzburg, gegen den KSV und LASK, kassierte drei Tore von Wiener Neustadt (der zweitschwächsten Offensive der Liga), verlor gegen den direkten Konkurrenten St. Pölten und schied gegen Linz aus dem Cup aus. Und blieb dennoch Spitzenreiter. Bis Mitte August bzw. ab 11. September gab es keinen einzigen Sieg mehr für die Schwarz-Grünen. Sie schlossen dabei beinahe nahtlos an die letzten Saisonen an: vergangene Saison gab es acht Niederlagen und vier Remis, nur 33 Prozent der Hiemspiele konnten gewonnen werden, vor zwei Jahren waren es gar nur 16,7% bei sieben Niederlagen. 2012/13 setzte es 10 Niederlagen im Tivoli, die letzte Saison mit überwiegend Heimsiegen datiert aus der Spielzeit 09/10 – 13 Siege bei 17 Spielen bildeten den Grundstein für den Wiederaufstieg in die Bundesliga.
 
Die fetten Tage sind vorbei

Schwächen zeigt Wacker aber nicht nur daheim, sondern prinzipiell im Fortschreiten des Meisterschaftsbetriebs. Dabei fing alles so zuckersüß an: zwischen Runde 4 und 12 gab es keine Niederlage, bis zum 2. Oktober nur eine einzige. Die Innsbrucker holten 29 Punkte, schossen 30 Tore und kassierten nur 12. Sechs Punkte betrug der Vorsprung auf den ersten Verfolger – alles Schnee von gestern. Denn ab Anfang Oktober weht ein anderer Wind durch die Tiroler Berge: dreizehn Punkte in zehn Begegnungen, der Schnitt sank von 2,41 auf 1,3. Dreizehn mal klingelte es im gegnerischen Gehäuse, der Durchschnitt fiel von 2,5 auf 1,3. Betrug das Torverhältnis in den ersten Spielen +18, weisen die letzten zehn Spiele ein Minus von 1 auf. Inkludiert man die Pokalbegegnung, sind es gar -3. Lediglich drei Spiele wurden seit 2. Oktober gewonnen, jedes mit nur einem Tor Unterschied, zumeist also eine Sieg mit Hängen und Würgen. So auch gegen Liefering, als Christoph Freitag einen Strafstoß in der 93. Minute zum 1:0 verwandelte. Wer hier über einen möglichen Aufstieg spekulierte, muss ein echter Zocker sein – oder die Faschingszeit intensiv ausgelebt haben. Wacker Innsbruck war zwar Tabellenführer, mehr auch nicht. Als solcher gewann man papiergemäß gegen das Schlusslicht, musste aber bei unterlegenem Ballbesitz bis zur 86. Minute warten, um den erwarteten Sieg einzufahren. Gegen den LASK hatte man mit nur 41% Ballbesitz das Heft nicht in der Hand, das Remis schmeichelte. Und der Gegentreffer bei der Begegnung mit dem neuen Tabellenführer hatte es in sich. 10 Mann hielten sich auf  einer Fläche kleiner als ein Viertel des Spielfeldes auf, ein Seitenwechsel der Niederösterreicher reichte aus, um das wackere Spielkonzept zu übertölpeln. Vor allem auch, weil sich zwar die Viererkette (optisch) fand, der Raum davor aber sträflich alleine gelassen wurde. Und mit ihm David Stec, der sein Team zur Tabellenführung schoss.
 
Super-Tuesday

Mit den Ausfällen von Hölzl und vielleicht Pichlmann wird es kaum leichter, den Turnaround zu schaffen. Notwendig bleibt er dennoch. Nicht, weil der FC Wacker Innsbruck zum Aufstieg verdammt ist – doch Formen konservieren sich gerne, auch über die spielfreien Sommermonate. So wird ein gewöhnlicher Dienstag plötzlich zum Super-Tuesday…

 

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Autor: Stefan Weis

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