Skip to main content

Weit weg von Konstanz

Die Printmedien wissen es. Der Rundfunk weiß es. Im TV sagen es Moderatoren wie Experten. Im Netz sind soziale Netzwerke und Fußballseiten voll davon. Wacker Innsbruck ist derzeit wie eine Achterbahn-Fahrt. Nein, wie ein Schnurlostelefon. Neben der Basisstation einwandfrei, aber je weiter man sich davon entfernt… Tja, nichts wie Rauschen. Kein Wunder, dass der bislang einzige Auswärtssieg im 17 Kilometer entfernten Wattens gelang. 184 Kilometer nach Lustenau scheinen da erschreckend weit weg. Innsbruck ist weit weg von Konstanz.

Weit weg

Genauer gesagt, 244 Kilometer. So weit ist es bis Konstanz, der größten Stadt am Bodensee. Der Heimat der Fasnet, der schäbisch-alemannischen Fastnacht, die Kalauer wie eben diesen hervorbringt. Die fehlende Konstanz von Wacker ist aber leider ebenso wenig zu lachen wie eine durchschnittliche Fasnets-Sitzung. Ohne berauschende Getränke nicht auszuhalten, das eine wie das andere. Man könnte jetzt sagen, die Schwarz-Grünen hätten sich doch stabilisiert, nur eine Niederlage in den letzten sechs Spielen. Ja, aber auch nur ein Sieg in den letzten vier. Von Rang drei hat man sich wieder auf Rang fünf zurückfallen lassen, fünf Punkte fehlen auf Spitzenreiter Wiener Neustadt, vier auf den direkten Aufstiegsplatz Nummer 2. Was aber wirklich bedrückt, was wirklich bedenklich ist, ist die frappierende Auswärtsschwäche. Ein einziger Sieg abseits des Tivoli in bereits sechs Spielen, aber drei Niederlagen. Zweimal verlor man gegen Hartberg und kassierte dabei 5 Gegentreffer, 4:1 ging man in Ried unter, gegen die vom Ex-Innsbrucker Rapp trainierten Kapfenberger verlor man, beim kriselnden Blau-Weiß und dem völlig fertigen Floridsdorf holte man nur ein Remis. Wacker ist auswärts ohne Gegenwehr. Es liegt nicht an den acht erzielten Toren, da ist man im Schnitt, nur Lustenau und Ried haben mehr erzielt. Aber 12 Gegentreffer sind deutlich zu viel, zählte man das  Abbruchspiel hinzu, wären es sogar 14. Das kleine Hartberg etwa hat bislang nur fünf erhalten, Wiener Neustadt sechs. Sieben Teams mussten weniger Tore in der Fremde hinnehmen, sechs haben ein besseres Torverhältnis. Und nur zwei konnten weniger Punkte von ihren Ausflügen mit nach Hause nehmen. Innsbruck ist Auswärts nicht einmal Durchschnitt.

Konstanz pur

Dabei war Innsbruck einmal Konstanz. Mehr noch, Innsbruck war die Hauptstadt von Konstanz. Von Innsbruck aus regierten die Habsburger Vorderösterreich, also das, was heute Teil der Schweiz ist oder Baden-Württembergs. Wollte man Konstanz, suchte man Innsbruck. Das war auch vor gar nicht allzu langer Zeit so. Denn Wacker war einmal auswärts wer. War eine Macht. In der vergangenen Saison etwa holte man in der Fremde in den letzten sechs Spielen fünf Siege bei 15 Toren. Aber mit zwei kleinen Makeln: durchschnittlich fing man sich 1,33 Gegentore ein (8 Stück). Und: das einzige Spiel, das man verlor, verlor man in Lustenau. Ein 1:2, die Entscheidung fiel in der 92. Minute. Vor zwei Jahren startete man als das personifizierte Schreckgespenst für Heimmannschaften in die Saison. Zwischen Juli und Februar wurden 9 von 10 Auswärtsspielen gewonnen, 24:9 Tore in der Fremde erzielt. Nur ein Spiel wurde verloren. Wollen Sie raten, wo? Richtig, es war im Reichshof. Wieder ein 2:1, wieder schlug Lustenau spät zu, diesmal war es Minute 84. Dank der Siegesserie lag man lange Zeit an der Spitze der Tabelle und war Aufstiegskandidat Nummer eins. Als die Serie riss – beginnend in St. Pölten – musste man den aufkommenden Niederösterreichern den Platz an der Sonne überlassen. 2016/17 stieg der LASK auf, die beste Mannschaft auf fremdem Terrain. 2015/16 St. Pölten, niemand holte auswärts mehr Zähler. 2014/15 war nur Liefering besser als Aufsteiger Mattersburg, 2013/14 war keiner abseits der Heimat besser als Altach. Ein Jahr zuvor hieß der Aufsteiger Grödig, die Salzburger sammelten fern vom Untersberg die meisten Punkte der Liga, so, wie ein Jahr zuvor der WAC abseits vom Lavanttal. Man könnte meinen, es gäbe ein Muster.

