Skip to main content

Die Tivoli Nordtribüne unter der Lupe

Die Projektgruppe des „Studienlehrgangs Soziale Arbeit“ am MCI Innsbruck haben vor kurzem in der jungen Talstation am Rennweg ihre Studie „Sozialarbeit mit jungendlichen Fußballfans“ präsentiert. Angehende Sozialarbeiter/innen haben sich zu diesem Zweck fast zwei Jahre intensiv mit Fußball, Fangruppen und dessen Nebenwirkungen befasst. Fast jedes Spektrum rund um den Fußball wurde beleuchtet und nach der Veranstaltung in Gruppen diskutiert. Der Enthusiasmus dieser jungen Leute inspirierte mich zu diesem Artikel. Und heraus gekommen ist dabei erstaunliches und vieles wird mit Sicherheit überraschen.

 

 

Kennenlernen

Zu diesem Zeck habe ich mich mit Carina, Mimi und Miriam getroffen. Jene Studentinnen der Projektgruppe, welche sich mit dem Gruppenverhalten der Fans beschäftigt haben. Und eines schon einmal vorweg, das war auch für mich ein besonderes Erlebnis, mit wie viel Begeisterung und Leidenschaft die jungen Damen berichteten. Bis auf eine der Ladys, hatte noch keine Berührung mit dem Thema Fußball. Interessant wie sie ihre ersten Male erlebt haben. Das war bei regnerischem Wetter gegen den FAC und setzte sich fort. Die Begeisterung, die während der Spiele aufkommt, diese Leidenschaft hat schon imponiert und mitgerissen. Auch dass ihr Projekt unter den Fangruppen sehr gut angekommen ist. Mit der Zeit wagten sich die Damen immer mehr in den Brennpunkt der Nordtribüne. Erstaunlich nahmen Carina und die Anderen zur Kenntnis, dass die da zum mitmachen beim Support aufgefordert wurden. Je weniger Zuschauer gekommen sind, desto enger rückte die Nordtribüne zusammen. Auf jeden Fall ein beeindruckendes Erlebnis.

Erstaunliches Westderby

Die Tivoli Nordtribüne bringt regelmäßig eine hohe dreistellige Zahl an Jugendlichen zusammen und ist zum großen Teil organisiert. Die Tivoli Nord sorgt somit für einen subkulturellen Szene-Charakter und das selbstorganisierend. Regelmäßig wird die gemeinsame Szenezugehörigkeit mit Fanclubtreffen und selbstorganisierten Auswärtsfahrten gelebt. Und ich selbst kann sagen, durch das gemeinsame arbeiten an Choreographien, das Organisieren von Turnieren und weiteren Aktionen wie gemeinsamen Unternehmungen wird der FC Wacker Innsbruck gelebt und die Tivoli Nordtribüne darf man zurecht als größte Jugendgruppe Tirols bezeichnen.

Den angehenden Sozalarbeiterinnen beeindruckte besonders die Verbundenheit der Fußballfans mit dem FC Wacker Innsbruck. Ob vom FCW oder von der Tivoli Nord, es wird immer von „WIR“ gesprochen. Ein Umstand der ihnen auch bei mir aufgefallen ist.
Besonders Aufregend war das Erlebnis des „echte und wahren Westderby“ gegen Austria Salzburg. So eine Anspannung, so eine Stimmung, Atmosphäre und eine tolle Choreographie. Und das erste Mal erlebten die Mädchen so etwas wie Aggressivität am Tivoli. Ihre These dazu lautet, dass man im Gegensatz zu Konzert-Besuchern, Musik-Fans und Besuchern von Jugendveranstaltungen, im Fußball vehement für etwas einsteht und gleichzeitig wiederum gegen etwas ist.
Nach dem Unentschieden gegen die Violetten seien die Wackerfans sehr erbost und sauer gewesen, während gegenüber gefeiert wurde. Für die Projektgruppe etwas überraschend. Ich konnte etwas aufklären und mitteilen, in Innsbruck sind einfach die Ansprüche anders, als bei den meisten anderen Vereinen in dieser Liga. Ein Derby hat andere Gesetze und die Schwarz-Grünen haben ganz einfach schlecht gespielt.

