Die Nummer 1
Es könnte für den FC Wacker Innsbruck eine Saison der kurzen Wege werden. Naja, verhältnismäßig kurz, verglichen mit Dienstwegen der vergangenen Jahre wie Parndorf, Mattersburg oder Salzburg – wenn Salzburg im 21. Wiener Gemeindebezirk liegt. Für mehr kuschelige Nähe muss sich zunächst Regionalligameister Wattens in der Relegation durchsetzen, Grödig auch wirklich absteigen, die Amateure der Amateure von Neo-Bundesligist Rasenballsport Leipzig keinen Betriebsrat gründen – und Austria Lustenau die Lizenz erhalten. Die wahren Entscheidungen fallen also abseits des Ligaalltags. Dieser bietet im kleinen Westderby kaum viel mehr als ein Duell um die Vormachtstellung im Westen.
Nummer 1 im Westen
Ein Blick auf die Tabelle zeigt ganz klar: der Platzhirsch der Westvereine heißt Wacker Innsbruck. Durch den Sieg gegen Liefering setzten sich die Tiroler mit fünf Punkten Vorsprung von den Jungbullen ab. Lustenau rangiert, mit 9 Punkten Rückstand, auf Rang fünf, die Austria mit 23 Zählern (29 sportlich erreichten abzüglich sechs Strafpunkten hinsichtlich Lizenzverstößen) auf dem vorletzten Rang. Soweit wäre ja alles klar. Auch in einer Minitabelle, die nur die Spiele der West-Mannschaften wiedergibt, bräuchte sich Wacker keine größeren Sorgen machen. Die „Alpenliga“ führt man derzeit souverän mit 19 Punkten aus 10 Spielen an, gefolgt von Liefering mit 18 Punkten aus bereits 11 Partien. Lustenau (10 aus 9) und Salzburg (9 aus 10) folgen auf den Plätzen. In den direkten Duellen konnte Wacker gegen Liefering (drei Siege, eine Niederlage) und Lustenau (zwei Siege, eine Niederlage) reüssieren, gegen die Violetten steht man mit einem Sieg, einer Niederlage und einem Remis bei ausgeglichenem Torverhältnis derzeit noch auf Augenhöhe. Liefering konnte immerhin gegen Lustenau (zwei Siege, ein Remis) und den Stadtrivalen (zwei Siege, zwei Remis) positiv abschließen, die Vorarlberger haben gegen Salzburg mit zwei Siegen und einem Remis die Nase vorne. Etwas unangenehm ist, dass Österreich nicht am Kärntner Tor, dem Mandlingpass und am Mattsee endet, so muss man sich doch im Niemandsland der Liga herumplagen. Blöd auch für die Fußballfans, die einen höheren Schnitt an Toren geboten bekämen. Fallen in einem durchschnittlichen Ligaspiel 2,88 Tore und in einem Match mit Ost-Team-Beteiligung 2,86 Treffer, so darf sich der fußballaffine Bergbewohner über exakt 3 Tore pro Spiel freuen, wenn nur Salzburger, Tiroler und Vorarlberger Mannschaften zu sehen sind. Bei allgemeiner westlicher Beteiligung sind es immerhin 2,99 Tore im Schnitt – man steht auf Unterhaltung am Feld im Gebirge!
