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Vasteasch?

Den Fußball soll mal einer verstehen. Die einen planen Hochzeiten während Nationalteam-Lehrgängen und wundern sich über einen genervten Teamchef. Die anderen drohen aus dem Tabellenkeller der Regionalliga mit dem Tod und wundern sich, dass Großsponsoren abspringen und ihr Verein einmal mehr auf der Kippe steht. Wieder andere spielen eine Saison mit Wellentälern, dass die Surfer vor Oahu ihre reinste Freude damit hätten und wundern sich immer noch über Kritik und Zweifel an der erneuten Zielvorgabe Aufstieg. Und ganz andere unterwerfen sich emotional instabilen Mäzenen, um dann ihr Stadion in ein vermeintliches Kuschelparadies für Kleinkinder zu verwandeln. Willkommen im österreichischen Fußball, willkommen bei der letzten Runde der Ersten Liga, willkommen bei SC Wiener Neustadt gegen FC Wacker Innsbruck.

 

Uans no…

Ein Spiel gibt es noch in dieser Saison. Eine Runde, in der es um nichts mehr geht als um den Abstieg zwischen Horn und dem FAC. Denn ob Neustadt jetzt 6. oder 8. wird, ist eigentlich völlig unerheblich. Ob Wacker die Saison am 4. oder 5. Rang abschließt, ebenso. Außer, man nimmt Ranglisten abseits der klaren sportlichen Ziele zur Grundlage, dann geht es um die Wurst. Denn ein Spiel noch, dann wird entschieden, welche blau-weiße Mannschaft die beste der Saison ist. Blau-weiß scheint eine Farbe zu sein, die den Fußballgöttern nicht gerade zusagt. In der gesamten ersten Spielklasse gibt es kein einziges Team in diesen Farben, in der zweithöchsten Spielstufe finden sich die blau-weißen Teams derzeit auf den Rängen sieben bis 10. Der Tabellenletzte in der deutschen Liga? SV Darmstadt 98, blau-weiß. Das Schlusslicht in Italien? Delfino Pescara 1936 S.p.A., blau-weiß. In Frankreich? Sporting Club de Bastia, blau-weiß. In der Schweiz haben sich Lausanne und Grashoppers mit dem vor- und drittletzten Platz gerade noch gerettet, liegen aber lediglich vor Vaduz aus Liechtenstein und sind damit schlechteste Eidgenossen. „Blau“ mag sich zwar ableiten vom althochdeutschen „blao“ für „glänzend“, doch das einzig Glänzende sind wohl die tränenbenetzen Augen. Denn viel zu lachen gab es nicht, auch nicht für den letzten Gegner der Saison. Kein Team konnte in der Fremde weniger Punkte sammeln, weniger Tore schießen oder erhielt mehr Gegentreffer als Wr. Neustadt. Wobei sie die rote Laterne in letzterer Wertung noch abgeben könnten, denn Innsbrucks Defensive schien auswärts eher auf Sightseeing-Tour denn auf Dienstreise, mit 30 erhaltenen Toren liegt man nur einen Treffer hinter den Niederösterreichern. Eines noch, und man zieht gleich.

