Besser Pessimist
Tut mir leid, das wird nix. Kein Sieg, keine drei Punkte, kein Jubel auf fremdem Terrain. Wacker ist einfach chancenlos. Klingt für Sie zu pessimistisch? Naja, Optimismus wurde in den vergangenen Monaten schnell und grausam bestraft. Wer nichts erwartet, kann nicht enttäuscht werden, auch nicht gegen Wr. Neustadt. Und Pessimismus rettet Leben. Glauben Sie nicht? Warten Sie einen Moment…
Besser ignorieren
Ein Pessimist ist ein Optimist, der gut informiert ist, heißt es. Tja, dann schauen wir mal, wie das Jahr 2016 bisher so lief. Der Herbstmeister und Winterkönig war am Weg, den Tiroler Traum von der Bundesliga ein Jahr vor Plan zu erfüllen. Rein nach den Zahlen, denn der gut Informierte sah schon den Abwärtstrend, der im Frühjahr dann so richtig Schwung aufnahm. Bis zu diesem Zeitpunkt der Saison lag Wiener Neustadt auf Rang acht, fünfzehn Punkte hinter Wacker, hatte zwar mit 24 ebenso viele Tore erhalten wie die Schwarz-Grünen, aber gleich 24 weniger erzielt. Dann kam Rene Wagner. Zunächst nur als Co-Trainer engagiert, übernahm der Slowake am 19. April den Posten von Günther Kreissl, der frühzeitig als Geschäftsführer Sport zu Sturm Graz wechselte. Eine Woche zuvor hatte Wr. Neustadt noch gegen Innsbruck verloren und lag mit 41,4% Niederlagen und nur 31% Siegen im unteren Drittel der Tabelle. Nach Wagners Einsetzung änderten sich die Dinge, wenn auch langsam. Drei Niederlagen in Folge blieben nur deshalb ohne Konsequenzen, weil der Abstieg durch die Lizenzfrage geregelt war. Und, weil daraufhin bis Saisonende nur noch eine Niederlage gegen den Meister folgte, aber drei Siege und ein Remis. Das letzte Spiel gewann man sogar auswärts mit 2:1 – am Tivoli. Wäre man Optimist und Niederösterreicher, man müsste sagen, Rene Wagner hat den SCWN besser als Innsbruck gemacht. Der gut Informierte sah aber, dass dieser „Erfolg“ überwiegend in Tirol beheimatet war und aus dem dortigen Misserfolg resultierte. Im Frühjahr 2016 war die zuvor so erfolgreiche Innsbrucker Mannschaft nur die siebtbeste der Liga, die Blau-Weißen lagen mit einem Punkt mehr auf Rang sechs. Das Torverhältnis betrug bei beiden in dieser Phase -3, die Innsbrucker Offensivkraft war verebbt, die niederösterreichische unwesentlich angestiegen. Schlimmer noch der Vergleich Rene Wagner mit dem FCW, denn ab Runde 29 war lediglich Floridsdorf schlechter als Wacker, das in acht Spielen nur sieben Punkte holte und am zweitmeisten Tore erhielt, während Neustadt im gesicherten Mittelfeld ankerte. Und dieses Team von der Sill, das sich seit Wochen am absteigenden Ast befand, wurde als Meisterkandidat ausgerufen und mit einer Verpflichtung behaftet, die fern der tatsächlichen Umstände lag. Wenn man sich nicht besser informiert, muss man besser ignorieren.