Nummer 1 im Tor
Ein einziges Spiel der 20 großen, kleinen und unbedeutenden Westderbys endete torlos, das bedeutet allerdings gleich 5% aller Begegnungen gegenüber 3,57% (5 torlose Remis) bei den bisherigen 140 sonstigen Aufeinandertreffen in der ersten Liga. In 8 von 20 Partien konnte ein Tormann sein Gehäuse rein halten, die Hälfte davon geht auf das Konto des schwarz-grünen Schlussmannes. Die drittbeste Defensive der Liga konnte am dritthäufigsten ein Shut-Out feiern und bekam auswärts am drittwenigsten Tore. Grund dafür sind Torhüterleistungen wie zuletzt von Ersatzmann Julian Weiskopf, der mit dreizehn abgewehrten Schüssen einen Ligarekord für die laufende Meisterschaft aufstellte. In seinen neun Einsätzen musste er zwar ebenso viele Gegentore hinnehmen, weist aber mit einer Fangquote von 79.07% die zweitbeste Statistik nach dem Jungbullen Airton (82,35%) auf. Vier seiner neun Spiele beendete „Jules“ mit weißer Weste – eigentlich ein perfekter Wert, wären da nicht ab und an Schwächen mit dem Fuß, die den ebenso nicht unfehlbaren Pascal Grünwald wie einen brasilianischen Zauberer aussehen lassen. „Passis“ Einser-Position scheint derzeit noch ungefährdet, mit Weiskopf hat Wacker aber einen hochwertigen Ersatzmann wie so manch anderes Team der Liga nicht in der Startaufstellung vorweisen kann.
Nummer 1 im Ländle
Wacker wird einen sicheren Rückhalt auch brauchen, denn auch wenn die Lustenauer Austria nicht gerade als Torfabrik bekannt ist, sie kann gefährliche Konter fahren und die großen der Liga gehörig ärgern. Fragen Sie den LASK, der am Freitag zu Hause mit 0:2 unterging, Trainersohn Seifedin Chabbi, Ilkay Durmus oder auch Bruno kaum einfangen konnte und durch Marco Krainz in der 94. Minute einen 106-kmh-Weitschuss ins Kreuzeck einfing. Leichtes Pflaster ist der Reichshof nicht, in den vergangenen 9 Auswärtsspielen konnten die Innsbrucker nur zweimal als Sieger vom Platz gehen – allerdings auch nur zweimal als Verlierer. Fünf Remis zeugen von verbissenen Kämpfen um die Vorherrschaft. In Runde 15 waren es ausgerechnet die Lustenauer, die den Schwarz-Grünen nach sieben Auswärtssiegen in Folge die erste Niederlage zufügten, Julian Wießmeier (59.) und Peter Haring (84.) drehten das Spiel in Halbzeit zwei. Lustenau spielte seine Stärke aus: kein Team der Liga schießt mehr Tore in der ersten Viertelstunde nach der Pause als die grün-weiße Austria. Innsbruck konterte mit ungewohnter Schwäche, verlor man doch durch eines von nur sieben Toren in der Schlussviertelstunde – kein anderes Team erhielt nach der 76. Minute weniger Gegentreffer. Die Nummer 1 im Ländle zu sein wird für die Tiroler kein einfaches Unterfangen, nur wenige Spiele im Rheintal endeten mit einem klaren Ergebnis. Bestes Spiel für Wacker: Das Sechzehntelfinale im Pokalbewerb am 15.08.1980. Damals ebenfalls in der zweiten Liga, konnte man die Austria mit 5:1 abfertigen, Golautschnig, Schenk, Koreimann, Braschler und Scheiber trugen sich als Torschützen ein und durften einige Monate später den Meistertitel und Wiederaufstieg in die höchste Spielklasse bejubeln.
Nummer 1 im Reichshof
Wiederaufstieg wird heuer keiner mehr zu bejubeln sein, sportlich befinden sich sowohl Wacker als auch Lustenau im Niemandsland. Die einzig spannende Frage bleibt also: schafft die Austria die Lizenz im zweiten Anlauf oder geht es der Nummer 1 im Reichshof wie den Blau-Weißen vom FC? Schwarz-Grün hält den Vorarlbergern dabei fest die Daumen und Präsident Nagel ist sich ohnehin seiner Sache sicher. Und zwischenzeitlich duelliert man sich um den enorm nichtssagenden Titel der Nummer eins im Westen. Denn irgendetwas muss man ja tun, um für Spannung zu sorgen…