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Vorwärts, rückwärts, seitwärts, stopp…

Der Cup. Für Amateurmannschaften das Highlight der Saison weit vor Saisonbeginn, denn wann kann man schon Rapid, Austria oder den Meister bei sich in der Provinz begrüßen? Gut, auch Wolfsberg, Hartberg oder FAC, auch das ist Profitum, und vielleicht nicht ganz so attraktiv. Für die Berufsballesterer und die raunzerte österreichische Fußballseele ist der Pokal eine lästige, unattraktive Pflichtübung, bei der man sich g’scheit blamieren und nix gewinnen kann. Naja, fast nichts, außer einer Teilnahme am internationalen Geschäft, und das mit nur sechs Siegen in 10 Monaten. Da darf auch der Kleine träumen, etwa der SK Vorwärts Steyr gegen Wacker Innsbruck. Und so unrealistisch ist das Ganze gar nicht.

 

Vorwärts

Denn – Phrasenschweinderl, komm her, kriegst was zu fressen – der Cup hat nun mal seine eigenen Gesetze. Und die lauten: Profis unterschätzen Amateure allzu oft. Die zweite Garde einer höherklassigen Mannschaft kann von emotionalisierten Regional- und Landesligisten geschlagen werden. 80% Leistung einer Bundesliga-Truppe reichen nur selten für einen Sieg. Gesetze, die jedem bekannt sind und ständig ignoriert werden. Frag nach bei Mannsdorf, 2016 Aufsteiger in die Regionalliga Ost und Bezwinger der Schwarz-Grünen in der ersten Runde des Cups 2016/2017. Oder frag nach bei der Vorwärts, die auch eine lange Geschichte von unerwarteten Pokalpleiten vorweisen kann. Etwa 1989, als Erstdivisionär gegen einen kleinen Tiroler Fußballverein. In der zweiten Runde meinte man, den Landesligisten Rapid Lienz im Schongang nehmen zu können, aus der Niederlage gegen die Union Matrei zwei Jahre zuvor hatte man bei den Roten gelernt. Man glaubte es auch, weil man weder Steurer noch Eder, weder Schmuck noch Gomig jemals gehört oder gesehen hatte, mit Omerhodzic nur ein nicht überdurchschnittlicher Legionär aus Jugoslawien in Grün-Weiß spielte, der Einser-Tormann Niederwieser bereits zur WSG nach Wattens und damit ins Vorfeld des FCT gewechselt war. Und auch, weil man nur einen einzigen Namen kannte: Robert Idl, Spielertrainer in seiner Heimat, nachdem seine Profilaufbahn in Innsbruck geendet hatte. Wie war das nochmal? Profis unterschätzen Amateure allzu oft. Die Industriestädter waren also ohne die Mannschaftsstützen Madlener, Lukic, Piesinger und Gröss auf den Platz getrabt und glaubten, auch so die Partie nach Hause spielen zu können. Und es hätte in jedem anderen Spiel auch gereicht, doch tiefer Boden in strömendem Regen spielte der technisch nicht ganz so versierten Mannschaft in die Hände. Also in die Füße. Nochmal: Die zweite Garde einer höherklassigen Mannschaft kann von emotionalisierten Regional- und Landesligisten geschlagen werden. Und so war es der Donnerschlag des Lienzer Kapitäns, der Steyr im Gewitter aus den Träumen riss. Ein Querpass in der 62. Minute auf die linke Angriffsseite, Schmuck schickt den Ball mit einem Stanglpass flach an den Fünfer, der von hinten kommende und eigentlich bedrängte Idl rutscht hinein – die Vorwärts war draußen aus dem Cup. Denn: 80% Leistung einer Bundesliga-Truppe reichen nur selten für einen Sieg. Manchmal lernt man es auf die harte Tour.