Besser daheim
Vielleicht ist der Pessimismus nur eine Alterserscheinung. Man hat schon so viel erlebt mit seinem FC Wacker, dass man das Licht am Ende des Tunnels so lange für ein verirrtes Glühwürmchen hält, bis man, von ihm geblendet, erneut blind in die Zukunft taumelt. Oder man begründet es mit einer Gemeinschaftsstudie Deutscher und Schweizer Universitäten, die als Nebeninformation ergab, dass Menschen, je älter sie sind, umso pessimistischer in die Zukunft blicken. Die Alten sehen deshalb beim Blick auf die Tabelle, dass die Jungs von Rene Wagner in der oberen Hälfte positioniert sind, zwei Punkte mehr am Konto haben, ein Tor mehr erzielt haben, zwei Siege mehr feiern durften. Wenn die Jungen dann darauf hinweisen, dass Innsbruck unter dem Neo-Trainer Thomas Grumser nur einmal verloren habe und in diesen sieben Spielen nach der Lustenauer Austria das erfolgreichste Team sei, kann der erfahrene und informierte Fan genussvoll pessimistisch auf die Saisonstatistik der Spielentwicklung hinweisen. In den bisherigen 17 Spielen geriet Wacker 11mal mit 0:1 in Rückstand, so häufig wie kein anderes Team. 65% der Spiele begannen mit einem Tor für den Gegner, fünfmal gar in den ersten 15 Minuten. Keine Mannschaft der Liga lag öfter 0:1 zurück, kein Verein musste mehr Treffer in der Anfangsviertelstunde hinnehmen. Der Tiroler Pessimist geht deshalb nicht nur früher (zwei Gegentore in der Nachspielzeit, nur der FAC mehr), sondern kommt auch später ins Stadion – weiß er doch ebenso, dass auch die Würsteln vorher nicht wärmer gewesen wären. Dass der Gegner nun Wr. Neustadt heißt, bestärkt den Pessimisten nur, denn der SCWN ging bislang 11mal mit 1:0 in Führung und schoss vier Tore in den ersten Minuten, beides Liga-Spitzenwert. Mehr noch, die Niederösterreicher sind eine Heimmacht geworden, nach vier Niederlagen in Folge zu Saisonbeginn wurden die letzten vier Spiele vor eigenem Publikum allesamt gewonnen. Und weil Wacker ein so gern gesehener Gast ist und auswärts lediglich einmal gewinnen konnte (nur BW Linz und Horn haben schlechtere Werte), bleibt der gewogene Pessimist gleich zu Hause. Was soll man schon verpassen?
Besser jung
Gut, man könnte etwa die jüngste Wacker-Mannschaft verpassen, die erfolgreich am Platz agiert. Aus den Altherren der letzten Jahre sind Fohlen geworden. Vergangene Saison waren neun der dreizehn ältesten Mannschaften der Spielzeit mit dem Innsbrucker Dress aufs Feld getrabt, darunter die vier allerältesten mit einem Durchschnitt von 27,8 bis 28 Jahren. Kaum anders startete man in die aktuelle Meisterschaft, zehn der fünfzehn ältesten Startelformationen der Liga stammten aus der Tiroler Landeshauptstadt (vier weitere aus dem Unterinntal), wiederum belegen wackere Mannschaften die Top-Drei mit 26,6-27,5 Jahren. Bis Thomas Grumser kam, und Verletzungen und Formtiefs bei den „Arrivierten“. Plötzlich galoppierten Jungspunde über das Feld, und das gar nicht so unerfolgreich. Die jüngste Mannschaft der Liga – abseits von Liefering, versteht sich – schickte Grumser beim 2:2 gegen Lustenau aufs Feld, 22,3 Jahre bedeuten rund fünf Jahre weniger als unter Jacobacci. Gleich drei der jüngsten acht Teams mit Aufstiegsberechtigung trugen Schwarz-Grün, drei Remis wurden erkämpft. Rene Wagners jüngste Mannschaft (23,0 Jahre) als Vergleich musste zu Hause eine 1:4-Niederlage ertragen.
Besser leben
Da bleibt dem Pessimisten nur die Hoffnung, dass Grünwald und Co bald wieder den Durchschnitt heben. Denn die Studie der Deutschen und Schweizer Universitäten hat noch etwas anderes herausgefunden: Pessimisten leben länger. Allzu großer Optimismus im Alter führt zu erhöhtem Erkrankungs- und Sterblichkeitsrisiko. Und der Pessimist weiß, er wird noch viele Lebensjahre brauchen, um seinen Wacker wieder dort zu sehen, wo er hingehört – in der Bundesliga. Also besser nur das Schlimmste erwarten…