Näher an Konstanz

Der Reichshof Lustenau liegt deutlich näher an Konstanz, es sind nur 61. Kilometer. So nah, dass die von Innsbruck aus regierten Vorarlberger im Mai 1809 Konstanz belagerten. Vom See aus. Ja, Österreich war mal eine Seemacht, wenn auch in diesem Fall angeführt von einem mit Andreas Hofer verbündeten Wirten aus der Gebirgsstadt Bludenz. Was hat das mit Lustenau zu tun? Nix, denn die gehörten noch nicht einmal zu Vorarlberg, und schon gar nicht zu Österreich. Lustenau sucht Konstanz in anderen Bereichen, wenn auch nicht immer ganz erfolgreich. Die Austria ist etwa nahe an Konstanz, was ihre Ligateilnahme betrifft. Gerne sieht man sich im Ländle als zukünftige Bundesliga-Mannschaft, ebenso gerne scheitert man an diesem hehren Ziel. Kein Team ist länger Mitglied der zweiten Division als Lustenau. Bereits seit dem Jahr 2000 müht man sich dort ab, keines der anderen Teams ist länger als seit fünf Jahren in der Ersten Liga. Dreimal wurde Lustenau in dieser Zeit undankbarer Zweiter, musste sich Pasching um 2 Punkte geschlagen geben, unterlag Wacker Innsbruck, scheiterte an Altach. Es gibt viele Gründe für die Konstanz der Grün-Weißen, am Aufstieg zu scheitern – nicht aber fehlendes Spielglück und Heimstärke gegen Wacker Innsbruck. Kamen die Tiroler, wurde der Reichshof zur Festung. Von allen 12 Erstliga-Begegnungen auf eigenem Terrain wurden nur zwei Spiele verloren, nur zweimal kein Punkt erreicht. 2008/09 gewannen die Schwarz-Grünen durch Tore von Unterrainer, Perstaller und Fabiano mit 3:2, 2014/15 erkämpfte man ein 0:1 durch Daniel Micic. Das war’s dann aber auch schon mit Erfolgen im Ländle, sechsmal setzte es ein Remis (vier davon 2:2), viermal sogar eine Niederlage. Seit vier Spielen sind die Vorarlberger zu Hause auch ungeschlagen gegen Wacker, drei davon wurden sogar gewonnen. Lustenau ist ziemlich nahe an Konstanz.

Die Suche nach Konstanz

Innsbruck wäre gerne Konstanz. Aber ist es halt nicht. Die einen liegen am See, die anderen in den Bergen. Die einen hatten vier Jahre lang ein Konzil mit gleich drei Päpsten gleichzeitig und allem Pipapo, die anderen erst seit 1964 einen Bischof. Und mussten zwei Jahre auf einen neuen warten. Die einen schrieben mit der Verbrennung des Reformators Jan Hus Weltgeschichte, die anderen konnten mit der Verbrennung von Jakob Hutter nicht einmal die einheimische Bevölkerung richtig aufhussen. Innsbruck ist nicht Konstanz. Gott sei Dank, vielleicht gelingt deshalb mal wieder ein Sieg im Reichshof, entgegen jeder Konstanz.

Avatar photo

Autor: Stefan Weis

Dieser Text stellt geistiges Eigentum des tivoli12 magazins dar und ist somit urheberrechtlich geschützt. Um den Text, oder Teile davon nutzen zu können, setzen Sie sich bitte mit dem tivoli12 magazin in Verbindung.
Skip to content