Rückwärts

Steyr gegen Innsbruck, das klingt nach Tradition. Nach Kindheitserinnerungen, zumindest, wenn man nicht ganz so alt ist. Denn tatsächlich sind beide Vereine zwar vor rund 100 Jahren gegründet worden, hatten aber zu völlig unterschiedlichen Zeiten ihre besten Phasen. Die Oberösterreicher waren bereits 1949 in der Staatsliga A tätig, spielten noch bis 1959 in der Staatsliga B, stiegen dann aber, als Innsbrucks Aufstieg begann, in die dritte Liga ab. Und so trafen Wacker und Vorwärts erstmal 1979 in einem Bewerbsspiel aufeinander, 60 Jahre nach der Gründung des SK. Die nächsten Treffen gab es dann erst wieder, als Innsbruck ein blau-weißes, kristallen glitzerndes Trikot überstreifte. Die ersten fünf Spiele gegeneinander brachten keinen Sieg für Steyr, mehr noch, ein Torverhältnis 2:12. Man musste bis zur dreizehnten Begegnung warten, um zum ersten Mal wirklich reüssieren zu können. Fünfmal gelang dies insgesamt, zwölfmal gab es ein Remis, siebzehnmal ging Innsbruck als Sieger vom Platz. Doch es gab auch schmerzhafte Niederlagen für die Tiroler, etwa 1994, als Thomas Gröbl, Christoph Westerthaler (2), Richard Naawu und Daniel Madlener den FCT mit 5:0 abmontierten. Gut nur, dass Trainer Krankl das Spiel nicht gesehen hat (er beobachtete Deportivo La Coruna), er hätte vor Zorn gebrannt, nicht die Nordkette. Andererseits, man verlor auch in Spanien 4:0. 4:0 endete 1999 auch die bislang letzte offizielle Partie, am Tivoli trafen Zoran Barisic und dreimal Radoslaw Gilewicz, bei Steyr waren die Zeiten eines Oleg Blochin und Otto Baric und der davon erwünschte Höhenflug schon lange vorbei. Mit nur drei Siegen bei 27 Niederlagen verabschiedete man sich aus der Liga und bald darauf sich die Spieler vom Verein, war man ihr Gehalt ja mehrfach schuldig geblieben. Im Jänner 2000 wurde Steyr die Lizenz entzogen, je nach Interpretation blieben 36-54 Millionen Schilling Schulden, der Verein wurde aber – anders als Rapid Lienz 2000 oder der FC Tirol 2002 – nicht liquidiert, sondern vereinsrechtlich am Leben erhalten, allerdings mit einem bitteren Nachgeschmack. Eine Bank mit Giebelkreuz sicherte sich für eine Kredithaftung von umgerechnet 650.000 Euro das Baurecht an einem 4000 Quadratmeter großen Teil des Vorwärtsstadions, ein Recht, das teilweise auch heute noch besteht.

Seitwärts

Abseits der großen Fußballbühne hat sich aber einiges getan bei Steyr. Von der achten Klasse aus kämpfte man sich zurück in die Regionalliga, spielte in der siebten Liga vor 5000, in der fünften Liga vor 7000 Zuschauern – die Fankultur lebt bei den Rot-Weißen. Der Versuch, mit Trainer Helmut Kraft und Spielern wie Thomas Krammer und Rade Djokic in den Profisport zurückzukehren, endete mit einem Vizemeistertitel und Turbulenzen innerhalb des Vereins – wiederum hatte man sich finanziell übernommen. Nunmehr ist die Vorwärts in ruhige Fahrwasser eingetreten, die Hauptsponsoren haben Drei-Jahres-Verträge unterschrieben, die Beiträge wurden erhöht, 700.000 Euro stehen für die aktuelle Saison zur Verfügung, ein zehnköpfiger Wirtschaftsbeirat begleitet die finanziellen Unterfangen. Mit Erima gibt es einen neuen Ausstatter, das Vorwärts-Stadion wird nach einem Radiosender benannt (deshalb auch die Anspielzeit 18:55 – „…immer fünf Minuten früher informiert…“), im Nachwuchs stellt man sich breit auf und kooperiert mit dem ATSV, kann dadurch mit der Kampfmannschaft im eigenen Stadion trainieren – und dennoch stürzt man sich bei der Kaderplanung nicht auf Namen, sondern geht unter Neo-Trainer Gerald Scheiblehner einen vorsichtigen Weg mit Blick in die Zukunft. Junge Spieler wurden geholt, von den sechs Neuverpflichtungen sind fünf jünger als 20 Jahre, im 24-Mann Kader elf. Der Altersschnitt liegt unter 22, einzig Kapitän Reinhard Großalber im Tor hat bereits eine Drei vorne stehen. Und während bei Innsbruck die Zeichen in der Offensive auf Abschied stehen, konnte Torgarant Yusuf Efendioglu bei Steyr gehalten werden und darf sich mit David Gataric messen, einem 18jährigen Flügelflitzer vom bosnischen Zweitligisten FK Derventa.

Stopp

Vorwärts wird gefährlich sein. Bereits im vergangenen Jahr benötigte der spätere Meister und Cupsieger in Runde eins 61 Minuten und einen Strafstoß, um erstmals gegen Steyr zu treffen, während zeitgleich ein niederösterreichischer Regionalligist den FC Wacker Innsbruck stoppte. Der Pokal hat seine eigenen Gesetze. Aber sie sind nicht unbekannt.

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Autor: Stefan Weis

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