Eine Säule muss her
Die Tiroler hatten schon immer einen eigenen Kopf, ein eigenes Denken. Wurde man überrannt, erbaute man zunächst nicht Festungen und Mauern, sondern eine Säule. Hatte man diese errichtet und ihr eine Marienstatue aufgesetzt, nannte man sie Annasäule. Und die Vorkommnisse, die Grund für die Errichtung waren und nebenbei rund 5000 Angreifern das Leben kostete, nannte man fröhlich „Rummel“. Kein Wunder, dass 300 Jahre später das längst überrannte Tivoli für eine Festung gehalten wird, die es schon lange nicht mehr ist. Diesmal kommen allerdings nicht die Bayern, es sind erst mal die Alemannen aus Lustenau.
Der Franke der Alemannen
Wenn jetzt die Vorarlberger einmarschieren, dann hat das recht wenig mit dem Bayrischen Rummel von 1703 gemein. Das blau-weiß ist grün-weiß, die Raute sind Streifen, die Alemannen bezeichnen sich als Austria, und selbst die Deutschen in ihren Reihen stammen aus dem Schwäbischen und Fränkischen, sind also keine waschechten Bayern. Aber wie heißt es so schön jenseits des Karwendels: Man muss Gott für alles danken, auch für Schwaben und für Franken. Allen voran ist man für Julian Wießmeier dankbar. In 23 Runden stand er 22mal am Platz (nur Torwart Christopher Knett und Innenverteidiger Christoph Stückler öfter, nämlich jede einzelne der 2160 Spielminuten in Meisterschaft und Cup) und drückte dem Spiel seinen Stempel auf. Er, der Nürnberger, der auch schon bei den Clubberern im Kader stand und das Trikot der deutschen U19 und U20 trug, wurde zur Torgarantie für Lustenau. 12 Mal traf er bisher, alle 160 Minuten im Schnitt, er nimmt damit Rang 2 in der Torschützenliste ein. Aber was muss man ihn erklären, er stellte sich im letzten Aufeinandertreffen persönlich vor, traf in der 59. Minute zum 1:1 und legte damit den Grundstein für die erste Auswärtsniederlage des FC Wacker Innsbruck in dieser Saison. Ihm ist es auch egal, ob sich der Ball bewegt oder ruht, hat er ja bislang auch schon drei Elfmeter verwandelt. Er kümmert sich nicht um links oder rechts, er traf bereits mit beiden Füßen (wenn auch bevorzugt mit rechts). Aber er bevorzugt Nähe: 11 seiner 12 Treffer erzielte Wießmeier von innerhalb des 16ers. Nach den letzten Auftritten der wackeren Hintermannschaft erscheint dies als gefährliche Drohung, denn Platz dürfte er genug finden…
Gschwind-Gedenk-Defensive
Denn derzeit erinnern die Defensivleistungen etwas an den nicht sonderlich erfolgreichen Versuch, die Bayern anno 1703 am Durchmarsch zu hindern. Kurfürst Max Emanuel und seine über 10.000 Mann starke Armee sollte nicht in Innsbruck mit diesen Bauern gestoppt werden, sondern in Kufstein mit regulären Truppen. Das dachte sich zumindest General Gschwind und eilte in die Festungsstadt, um dort die Vorstadt niederzubrennen. Aus der Ferne beobachteten die erstaunten Bayern, wie das Feuer die Stadt und die Burg erfasste, warteten auf den Rumms („Jep, das war der Pulverturm…“) und nahmen die Festung im vorübergehen. Das Feuer, das einst in den Schwarz-Grünen loderte, scheint auch die Festung Tivoli erfasst zu haben, die – wie im Rummel Innsbruck – im Spaziergang erobert wird. Nur die Salzburger Austria, die lange kein Heim hatte und nun eine agrarische Anbaufläche ihr Eigen nennt, und der Floridsdorfer AC haben weniger Siege vor eigenem Publikum feiern können. Da nützen auch 20 Treffer (die zweitmeisten Heimtreffer) nicht viel, denn mit 18 Gegentoren bzw. 1,5 Gegentreffern pro Spiel gibt man die Punkte freigiebig aus der Hand. Welche Defensive dem Gegner das Fürchten lehren soll wie einst die Oberinntaler an der Pontlatzer Brücke ist völlig unklar, auch die (notwendigen) Rotationen im letzten Spiel brachten kaum Verbesserung. Rosenbichler verlor rund 39% seiner Zweikämpfe, musste daher zu zwei Fouls greifen, eines zog gleich eine Gelbe nach sich. Offensiv gelang auch nicht viel mehr, in der gegnerischen Hälfte sank die Passquote von 58,3 auf 42,9%, eine Flanke wurde geschlagen, diese landete beim Gegner.
Himmel, hilf!
Sein linkes Gegenstück, Alexander Hauser, konnte zwar 69,2% seiner Pässe an Teamkameraden versenden und blieb in der gegnerischen Hälfte auch noch bei guten 63,9%, brachte eine Torschussvorlage und eine Flanke an den Mann und versuchte auch selbst, erfolgreich zu sein. Defensiv jedoch wurde er trotz sieben abgefangener Bälle und sechs gewonnenen Zweikämpfen zu oft überrannt, 40% seiner Duelle musste er verloren geben. Aber man darf nicht nur die Flügel an den Pranger stellen, gegen die Lieferinger Jungspunde wirkten viele Spieler verloren und überfordert. Christian Deutschmann verlor 50% seiner Zweikämpfe, in der Luft zwei von drei. Sebastian Siller musste in der Hälfte seiner direkten Duelle zu Luft und am Boden dem Gegner den Vortritt lassen. Jürgen Säumel verlor 64% seiner Zweikämpfe, in der Luft zwei von drei, Christoph Freitag die Hälfte aller Bodenzweikämpfe, Luftduell führte er keines aus. Der Grund, warum Wacker dennoch nur zwei Gegentreffer erhielt, ist nicht nur die notorische Verspieltheit der Jungbullen, sondern einerseits Pascal Grünwald und andererseits Aluminium. Dreimal retteten Stange und Querlatte vor weiterem Unglück, und so kam Rami Tekir zu seinem – recht glücklichen – Premierentreffer. Der einzige Lichtblick in einer ansonsten düsteren Partie.
Eine Säule
Und solche Lichtblicke braucht es, wenn die Lustenauer Austria das Tivoli erstürmen will. Die Vorarlberger mussten sich in den letzten neun Runden nur zweimal geschlagen geben – von eben jenen beiden Mannschaften, gegen die Innsbruck in den vergangenen beiden Runden verlor. In den letzten neun Runden, in welchen St. Pölten 24 Punkte holte und Wacker nur 10, waren die Lustenauer die zweiterfolgreichste Mannschaft, scorten am zweithäufigsten und bekamen gleichzeitig weniger Gegentore als Wacker. Sollten die Schwarz-Grünen dennoch wieder in die Spur finden, wie anno 1703 das Land wieder zurückerobern und das Tivoli erneut zur Festung machen, dann sollten sie wohl dringend eine Säule zum Dank errichten. Josefi wäre Samstag, dem ersten Tag der neuen Zeitrechnung. Unser Landespatron tät sich über eine Ehrung freuen…