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Der Friedhof der Kuscheltiere?

Oh, das klingt jetzt aber richtig martialisch. So nach „Wir werden sie auseinandernehmen wie ein verspieltes Hündchen einen Steiff-Bären“. Oder „Wacker Innsbruck in seinem Lauf hält weder Plüsch noch Teddy auf“. Nichts da. Wir wissen, was solche Überheblichkeit bewirkt. Fragen sie nach bei Honecker, der weder Ochs noch Esel als Hindernis für seinen Sozialismus sah. Zerbröselt ist er, der Traum vom Arbeiter- und Bauernparadies. Wie auch der Traum vom Aufstieg in Innsbruck. Oder der Traum von der Nummer 1 in Niederösterreich bei Wiener Neustadt. Geblieben sind beinahe nur Ruinen. Und bevor mir jetzt jemand „Auferstanden aus Ruinen“ singen anfängt…

 
Die Nummer eins im Land

Es gab Zeiten, da war man an der Warmen Fischa (Anm.: Bach in Niederösterreich) das beste Team des Landes, damals, in den 20ern, vor den Zeiten des Profisports in der Provinz. Und 1936 wurde man gar Österreichischer Amateurstaatsmeister, mit einem Gesamtscore von 9:2 gegen den Innsbrucker AC, dem besten Team aus Tirol damals. Also in dem Jahr, in dem sich Wacker als Tabellenletzter aus der Landesklasse A verabschieden musste, weil IAC, HSV, ISK, Veldidena, SVI und Hall besser waren. Den zweiten Frühling erlebte man in den Fünfzigern und Sechzigern, ebenfalls schon eine halbe Ewigkeit her. Die Erstklassigkeit endete 1967, genau in dem Jahr, in dem Wacker Innsbruck punktegleich mit Rapid Wien nur Vizemeister wurde, der kleine Bruder aus Wattens aber noch fünfzehn Plätze und eine ganze Liga tiefer lag, SV und nicht mehr SC hieß (aber noch nicht WSG) und hinter Lustenau gereiht wurde, weil man einen Spielabbruch provoziert hatte. Namensänderungen, Spielabbrüche, Zweitklassigkeit – Nachtigall, ich hör dir trapsen, tät der Berliner meinen. Ob Schwarz-Grün sich das durch die SPG ein paar Jahre später eingefangen hat? Unerheblich. Denn weiter im Osten, viel weiter, da kehrte Neustadt 2008 nach Jahrzehnten der Bedeutungslosigkeit zurück, auch mit neuem Namen und den Träumen eines nach Kanada ausgewanderten Steirers. Die Geschichte ist bekannt: Erfolg ausgeblieben, Interesse am neuen Spielzeug verloren, langsamer Niedergang – wie immer, wenn ein Verein von den Gnaden eines Mäzens oder Hauptsponsors auf Gedeih und Verderb abhängig ist. Und statt einer großartigen neuen Arena hat das Industrieviertel nun ein „Teddybären- und Plüschstadion“. Bevor wir lachen – willkommen in Tirol, der ehemaligen Heimat des Tirol-Milch-Stadions am Tivoli. Namen kann man aussitzen, den sportlichen Niedergang aber nur schwer. Und der hat sich hartnäckig eingenistet, in Innsbruck wie in Neustadt.
 
Der täuschende erste Blick

Vor dem Abschluss des dritten Viertels steht die Zukunft der Niederösterreicher auf wackeligen Beinen. Ja, sie liegen nur sechs Punkte hinter dem Tabellenvierten Innsbruck – aber das bedeutet Rang neun, erster Abstiegsplatz. Mit 28 Toren haben sie nur fünf weniger geschossen als die Tiroler – aber mit 47 so viel erhalten wie kein anderes Team, das Torverhältnis von minus 19 spricht für sich. Wiener Neustadt ging in dieser Saison 15mal in Führung, nur der LASK öfter – holte dabei aber nur 27 Punkte, verlor viermal, so oft wie kein anderes Team der Liga. Und, vor allem, der SCWN hatte schon bessere Phasen in dieser Saison. Rang vier nahm man bereits in sieben Runden ein, zuletzt in Runde 19. An diesem Spieltag konnte man allerdings auch den letzten Sieg feiern, das letzte Mal zu Null spielen. Seit jenem Dreipunkter gegen Kapfenberg im November folgten sieben Spiele ohne Sieg, davon sechs Niederlagen, alle Niederlagen ohne eigenen Treffer. Zwischen 25.11.2016 und 31.03.2017 wurde kein Tor erzielt, deren aber vierzehn erhalten. Die Erlösung brachte vergangene Runde Bernd Gschweidl mit seinem siebten Saisontreffer, der auch das Remis gegen die Lustenauer Austria bedeutete. Bis Runde 19 war Neustadt das offensiv vierterfolgreichste Team der Liga, und auch, wenn damals schon die Abwehr die große Schwachstelle der Mannschaft war, es gab vier Teams mit schlechterem Torverhältnis. Doch bevor Wacker ob der Unphase der Blau-Weißen in allzu frühen Siegestaumel verfällt, sollte man sich die Tabelle ab Runde 20 etwas genauer anschauen. Sieben Spiele, vier Niederlagen, negatives Torverhältnis, zwei von drei Heimspielen verloren, und das auch noch zu Null. In der Tabelle mag zwar Rang vier ausgewiesen sein, die Leistung spiegelt es aber kaum wieder.
 
Es keat oanfoch viel mehr kuschelt!

Jetzt treffen sie also aufeinander, die beiden Krisenteams des Jahres. Wiener Neustadt, noch sieglos im Jahr 2017, und Wacker Innsbruck, das sich durch den Sieg gegen Horn ein klein wenig Luft verschafft hat. Jene Teams, die derzeit nur von einer großen Vergangenheit leben und einem sportlich erträglichem Herbst, ohne den  beide Abstiegsfavoriten wären. Jene Teams, deren Zukunft im Unklaren liegt – und denen es dennoch besser geht als anderen Traditionsvereinen, denen der eine große Geldgeber abhandengekommen ist. Fragen sie nach bei der Vienna, fragen sie nach am Tivoli in Aachen. Die Hohe Warte, einst Heimat des Nationalteams, könnte bald nur noch Synonym für Wetterprognosen sein, und das Tivoli in Aachen bald nur noch Kulisse für Pferdefreunde sein. Doch bevor man in Panik verfällt und sich an sein Stofftier kuschelt, sind noch 10 Partien zu absolvieren. Und dann noch eine ganze Saison, in der die Zukunft entschieden wird. Bis dahin heißt es: zusammenstehen. Auf der Tribüne, um Wacker zu unterstützen. In Verhandlungen, um gemeinsam für Innsbruck aufzutreten. Und in Spielen wie gegen Wiener Neustadt, um Fußballösterreich zu zeigen, dass Schwarz-Grün noch quicklebendig ist. Letzteres ist die Aufgabe der Spieler, die den Heimsieg vom 13. September wiederholen müssen. Machen sie das, werden sie wieder bekuschelt werden, wie vor einer Woche im fernen Waldviertel von den 50 unbeugsamen Auswärtsfahrern. Denn – es keat oanfoch viel mehr kuschelt!

 

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Autor: Stefan Weis

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