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Schöne Dinge mausgrau

„Grau ist alle Theorie“ sagt Mephisto zu Faust. Und er muss es ja wissen, kennt er ja auch die Krönung aller Theorie, die Statistik. Denn dort steckt der Teufel im Detail. In schönen Zahlen, die all das beweisen, was ich will. Oder widerlegen. Der beste Lückenfüller für alle TV-Stationen und Printmedien, ob mit Klasse oder aus dem Boulevard. Ein Glas Rotwein ist ebenso gesund wie eine Stunde Fitnesscenter. Die Todesrate der in den USA in Pools Ertrunkenen steigt und fällt mit der Anzahl der Filme, die Nicolas Cage dreht. Ein Hoch der Statistik. So hoch, dass wir sogar einen Tag dafür haben: den 20. Oktober – am Freitag ist Weltstatistiktag, juhuu! Ach ja, und Wacker spielt gegen Ried.

 

Vorwärts Vorurteil!

Mit Statistik kann ich etwa alles beweisen, was mir zu Gesicht steht. Etwa meine Vorurteile. Haben Sie sich schon einmal über den langsamen Kellner in der mit Deutschen und Österreichern überfüllten Pizzeria an der oberen Adria geärgert? Tja, kein Wunder, Italiener schlafen im Jahr durchschnittlich 3030 Stunden, arbeiten aber nur 1752. Ha, werden Sie sagen, ich hab‘s gewusst. Und ein Gott sei Dank werden Sie auch noch anschließen, Gott sei Dank ist Daniele Gabriele nur Halbitaliener, die andere Hälfte ein Deutscher, der beim VfB Stuttgart gelernt hat. Und von den Deutschen wissen wir ja – preußische Gründlichkeit, schwäbische Effizienz. Schaffe, schaffe, Häusle baue. In 14 Runden Stand Daniele 14mal in der Startelf, hat fünfmal gar durchgespielt, war 1190 Minuten am Platz. Nur Flo Jamnig, der kernige Tiroler, war öfter am Platz, nämlich immer. Keine Minute hat er verpasst. Ein Tiroler halt. Daniele ist auch der effizienteste Assist-Geber der Mannschaft, niemand legte mehr Tore auf als der Deutsche. Der Italiener kann es ja wohl nicht gewesen sein. Sogar ligaweit ist er mit seiner Leistung in der Spitze der Rangliste zu finden, nur vier Spieler können mehr Torvorlagen vorweisen, einer davon hat ebenfalls einen deutschen Pass. Eh klar, Gründlichkeit und so. Ein weiterer Deutscher hat auch gleich viel, so sind sie halt, die Preußen. Blöd halt, dass eben jene beiden Piefke gemeinsam mit einem der besseren Österreicher alle bei der SV Ried beschäftigt sind. Thomas Mayer, der Oberösterreicher, der beim VfB in Stuttgart gelernt hat und Salzburg gehört – und sind wir uns ehrlich, so österreichisch ist Salzburg jetzt nicht, gehören erst seit 1816 zu Rot-Weiß-Rot – Thomas Mayer also hat bereits sechs Torvorlagen. Ebenso viele wie Ilkay Durmus, der Stuttgarter, der beim VfB gelernt hat. Einen Assist weniger hat Julian Wießmeier aufzuweisen, der Nürnberger. Kein Wunder, war ja nie bei Stuttgart. Was beweist und das? Gut, dass Daniele ein Deutscher ist, denn Italiener schlafen 3030 Stunden, arbeiten nur 1752 im Schnitt. Und Deutsche schlafen nur 2830 Stunden. Arbeiten aber auch nur 1393 Stunden. Also 359 Stunden weniger als unsere südlichen Nachbarn. Den Rest der Zeit verbringen sie dann wohl damit, Fußball zu spielen. Oder Handtücher auf Liegen auszubreiten – sind sie ja durch wenig Schlaf früher wach und haben Zeit dafür. Deutscher müsste man sein.

