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Einfach dem Kaninchen folgen…

Den Optimismus muss man haben, bei sieben Punkten Rückstand den Titeltraum noch nicht zu begraben. Da muss man schon ordentlich Phantasie haben. Oder sich an Lewis Carrol halten. „Manchmal denke ich bereits vor dem Frühstück an nicht weniger als sechs unmögliche Dinge…“, lässt er die weiße Königin der kleinen Alice erzählen. Und Alice kennt sich aus, was Phantasie angeht, denn ohne Sie gäbe es kein Wunderland. Nichts anderes braucht wohl Klaus Schmidt, der noch nicht über das Ende des Traums sprechen will. Denn sieben Punkte Rückstand, das hatte man schon mal, in Runde 28, und niemand wollte mehr vom Titel sprechen…

 
Verrückt, der Hutmacher

Niemand glaubte damals noch an eine Chance. Nicht einmal der Medienpartner, der plötzlich etwas verrückte Vergleiche zog. Kann man ja, wenn man nachher nicht mit den Leuten feiern muss. Blöd nur, dass es Innsbruck kurz darauf wieder spannend machte. Und jetzt glaubt auch keiner mehr daran. Außer einer, und der ist wohl wirklich verrückt. „Das Unmögliche zu schaffen, gelingt einem nur, wenn man es für möglich befindet.“, meint Klaus Schmidt, und spricht weiter vom Titelkampf. Nein, Moment, jetzt hab ich etwas durcheinander gebracht. Das mit dem Unmöglichen schaffen, das sagte der verrückte Hutmacher zu Alice. „Noch sind 18 Punkte zu vergeben, da braucht es ein großes Wunder. Noch ist es möglich.“, das stammt vom schwarz-grünen Trainer. Nicht wirklich minder verrückt. Vor allem nach einem Spiel, das dem FC Wacker die Grenzen klar aufzeigte. Ein Mann allein brachte ein ganzes Team zur Verzweiflung. Nikola Dovedans 21. Treffer war der einzige im Spiel und brachte dem ASK drei Punkte und einen riesigen Schritt näher an die Meisterschale. Dovedan liegt Innsbruck, acht Tore hat er im Dress der Linzer zu Buche stehen, vier davon erzielte er gegen den FCW. Und er rackerte wie ein Verrückter, ging in 35 Zweikämpfe (kein Linzer in dieser Saison mehr), gab mit vier Torschüssen 20% aller Linzer Versuche ab (kein Spieler in diesem Match mehr). Für Innsbruck sah es tragisch aus, 42% Ballbesitz, 45% gewonnene Zweikämpfe, nur 61% erfolgreiche Pässe, halb so viele Torschüsse als der Gegner. Der Mann mit den meisten Ballaktionen (Säumel) hatte ein Drittel weniger als sein schwarz-weißes Gegenüber Erdogan. Der Mann mit der besten Zweikampfquote (erneut Säumel) gewann mit nur 64% um 11% weniger als der erfolgreichste Linzer Huspek. Nach so einem Spiel sind die Phantasien eigentlich vorbei. „Das ist unmöglich“, meinte auch Alice. „Nur, wenn man nicht daran glaubt.“, meint der Hutmacher. Und Klaus Schmidt.
 
Immer zu spät, das Kaninchen

Wenn man wirklich noch daran glaubt, dann braucht man ein Wunder. Und dafür wird die Zeit langsam knapp, wie für das arme weiße Kaninchen, das stets gehetzt auf die Uhr schaut. Die drei Austrias warten noch auf Innsbruck, Liefering und Wiener Neustadt, und allen voran St. Pölten. Will man noch mitspielen, dann muss man den SKN besiegen, egal wie. Bislang lagen Wacker die Niederösterreicher nicht gerade. Es stimmt schon, im ersten Spiel nahm man die drei Punkte quasi im Vorübergehen mit, Freitag und zweimal Pichlmann brachten nach Vorlagen von Deutschmann und zweimal Micic einen feinen Auswärtssieg mit nach Tirol. Aber das war es auch schon mit der Herrlichkeit. In Innsbruck setzte es ein bitteres 1:3. Siller, der Riemanns Treffer zum zwischenzeitlichen 1:1 noch vorbereitet hatte, glänzte fünf Minuten später mit einer roten Karte, auf die innerhalb von acht Minuten St. Pöltens Tore zum 1:3 folgten. Tja, Sebastian mag sie wohl, die Herzkönigin. Oder zumindest ihre Lieblingsfarbe. „Wir malen die Rosen rot, nicht gelb, nicht grün, nicht aquamarin…“ Mit fünf gelben, einer gelb-roten und einer roten Karte nimmt Innsbrucks Nummer 28 Rang eins der Kartenstatistik der Bundesliga ein, weil hier eine Rote eben mehr zählt als 10 Gelbe. Und weil kein Spieler Rot so gern mag wie Sebastian. Oder weil er, wie das Kaninchen, halt manchmal auch zu spät kommt. Als einziger Spieler von Wacker musste er in dieser Saison einen Ausschluss hinnehmen, bei den Niederösterreichern waren es mit Petrovic, Prettenthaler (beide Rot), Huber und Segovia (beide Gelb-Rot) bereits vier. Ginge es rein um die Quantität, dann läge Andreas Dober mit seinen 10 Gelben weit vorne, noch vor Christoph Freitag und Andreas Hölzl mit ihren 9. Die hätten es aber schwer im Wunderland, die Herzkönigin würde wohl ihren Kopf verlangen auf Grund ihrer falschen Farbwahl. Dafür haben Sie am Freitag Zeit, müssen sie ja ihre Gelbsperre absitzen, so wie Mark Prettenthaler seine Strafe für Rot.
 
Da grinst sie, die Katze

Das letzte Spiel gegen St. Pölten brachte gar ein 0:1, auswärts. Christoph Rieglers elftes Shutout, 37,9% seiner Spiele konnte er ohne Gegentreffer beenden. Kein Wunder also, dass man den Mythos der Macht in der Fremde an die Niederösterreicher abgeben musste, die beste Auswärtsmannschaft der Liga. Seltsam allerdings, dass Innsbruck, das sich zu Hause so lange so schwer getan hat, die letzten drei Heimspiele gewonnen hat. Und noch seltsamer, dass Wacker in den vergangenen 14 Partien seinem Publikum am Tivoli stets mindestens einen Treffer zu bejubeln gab. Oben ist unten und unten ist oben, so ist das halt im Wunderland. Wer weiß, vielleicht verwandelt sich der Humpdy Dumpty auf der Innsbrucker Bank vom verrückten Hutmacher zur Grinsekatze, wenn Freitag plötzlich drei Punkte mehr am Tiroler Punktekonto stehen. Und schwer ist das ja nicht. Dazu braucht man nur dem weißen Kaninchen zu folgen, in das Loch zu springen, und… „Was ist da passiert? Wie kann das geschehen?“

 

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Autor: Stefan Weis

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