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Die Totznhacker

Wenn sich der Osterhase von seiner mühevollen Arbeit ausruht, die Ratscher-Gitschen und –Buam ihre Lärmgeräte wieder einpacken, die Osterfeuer verglüht sind und der Verdauungsapparat der Tiroler die Völlereien nach 40 Tagen Fastenzeit überstanden hat, dann ist es eigentlich auch Zeit, den Totzn wieder zu verstauen. Was, kennen sie nicht? Totznhacken haben sie noch nie gehört? Kein Wunder, ist es ja eine aussterbende Tradition. Apropos, Wacker und Kapfenberg duellieren sich am Dienstag wieder einmal…

 
Bitt schian Herr, setzens an Groschn ins Kreasl…

Da fängt’s ja schon mal an – einen Groschen? Selbst die, die das Spiel noch selbst als Bub gespielt haben in den Höttinger Gassen oder in St. Nikolaus, hätten sich damals wohl kaum mit einem Groschen zufriedengegeben. Also ein Fuffzgerle hätts schon sein müssen. In den Höttinger Gassen wichen die spielenden Kinder dem Stoßstange an Stoßstange durchziehenden Verkehr, in St. Nikolaus müht man sich, nicht von Abrissarbeiten historischer Häuser getroffen zu werden, und oben am Sonnenhang wird man wohl die Klientel für solche Spiele nicht mehr finden. Und Fuffzgerln hatte man genug in Innsbruck, vor allem falsche. Wie auch jetzt in Kapfenberg. Dort liegt man vor dem Duell gegen Wacker nur mehr vier Punkte vor der Abstiegszone anstatt einem Punkt vor den Tirolern. Lizenzbestimmung 4.4.1.3. d) war nicht so ganz das, was die Steirer im Auge hatten. Vielmehr, sie hatten Geld im Auge, wie Präsident Erwin Fuchs im Plausch erzählt. Ein slowenischer Sponsor, vielmehr eine Einzelperson habe sich gemeldet mit dem Versprechen, vier Jahre als Geldgeber tätig sein zu wollen. Ach und wenn der Totzn singt und die Münze springt, dann setzen im Fußball leider allzu oft die neuronalen Funktionen aus. Bei Kapfenberg glücklicher Weise nur halb. Der in aller Freude aufgesetzte Vertrag sah vor, dass die Geldleistungen aus dem Süden einen Vize-Obmanns-Posten und auch gewisse Rechte mit sich bringen würden. Wohl auch Transferrechte, meint doch 4.4.1.3. d), dass der Lizenznehmer „die alleinige organisatorische und wirtschaftliche Verantwortung für die Spieler jener Mannschaft trägt“. Tja, das Geld floss nie, der Vertrag wurde nicht rechtskräftig, doch alleine die Intention reichte der Liga für eine Strafe von sechs Punkten Abzug, selbst wenn Erwin Fuchs meint, „nichts Unanständiges gemacht“ zu haben. In guter alter Radio-Tirol-Tradition stellen sie sich jetzt den Klang einer fallenden Münze vor – ein Totzn für Kapfenberg.
 
…mei Totzn singt wia a Tannenmeasl!

Bevor man schadenfreudig in Gelächter ausbricht und mit den Finger in die Obersteiermark zeigt, erinnern wir uns in Innsbruck der heimischen Traditionen, etwa dem „Der Onkel wird’s schon richten“. Wenn der Onkel Frank hieß, wanderten nicht Punkte ins Nirgendwo, sondern etwa Patrik Jezek an den Verteilerkreis. Oder das lustige Spiel „Gib ma deins i gib da’s zruck und no eppes dazua“, neudeutsch Crossboarder-Leasing. Da ging gutes Tiroler Geld in dunkle Kanäle, wollte dann aber aus den Staaten oder der Karibik, so genau weiß man‘s nicht, nicht mehr in die Berge zurück. Für einen Ehrentotzn wird das ebenso wenig reichen wie die aktuelle Finanzierungslücke, die dem neuen Vorstand unter Gerhard Stocker hinterlassen wurde, obwohl man sich vorab damit brüstete, den Verein schuldenfrei gemacht zu haben. Da müssen viele Totzn geworfen und viele Groschen gewonnen werden, um Wacker wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Spielerisch schaut es ja mal so aus, als wäre man nach Anfangsschwierigkeiten am richtigen Weg. Noch nicht so erfolgreich wie im Herbst und weit entfernt von ansehnlichem Spielfluss oder einer Partie, die nicht Zuschauer wie Betreuer alle Nerven kosten würde. Aber immerhin brachten die letzten fünf Spiele viermal einen Punktegewinn. Lediglich der Lask, der als einziges Team in den letzten Runden – vielmehr seit 13 Partien – ungeschlagen blieb, steht in der Momentaufnahme vor den Schwarz-Grünen. Ein Zeichen der Hoffnung, denn diese fünf Spiele waren bislang nicht sonderlich erfolgreich.  Im ersten Saisonviertel setzte es in der Serie Lustenau, Blau-Weiß, Horn, Neustadt und FAC drei Niederlagen bei nur einem Sieg, das zweite Viertel brachte vier Remis bei nur einem Sieg, die Ausbeute wurde von vier über sieben auf zehn Punkte erhöht.
 