Beweis mir das Gegenteil!

Ried freut sich. Sehr sogar. Denn statistisch geschehen die meisten Unfälle an Dienstagen. Und sie spielen diesmal an einem Freitag. Glück gehabt. Mehr noch, die aktuelle Unfallstatistik des Kuratoriums für Verkehrssicherheit weist das eigene Haus und die nähere Wohnumgebung als den häufigsten Unfallort aus. Und der Innkreis liegt 223 Kilometer weit weg von der Sill. Nach Heim-Unfällen sind Freizeitunfälle am gefährlichsten. Und die Buben der Sportvereingung werden fürs Spielen bezahlt, also nix mit Freizeit. Da können sie einmal durchatmen, die Oberösterreicher. Aber nur so lange, bis sie die aktuelle Heimstatistik des FC Wacker Innsbruck sehen. Seit die Schwarz-Grünen in Mausgrau spielen, haben sie kein Heimspiel mehr verloren, fünf gewonnen und zwei Remis erkämpft. Muss am Trikot liegen, schöne Dinge sind halt manchmal mausgrau, so wie das Tivoli selbst. Blöd halt, dass so nur Statistiken funktionieren, die Puls4 zum morgendlichen Kaffee serviert oder Herr Fellner in Österreich abdruckt. Statistisch signifikant, aber ansonsten totaler Blödsinn. Da kommen dann so Worte wie Korrelation oder Kausalität oder deren Fehlen ins Spiel, alles viel zu kompliziert für eine Morgensendung oder eine Gratis-Zeitung. Also weiter mit Hurra! Gut, Wacker hat seine Heimserie schon vorher angefangen und ist saisonübergreifend seit neun Spielen vor eigenem Publikum unbesiegt, was vielleicht mit einer Änderung der Spielanlage zu Hause und einer Stabilisierung der Abwehr zu tun hat. Aber merken Sie schon, wie sie selbst gähnen wollen bei diesen Erklärungen. Das mit dem Trikot ist schneller erklärt und einleuchtender, bleiben wir dabei. Denn auch wenn das eigene Zuhause eine wahre Todesfalle ist und dort vor allem das Putzen sehr bedrohlich, Innsbruck hält sein Wohnzimmer derzeit penibel sauber. Seit fünf Partien sogar besenrein. In den letzten 505 Minuten musste der wackere Schlussmann im Tivoli kein einziges Mal hinter sich greifen, seit fünfeinhalb Heimspielen gab es keinen Gegentreffer mehr. Diese Statistik soll einmal jemand brechen. Naja, vielleicht Ried, Tabellenführer, mit 13 Toren gefährlichstes Team in der Fremde, seit fünf Spielen ohne Punkteverlust, aber mit einem Torverhältnis von 18:4. Nochmals, in den letzten fünf Spielen. Gesamt hat die Torfabrik aus dem Innviertel bereits 35 Treffer am Konto, mehr Tore als Wacker Innsbruck in der Saison 2014/15 in 36 Partien. Rieder müsste man sein.

Statistiken sind blöd

Statistiken sind einfach blöd. Da kann man so schön Ballbesitz haben und trotzdem verlieren. Oder nur einen Schuss aufs Tor abgeben in 90 Minuten und trotzdem gewinnen. Die bloßen Zahlen sagen nix. Und manchmal gibt es so schöne Parallelitäten, und dann gibt es keinen Zusammenhang. Etwa mit dem Trikot und der Heimstärke. Oder dem Verbrauch von Margarine und der Scheidungsrate in Maine. Beides seit 2000 im Gleichschritt sinkend, eher ohne Zusammenhang. Man könnte es im grauen Tivoli draufankommen lassen und in Weiß antreten. Vielleicht gewinnt man trotzdem. Ansonsten sind halt schöne Dinge wirklich mausgrau.

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Autor: Stefan Weis

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