Ten Little Injuns
Das Lied ist alt. Uralt. 148 Jahre. Und doch so aktuell. Von 10 kleinen Indianern schrieb Septimus Winner, und wie sie, Mann für Mann, abhandenkommen. Als wäre er ein stiller Beobachter des Innsbrucker Fußballs und würde, leicht zynisch, leicht leidend, den Schwund im schwarz-grünen Kader beobachten. Das zweite Spiel der Liga, das erste Auswärtsspiel, die Begegnung mit der Kapfenberger Sportvereinigung, und schon darf Maurizio Jacobacci zaubern…
Letztes Weekend
Tja, das vergangene Wochenende hatte es in sich. Krampf, Kampf, erlösendes Tor in der Nachspielzeit – eigentlich könnte man ja sogar einiges Positives mitnehmen aus dem Spiel. Es werden aber nur die drei Punkte sein, die Wacker Innsbruck glücklich betrachtet, muss man doch erneut zwei Spieler vorgeben. Und was für Spieler: Andreas Hölzl und Jürgen Säumel, beim einen Muskelfaserriss im Hüftbeuger, beim anderen in der Wade. 56 Erstligaspiele standen die beiden in der vergangenen Saison am Platz, 4662 Minuten. Das sind 3 Tage, 5 Stunden und 42 Minuten durchgehend. Oder fast 51mal die Verfilmung von Agatha Christies Roman „And Then There Were None“ mit Richard Attenborough, Orson Welles und Gert Fröbe. Das Buch erschien auf Deutsch übrigens zunächst als „Letztes Weekend“, bevor es in den 1980ern in „10 kleine Negerlein“ umgetitelt wurde. Wie diese im Kinderreim verschwinden die Stammkräfte des FC Wacker vom Spieltableau. Und nicht gerade die schlechtesten. Jürgen Säumel etwa war wohl zentral für den Umkehrschwung der Innsbrucker gegen Floridsdorf. Als seine Rolle plötzlich die des offensiven Verteilers war, kamen auch die Flügel besser ins Spiel. 83,3% seiner Pässe fanden den Mann, 36 seiner 42 Pässe suchten einen Abnehmer in der gegnerischen Hälfte, eine Torvorlage steht ebenso zu Buche. Es war Säumels bereits zwölfter Assist im Trikot des FC Wacker Innsbruck seit seinem Wechsel an die Sill, kein Teamkollege kann mehr Vorbereitungen vorweisen. Und nicht zuletzt gewann er 60% seiner Zweikämpfe. Wobei, beim letzten Wert stand er klar im Schatten von Andreas Hölzl, dem effektivsten Kicker der Auftaktpartie: 72,7% seiner 11 Duelle gingen an den Brixenthaler, der mit zwei klärenden Aktionen und drei abgefangenen Bällen wesentlich zum Dreipunkter beitrug und mehr als zwei Drittel seiner Pässe an den Mann brachte. Für die kommenden Wochen ist das alles Nippes, Hölzl und Säumel werden wohl von der Tribüne aus die Spiele beobachten müssen.
Zehn kleine Indianer
Ein Indianer kennt keinen Schmerz, heißt es. Blöd nur, wenn der vereinseigene Medizinmann da anderer Meinung ist und noch mehr Spieler zur notwendigen Schonung abkommandiert. Etwa Christoph Freitag, einen weiteren potentiellen Sechser. Und was für einen: in 29 Einsätzen kam er 12mal auf dieser Position zum Einsatz, einmal sogar als Verteidiger. Dennoch kann er im Ligabetrieb sechs Tore und vier Assists vorweisen, gab 40 Schüsse Richtung bzw. davon 16 direkt aufs Tor ab, exakt die Hälfte von innerhalb des Strafraums und aus der Distanz. 1069 Pässe spielte er, 77,46% fanden den eigenen Mann. 352 Zweikämpfe bestritt er, 85,48% aller Luftduelle gewann der Steirer – nur, gegen seine Landsmänner aus Kapfenberg wird er fehlen. Muskelbündelriss im Oberschenkel. Und damit ihm nicht langweilig wird, leistet ihm wohl auch noch Patrik Eler Gesellschaft, der, gerade auf dem Wege der Besserung nach seinem Außenbandriss, sich nun eine Angina eingefangen hat und somit Goalgetter Thomas Pichlmann keine Entlastung bringen kann. Dabei wäre sein Schnitt von 144 Minuten pro Tor ja geradezu vorzüglich, 83 Schüsse mit 37 Versuchen auf das Ziel wie im vergangenen Jahr sowie 14 Tore und fünf Vorlagen würden der Offensive der Schwarz-Grünen ganz schön gut tun. Es wird halt nix draus. Auch er steht auf der Ausfallsliste, die bei Wacker zu Saisonbeginn schon beinahe so lang ist wie andernorts das Patientenverzeichnis eines Wahlarztes. Gut nur, dass Jacobacci von einem breit aufgestellten Kader spricht und sich nicht beunruhigen lässt. Und ebenso gut, dass der Gegner Sportvereinigung Kapfenberg heißt. In der vergangenen Saison konnten die Falken kein einziges Spiel gegen Innsbruck gewinnen, acht Tore mussten sie dabei hinnehmen. Klingt doch ganz schön gut.
Zehn kleine Jägermeister
Allerdings sollte man nicht tiefer gehen bei dieser Statistik. Die Gefahr, ein Lied der Toten Hosen allzu interaktiv zu gestalten ob der Ergebnisse, wäre dann doch zu groß. Nur ein Spiel konnte in der vergangenen Saison gegen Kapfenberg gewonnen werden, nur einmal konnte man die Null halten. Und blickt man noch weiter zurück, wird Kapfenberg vom Lieblings- zum Angstgegner. Seit dem Abstieg in die Erste Liga konnte Wacker nur das Spiel am 18. September 2015 gewinnen. In fünf von acht Partien blieb man ohne Torerfolg, zwischen März 2012 und September 2015 konnten die Tiroler gegen die KSV nicht einnetzen. Drei Spiele verlor Innsbruck, durchschnittlich kassierte man 1,5 Tore pro Spiel, zweimal gab es ein klares 0:3. Gut nur, dass nicht nur die Region Kapfenberg von Abwanderung a la „Ten Little Injuns“ betroffen ist, sondern auch das Team von Trainer Ibrakovic den ein oder anderen Abgang zu erdulden hatte. Unter anderem verließen Marco Perchtold, David Witteveen, David Harrer, Ronivaldo und Mario Grgic den Verein und damit fünf der acht Torschützen der vergangenen beiden Jahre. Blöd nur, dass die Rot-Weißen nach nur zwei Pflichtspielen bereits erneut fünf verschiedene Torschützen vorweisen können, unter anderem Joao Victor, der bereits zweimal gegen Innsbruck traf, oder seinen brasilianischen Landsmann Jorge Elias, der im Kalenderjahr 2016 schon 11 Erstliga-Tore erzielte und damit der gefährlichste Spieler des Jahres ist. Klingt jetzt nicht mehr ganz so gut.
Auswärtsspiel
Aber Innsbruck will aufsteigen. Und da ist es egal, wie offensiv gefährlich oder defensiv stark ein Team auch wirkt, Wacker will gewinnen. Daheim, auswärts, überall. Auch in der Obersteiermark gegen Kapfenberg, und gewiss wieder mit der Unterstützung seiner unerschütterlichen Fans. Oder, wie es die Hosen sagen: „Bis zum bitteren Ende wollen wir den Weg mitgehen“. Schön wäre allerdings, wenn sich dabei nicht der Kinder-Abzählreim fortsetzen würde…