Aucha und ocha…

Dabei gab man sich offensiv so gut wie lange nicht. 29 Tore, um drei mehr als vor eigenem Publikum, stehen bislang zu Buche. Und es riecht nach mehr. Es riecht nach mehr, weil in den letzten 10 Spielen nur eine Begegnung weniger als zwei Innsbrucker Tore brachte, insgesamt jedoch 24. Dem Schnitt von 1,24 Toren in den ersten 25 Runden steht ein Schnitt von 2,4 in den letzten 10 Runden gegenüber. Ein Auf und Ab also. Oder, anders formuliert, ein Patrik Eler. Eler hat seit 3. März nur in einem Spiel nicht getroffen, im Jahr 2017 liegt sein Schnitt bei 1,23 Tore pro Partie. Die Auszeichnung zum besten Spieler der Saison durch eine Jury aus Präsidenten, Managern und Kapitänen der Liga hat er sich wohl verdient. Und mit ein bisschen Glück holt er sich nicht nur die Torschützenkrone – oder Torjägerkanone oder den goldenen Schuh oder ein sonstiges nettes Give-Away – sondern führt Innsbruck auch zur erfolgreichsten Auswärtssaison in der zweiten Liga jemals. Denn bislang steht der Rekord an Auswärtstoren bei 31, erzielt 1980/81 und 2015/16. Also in dem Jahr, in dem Wacker wieder in die Bundesliga zurückkehrte und ab dem fünften Spieltag die Tabellenspitze nicht mehr aus der Hand gab, und in dem Jahr, als man nach souveränem Herbstmeistertitel und Winterkönig auf den dritten Platz abrutschten und St. Pölten und dem LASK den Vortritt lassen musste. Auf und ab, wie auch in der heurigen Saison. In den ersten 12 Spielen drittschlechteste Mannschaft, steigerte man sich zwischen Runde 13 und 20 zum zweitbesten Team der Liga. Die ersten fünf Spiel unter Daxbacher ließen Innsbruck zum zweitschlechtesten Verein mutieren, nur Wiener Neustadt hatte in dieser Phase mit exakt 0 Punkten und 0 Toren noch weniger zu lachen. Und aktuell? Die besten Ballesterer des vierten Meisterschaftsviertels stammen aus Innsbruck. Ocha und aucha und ocha und aucha…

Se wasche wo…

Aber man weiß, das alles nützt nichts, wenn es nicht auch entsprechend gewürdigt wird. Und das scheint derzeit in den lokalen Medien recht schwer zu sein, denn auch der kleine Bruder aus Wattens surft auf einer Erfolgswelle und darf sich zweitbestes Team des Jahres 2017 nennen, selbst, wenn man dennoch noch hinter den Schwarz-Grünen vom Tivoli rangiert. Das führt zu Euphorie in der Kristallmetropole und bringt Wattens einen Zuschauerschnitt von 1751 Unterland-Tifosi, trotz stark fallender Tendenz. Nur vier Spiele lagen über dem Schnitt, die beiden Derbys und die ersten beiden Heimspiele der Saison gegen den FAC und Wiener Neustadt. Nui isch guito, se wasche wo. Oder, wie es Barney Stinson sagen würde: Neu ist immer besser. Deswegen jubelt der Sponsor und Medienpartner des FC Wacker Innsbruck euphorisch über seine neu entdeckte Liebe, deswegen lässt aber auch der Besuch im Alpenstadion nach. Man hat sich an die Liga gewöhnt, da kriegt man selbst bei Wacker das Stadion nicht mehr annähernd voll und lässt den Meister LASK links liegen. Innsbruck braucht sich nicht zu brüsten mit seinen Besucherzahlen, das ist auch klar, denn nach Jahren als Platzhirsch in Liga zwei, in denen trotz Dauerkrise immer die meisten Zuschauer kamen, liegt man in diesem Jahr nur auf Rang drei und muss den Linzern aus Pasching sowie den Lustenauern im Reichshof den Vortritt lassen. Und weil im nächsten Jahr weder von oben noch von unten ein Publikumsmagnet nachkommt, muss man sich bedanken, dass man zumindest die Tiroler Derbys behalten konnte. Wr. Neustadt etwa lockte in diesem Jahr nur rund 1650 Zuschauer pro Spiel ins Tivoli, rund 750 weniger als vergangene Saison. Nebenbei, auch in der vergangenen Saison lautete der letzte Gegner in Runde 36 Wr. Neustadt. Das Ergebnis vergessen wir lieber, es war die erste Saisonniederlage gegen die Blau-Weißen.

Vasteasch?

Aber die Zeiten ändern sich schnell. Aus dem Spitzenstürmer der vergangenen Saison wurde ein Kicker von Eierlabern. Aus routinierten Stammkräften Bankerlhocker. Aus Aufstiegsträumen Abstiegsängste. Aus der Magna-Arena ein Teddybären- und Plüschstadion. Alles verändert sich, vasteasch? Warum also soll nicht auch Innsbruck das letzte Spiel gewinnen?

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Autor: Stefan Weis

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