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Moshimoshi, Horn! (Hallo, Horn!)

Es geht in den Osten. Weit in den Osten. So weit, dass man sich schon fast vorkommt, wie in einem fremden Land. So weit im Osten, dass sich Japaner schon heimisch fühlen, dass in der Halftime-Show Miss Ayako mit ihrer glockenhellen Operetten-Stimme die Bäume blühen lässt. Nicht Hanami, also Kirschblüten betrachten, sondern die im Prater in Wien (https://www.youtube.com/watch?v=22hzB26BwKk&feature=youtu.be). Aber immerhin. So weit im Osten ist der nächste Gegner des FC Wacker Innsbruck zu Hause – der SV Horn. Kikku-ofu! (Anstoß!)

 

 
Musuko Nihon (Söhne Japans)

Die Söhne Japans haben das Waldviertel entdeckt. Und im ersten Moment ist es kein Wunder, dass sie sich hier wie zu Hause fühlen. Das östliche Waldviertel, quasi eine Insel in Österreich. Über lange Zeit abgeschottet von der Außenwelt durch einen Vorhang aus Grün und Landesstraßen gegen Metropolen wie St. Pölten oder Krems im Süden, durch einen Vorhang aus Eisen im Norden gegen Böhmen, entwickelte sich dort eine eigene Kultur, die für Außenstehende nur schwer nachvollziehbar ist. „Braunschlag“ beweist es, denn seit der Piefke-Saga wissen wir, dass mehr Wahrheit in diesen Persiflagen steckt, als uns lieb ist. Dennoch fühlen sich dort einige Tiroler wohl, etwa Michi Streiter, der sich drei Jahre dort aufhielt. Oder Gischi Westerthaler, der noch immer nicht von dort wegzubewegen ist. Vielleicht kommt da der alte Tiroler Wunsch nach einer väterlichen Herrscherfigur auf. Und da haben wir ihn schon, den Unterschied zu Japan. Der Tenno, amtsmüde geworden und sich bewusst, den Erfordernissen der Zeit nicht mehr gewachsen zu sein, wünscht leise, den Chrysanthementhron verlassen zu dürfen. Sein Pendant am blau-gelben Thron hegt noch zu viel Freude an Blumen- und Weinköniginnen und anderen herrschaftlichen Verpflichtungen, um vorab zurücktreten zu wollen. Spannend wird, welchen Weg die neuen Herren des SV Horn einschlagen werden, den des Tennos oder den des Lokalkaisers. Zunächst einmal sind sie gekommen, um zu bleiben, die Hondas. Und sie haben noch einige Söhne des Landes der aufgehenden Sonne mitgebracht. Mit Shuichi Gonda (Tor), Nikki Havenaar (Abwehr), Mizuki Arai, Kenta Kawanaka, Rintaro Yajima (Mittelfeld) und Shota Sakaki (Sturm) stehen sechs Kinder Nippons am Spielplan. Bislang 1805 Spielminuten konnten die Jungs unter der Leitung ihres Landsmannes Masanori Hamayoshi absolvieren, beobachtet von ihrem Obmann Yoji Honda und seinem Stellvertreter Yasunori Kanda, dem sportlichen Leiter Taku Omoto und acht weiteren japanischen Vorstandsmitgliedern von Tsukasa Honda bis zu Ryosuke Suzuki. Also den Maiers, Hubers und Walders des asiatischen Inselstaates, zumindest wenn es um die Häufigkeit des Namens geht.
 
Renzoku (Serie)

