Die Stierwascher
Sagen sind mehr als bloße Märchen, mehr als nur gute Unterhaltung am Lagerfeuer. Ätiologisch heißt das dann, wenn etwa erklärt wird, warum da oben auf der Nordkette auf 2270m eine so seltsame Felsformation steht. Man erzählt von der Frau Hitt, von Geiz und Selbstverliebtheit, mangelnder Empathie und fehlendem sozialen Verhalten – und zeigt damit die Werte auf, die wichtig sind für ein Überleben in der eigentlich überlebensfeindlichen Tiroler Berglandschaft. Solche Sagen sind nicht nur belehrend, sondern auch Prägend für eine soziale Gruppe. In Salzburg erzählt man gerne von den Stierwaschern. Das lässt vor dem Westderby der zum Abstieg verurteilten Austria so manche Interpretation zu…
Die Sicht der Stadtner
Vor allem, weil es bei der Geschichte der Stierwascher verschiedene Versionen gibt. Da ist etwa die der städtischen Bevölkerung, die in den Bauernaufständen von 1525 spielt. Hohensalzburg und die Stadt wurde belagert, die Lebensmittelversorgung unterbrochen. Als trotz Fasten alles aufgebraucht war, nahm man den letzten noch nicht geschlachteten Stier und trieb ihn über die Festungsmauer, um ihn dem Feind zu präsentieren. In der Nacht wurde der Stier weiß angemalt, um ihn am Morgen wieder den Belagerern zu präsentieren. Am nächsten Tag war der Stier von der hungernden Bevölkerung dann schwarz gefärbt. Die aufständischen Bauern – überzeugt, es gäbe noch genügend Vorräte in der Stadt – zogen zerknirscht ab… Täuschen ist also alles, selbst wenn man nichts mehr hat. Klingt beinahe etwas wie die Lizenzierung der Austria für den Profifußball. Ein aufgeblähter Kader von 28 Spielern ließ die Violetten zwar quantitativ mit den Jungbullen aus Liefering auf Augenhöhe konkurrieren, qualitativ blieb man jedoch abgeschlagen – und finanziell angeschlagen. Dabei war nicht gerade hilfreich, dass der hauseigene Sportplatz den Anforderungen der Liga nicht entsprach und so das Ausweichquartier in Schwanenstadt erst adaptiert werden musste – um teures Geld. Während der Nachschub – Einnahmen wie etwa beim Geisterspiel gegen Innsbruck – ausblieb, musste dennoch an zwei Orten parallel investiert werden. Weil dies aber noch immer nicht reicht, um ein Risikospiel mit gut 400 zu erwartenden Gästen durchzuführen, findet das Westderby nun im Osten statt. Auf einem Rasen, auf welchem Innsbruck heuer bereits zwei Siege einfahren und sechs Tore erzielen konnte. In einem Stadion, das die Floridsdorfer auch an die Vienna Vikings vermieten. Gut nur, dass die Eierlaberlträger ihr erstes Match erst am Sonntag haben, so wird Salzburg seinen Heimvorteil weniger stark ausspielen können. Denn worin auch immer investiert wurde, in den Rasen der Sportanlage Maxglan wurde wohl kein einziger Euro gesteckt. Und so konnten selbst großzügige Zuwendungen der Stadt Salzburg und beeindruckende Spendensummen der eigenen Fans den Untergang nicht aufhalten, egal, welche Farbe der Stier hatte, den man für die Öffentlichkeit über die Mauer trieb. Die Violetten hatte zwar lange Zeit Medien und Liga beruhigen können, die eigenen Fans jedoch ließen sich nicht mehr am Nasenring herumführen.
Die Sicht vom Land
Man könnte sagen, den Salzburgern wurde ihre Hochnäsigkeit zum Verderben. Dieser wollten, so die Sage, auch die Halleiner die Salzburger überführen. Sie banden einen schwarzen Stier auf ein Floß und ließen es die Salzach hinuntertreiben. Die Salzburger staunten nicht schlecht, als sie das Gefährt sahen, kannten sie doch nur mehrfärbige Rinder. Und was sie nicht kannten, konnte es nicht geben. So holten sie Wasser und Seife und begannen, das vermeintlich angemalte Vieh stundenlang abzuschrubben – sehr zum Gaudium der Landbevölkerung… Die Austria versuchte in dieser Saison ebenso bereits, so manchen Stier zu schrubben. Etwa die Jungbullen im Stadtderby. Von den Fans des Stammvereins RB Salzburg belächelt, liefen die Violetten in der ersten Begegnung ins offene Messer und konnten trotz drei erzielter Tore und zwischenzeitlichem Ausgleich nur eine 5:3 Niederlagen mitnehmen. 7200 Zuschauer hatte dieses Spiel, 2157 weniger als das Spiel auf der Gugl, das der LASK mit 2:0 gewann. Um 9357 Besucher weniger gab es beim ersten Aufeinandertreffen mit Wacker, das erneut trotz drei erzielter Tore keinen einzigen Punkt einbrachte. Immerhin Remis spielten die Violetten zu Hause im ausverkauften Maxglaner Sportplatz gegen Liefering sowie auswärts vor 7783 Tivoli-Besuchern. Die Austria zieht, kann Massen bewegen – wenn nicht gerade die eigenen Fans den Verein boykottieren und lieber ein Spiel der Amateure besuchen. Oder wenn das Feuer, das die Violetten in sich spüren, nicht urplötzlich nachlässt. Vielleicht gedämpft vom Tabellenplatz (nur eine einzige der bisher gespielten 24 Runden verbrachte man nicht auf einem Abstiegsplatz) oder der finanziellen Situation konnte das selten bespielte Heimstadion trotz begrenzter Kapazität von 1766 Personen nur zweimal ausverkauft werden. Zum Spiel gegen den LASK auf der Gugl waren nur noch 3450 Zuschauer vorhanden, gegen denselben Gegner am FAC-Platz verirrten sich nur mehr 700 Hartgesottene zur so heißgeliebten Austria. Das letzte Heimspiel gegen den FAC verfolgten gar nur noch 841 einsame Veilchen. Vom Hochmut des Publikumsmagneten ist nicht mehr viel übrig geblieben.
Neubau mit Erfolg
Tradition ohne wirtschaftliches Verständnis und finanzielles Grundgerüst und ohne Geduld ist leider nicht viel wert. Das musste auch der FC Wacker Innsbruck auf seinem steinigen Weg zurück lernen. Und: auf der Suche nach Tradition ist schon so manches Gebäude ohne festes Fundament eingestürzt. Etwa die 1644 noch romanische Kirche in Wilten. Dort ließ der Abt auf der Suche nach der eigenen Tradition nach den Gebeinen des legendären Kirchengründers, des Riesen Haymon, graben. Der Turm verlor das Gleichgewicht, stürzte auf das Langschiff, ein Neubau war nötig – die prachtvolle Wiltener Basilika entstand. Für die Austria steht auch ein Neubau an, und nur, wenn das Fundament stimmt, werden die Stierwascher zurückkehren. Bis dahin werden die Westderbys wohl gegen die Amateure der Schwarz-Grünen ausgetragen werden müssen…