Dreimal denk, Totzn und Schnur enk!

Jetzt hat Wacker also die Chance, seine Position vor dem Derby am Freitag nochmals zu festigen. Dem Derby, das man bislang in dieser Saison schon dreimal verloren hat. Und damit dreimal öfter als in allen bisherigen Pflichtspielbegegnungen. Dengewatsch, tät der alte Osttiroler sagen, Linkshänder. Und es nicht gerade in einer netten Art meinen, denn was deng/denk ist, das ist nicht in Ordnung. Im Gegensatz zu den bisherigen Spielen gegen Kapfenberg. Die KSV ist einer von nur zwei Clubs der Liga, gegen den Innsbruck in dieser Saison in jeder Begegnung punkten konnte. Drei Begegnungen, zwei Siege. Saisonübergreifend wurde auch das Tivoli dreimal verteidigt, zweimal einigte man sich dabei auf ein Remis. Im letzten Heimspiel wurde ein Sieg errungen, wenn auch mühevoll, glücklich und auf den ersten Blick alle Klischees erfüllend. Qualtingers Wort klingt immer nach, wenn man an die Falken aus der Industriestadt denkt – und auch Innsbruck wurde nicht zwingend als Ballett bekannt, fragen sie nach beim General Manager, dessen Spitzname ansonsten nur mythische Figuren und Gevatter Tod ziert. Es wurde also gehackt am Tivoli, doch nicht mit Totzn. In der 27. Minute der erste verletzungsbedingte Wechsel, drei Minuten später die erste gelbe Karte. Die Führung für Innsbruck aus einem Elfmeter rundete die erste Halbzeit ab. Zwischen der 62. und 64. Spielminute drei Verwarnungen, in der Nachspielzeit Gelb-Rot für Rami Tekir bedeuten acht Karten, einmal davon aus der Gesäßtasche. 34 Fouls machten die fehlenden Torszenen zwar nicht wett, aber das Spiel zumindest für Freunde des Holzhackens unterhaltsam.
 
Totznhacken, einmal anders

Und da haben die beiden wirklich was zu bieten. Kein Team erhielt bislang mehr gelbe Karten als die Kapfenberger Sportvereinigung, nämlich 64. Kein Verein mehr wegen Fouls als die Falken, nämlich 37. Niemand erhielt mehr Ausschlüsse als die Innsbrucker, nämlich sechs. Niemand wurde öfter direkt vom Platz gestellt als ein Schwarz-Grüner, nämlich dreimal. Es könnte unterhaltsam werden, wenn auch nicht auf spielerische Art und Weise…
 
P.S.: Ach, bevor sie verzweifelt googeln: Totznhacken ist ein Frühlingsbote, ein Spiel, das Kinder nur zwischen Fasnacht und Ostern spielen durften. Der Totzn, ein Kegel meist aus Holz, manchmal Metall, so etwa dreieinhalb Zentimeter im Durchmesser und etwa fünf Zentimeter hoch, hat an der Spitze einen Staggl, also einen kleinen Metallstift. Bemalt oder beschnitzt, damit man seinen Totzn wiedererkennt, wird das Spielgerät mit Spagat umwickelt und mit kräftigem Schwung auf den Boden „gehackt“, also nach unten geworfen. Die Schnur, am Ende vom Spieler festgehalten, bringt den Totzn in eine Rotationsbewegung. Unten, das ist ein auf den Boden gemalter Kreis mit einem halben Meter Durchmesser, in dessen Mitte sich eine Münze befindet – und diese gilt es, mit dem Totznhacken aus dem Kreis zu befördern, ohne dass der Totzn dabei aufhört, sich zu drehen und durch die Rotation „zu singen“. War man sich seines Erfolges sicher, dann verkündete man großmäulig den dreifachen Erfolg in Serie, man würde gar den eigenen Totzn und die Schnur drauf verwetten. So manche Ankündigung endete aber wie Wackers heuriges Saisonziel…

Bild: By Tong Van Tuan Anh from Ha Noi, Viet Nam (Old Vietnamese game) [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons 

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Autor: Stefan Weis

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