Gestartet ist Horn ja wie der Shinkansen. Zumindest verbal. Die Champions-League soll es sein, in fünf Jahren. Ein Ziel, an dem schon andere Geldgeber in Österreich in Serie gescheitert sind und das auch in Innsbrucks blau-weißer und rot-grüner Geschichte unerreichbar schien. Aber der Shinkansen ist nicht für seine Höchstgeschwindigkeit bekannt, sondern für seine hohe Durchschnittsgeschwindigkeit und seine enorme Pünktlichkeit. Auf 2175km Schienennetz musste der ehrenwerte Fahrgast 2005 im Schnitt sechs Sekunden Verspätung erdulden. Wie der Shinkansen ist auch Horn, sagen wir, gemächlich gestartet. Drei Niederlagen bis zum ersten Punktegewinn, nur ein Sieg in sieben Spielen. Aber nie mehr als zwei Tore erhalten, nie mit mehr als einem Tor Unterschied verloren, nur zwei Spiele ohne Treffer – es ginge schlechter. Und die Serie, die Innsbruck zu bieten hat, ist auch nicht gerade umwerfend. Eher der ehrwürdigen, alten Korridorstrecke Lienz-Innsbruck entsprechend. Ständiger Personalwechsel, sogar Zugmaschinentausch war nicht ausgeschlossen, um mit Pausen und Aufenthalten irgendwie vorwärts zu kommen. Oder nein, besser: der für den Direktzug eingeführte Bus. Fulminanter Start nach Anlaufschwierigkeiten (durch Innsbruck auf die Autobahn), um dann im Verkehr am Brenner, im Wipp- und Pustertal oft nur noch zu schleichen. Wie war das? Nur ein Sieg in sieben Spielen? Kann Innsbruck auch. Keine Niederlage mit mehr als einem Tor? Kann Innsbruck auch. Kein Spiel mit mehr als zwei Gegentreffer? Kann Innsbruck auch. In fünf von sieben Spielen treffen? Kann Innsbruck auch. Der FC Wacker stolpert derzeit auf Augenhöhe mit dem Aufsteiger, und beide ambitionierten Ziele Champions League/Aufstieg klingen derzeit wie Spott in den Ohren. Der letzte Auswärtssieg der Schwarz-Grünen ist schon über vier Monate her, die letzten zwei aufeinanderfolgenden Siege exakt fünf Monate. Wer die 2016er-Bilanz der Tiroler anschaut, kann sich nur über die Saisonvorgabe wundern. Nur eines tröstet: Die Bilanz gegen Horn selbst ist makellos. Vier Spiele, vier Siege, 9:0 Tore. Eine Fortsetzung scheint derzeit aber unwahrscheinlich.
 
Insuburukku? Mo ii. (Innsbruck? Nein, Danke.)

Dabei hätte die Horn-Geschichte auch anders kommen können. Ganz anders. Ja, Horn hatte einen Ausbildungs-Trainer als Co, Masaki Morass. Und der hat gehört, dass die Agentur Honda Estilo nach Europa will. Die Agentur, die dem großen Keisuke Honda gehört, dem Cousin des Obmanns, dem Spieler des AC Mailand. Der Agentur, die 65 Fußballschulen in Japan betreibt. Und diese Schüler sollen in Europa lernen, etwa in Österreich. Denn in Österreich kann man mit möglichst wenig Geld an die nationale Spitze kommen, und von dort in die europäischen Bewerbe. Euro-Fighter wie Wolfsberg, Grödig oder Pasching lassen grüßen. Und so checkte man die Ligen, checkte den Wiener Sportklub, die Vienna, Wr. Neustadt – und Wacker Innsbruck. Ja, auch die Schwarz-Grünen waren im Visier. Aber wenn man vermarktet, dann gekonnt. Dann braucht man die Herrschaft über ein Stadion, und das ist nicht in wackerer Hand. Die Waldviertler Arena schon, zumindest de facto. Und so gibts neben Würstel und Semmel auch gebratene Nudeln, neben einem G’spritzen in Doppellitergröße auch Sake. Und es gibt Live-Übertragungen. Was in Innsbruck – auch mangels Zelt – nicht funktioniert, haut hin, wenn man über den halben Erdball überträgt. Bis zu 20.000 Fans, sind wir ehrlich, des Keisuke Honda verfolgen die Spiele der österreichischen Ersten Liga. Auch das gegen Innsbruck. Es wird Zeit, dass die Kinder Nippons Insuburukku abseits von Olympia, Goldenem Dachl und Toni Sailer kennen lernen. Denn sonst blüht nicht nur kein Edelweiß am Fujiyama, sondern bald gar nix mehr.

 

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Autor: Stefan Weis

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