Im Stadion

Die meisten der Projektgruppen sind vorher noch nie in einem Fußballstadion gewesen. Der Aufbau der Tribünen erinnert an Konzerthallen. Die Steh- und Sitzplätze der verschiedenen steil aufsteigenden Tribünen, auf welche die Fans aufgeteilt sind, bilden einen Ring um die Bühne: das Spielfeld ist (anders als bei einer Musik oder Theater-Vorführung) ein Ort, wo ein (sportlicher) Wettstreit ausgetragen, der sich auf die Zuschauertribünen überträgt, zu denen auch der Gästesektor auf der Südtribüne für Fans der Gastmannschaft gehört. Der Rivalitätssinn der Sportler wird von den Fans übernommen. Gruppenidentität wird nicht zuletzt durch die ritualisierte Abgrenzung zu gegnerischen Vereinen und Mannschaften bzw. deren Fans hergestellt.

Und zu den Thesen, was so in den Medien und in der Öffentlichkeit über Fußballfans gesagt und geschrieben wird, haben alle drei Damen gemeint, es sind sehr viele Vorurteile und Falschmeldungen im Umlauf. Die Presse würde sehr einseitig berichten und im Übermaß aufbauschen. Auch auf meinen Einwand hin, dass so mancher der Meinung ist, man könne mit Kindern nicht ins Stadion gehen, wurde mir gesagt, die Damen würden sogar dreijährige Kinder mit auf die Nordtribüne nehmen. Das kommt jetzt nicht von mir, sondern von Studentinnen der Projektgruppe, die über Eineinhalb Jahre die Szene und das Tivoli erforscht haben.
Als meine Söhne zum ersten mal mit im Tivoli gewesen sind, war der Eine vier und der Andere drei. Geändert hat sich seit dem nicht viel.

Die Studentinnen haben auch den Streik der Nordtribüne im Herbst miterlebt. Zwar nur am Rande, aber ihrer Meinung nach hat das Wesentliche dann gefehlt, als keine Fangruppen auf der Nordtribüne für Stimmung sorgten. Das war auch irgendwie eine komische Atmosphäre.

Soziale Arbeit mit Fußballfans

Fanarbeit ist ein Zusammenspiel aus Gruppen- und Einzelfallarbeit, sie hat sowohl die Fanszene im Gesamten bzw. einzelne Fangruppierungen, als auch die Fans im Einzelnen im Blick. Fanarbeit begleitet und reflektiert die Lebenswelt der jugendlichen Fußballfans und anerkennt dabei den Wunsch nach emotional-körperlichen Ausbrüchen aus einem zunehmend verregelten Alltag. Nicht zuletzt durch die Emotionalität des Fußballsports ist die Fanszene, wie kaum eine andere Jugendszene, von Loyalität, Solidarität und Zusammengehörigkeitsgefühl geprägt. In ihrem Handeln und ihrer Zielsetzung orientiert sich Fanarbeit an den Potenzialen, aber auch Risiken des jugendlichen Aufwachsens. Das Ziel Sozialer Arbeit mit Fußballfans bildet eine langfristige Veränderung (Aufbau einer positiven Identität des Einzelnen, Verhaltensänderung). Der Weg hierzu führt durch ein Spannungsfeld von Konformität und Individualität, dem Jugendliche ausgesetzt sind. Aufgabe muss es hierbei sein, Handlungsalternativen (gewaltfreie Konfliktlösung) aufzuzeigen.

Die Fans der Tivoli Nordtribüne sehnen sich wieder nach Fanarbeit. Diese wurde in Innsbruck 2013 aus finanziellen Gründen eingestellt. Den Grund dafür schoben sich die Verantwortlichen gegenseitig zu. Es ist zu hoffen, dass es künftig wieder Fanarbeit geben wird.

Ich bedanke mich bei Carina, Mimi und Miriam für einen überaus tollen Gedankenaustausch und eine sehr nette Unterhaltung!

Avatar photo

Autor: Rudolf Tilg

Dieser Text stellt geistiges Eigentum des tivoli12 magazins dar und ist somit urheberrechtlich geschützt. Um den Text, oder Teile davon nutzen zu können, setzen Sie sich bitte mit dem tivoli12 magazin in Verbindung.
Skip to content