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Des isch unsa Schnaggler Preis

Allerheiligen kommt. Doch bevor es soweit ist, verkleiden sich so manche Mädels und Jungs, ziehen durch die Straßen, singen, sagen Sprüche, ja beinahe Beschwörungsformeln auf, oder sind stumme Zeugen des Heischebrauchs. Heischen, das heißt, Gaben erbitten, man will ja etwas mitnehmen, wenn man unterwegs ist. Die Heischegruppen unterscheiden sich aber ordentlich. Manche traditionell, seit alten Zeiten überliefert, aber mittlerweile schon fast selten zu sehen. Die anderen mit Zulauf, boomend, ein Ideenimport, der so gar nicht hierher passt, aber doch Fuß gefasst hat und das Alte verdrängt. So, entschuldigung, jetzt hab ich selbst den Faden verloren… Wollt ich von Krapfenschnappern und Halloween schreiben oder von Wacker Innsbruck gegen das Kunstprodukt Liefering…?

 

Tschinn, tschinn, in da Kassa isch nix drin

Tja, das Krapfenschnappen ist ganz schön zurückgedrängt worden. Die kostümierten Buben, etwa mit weißer Pfoad, Fellmaske, Hut und in der Hand eine Holzstange mit Tierkopf und beweglichem Unterkiefer, der ganz schön klappern kann, die Buben sind nur noch in wenigen Dörfern zu sehen. Und selbst dort lassen sie aus falsch verstandener Tradition gerne die neuen Häuser aus oder die, die sie auch früher besucht haben. Falsch verstandene Tradition, die andere ausschließt, führt manchmal dazu, dass diese sich neuen Ideen zuwenden. So absurd diese auch sein mögen. Im Fußball ist es nicht anders, dort folgt man auch gerne neuen Maximen. Etwa, dass Geld alles bestimmt und Erfolg über allem steht. Und da kann es schon sein, dass die Tradition in Abersee, Strobl, Hallwang und Bürmoos kickt und das Neue im Profibereich. Selbst, wenn das Neue degradiert wird zum Spielerlieferanten für das Nagelneue anderswo. Und der Spielerlieferant zum Spielerlieferant des Spielerlieferanten wird. Und bevor sich keiner mehr auskennt, nennen wir es beim Namen: Liefering, der Entwicklungsverein für den österreichischen Dauermeister Salzburg, der nur noch Entwicklungsverein für den deutschen Champions-League-Teilnehmer Leipzig ist. Während anderswo jeder Euro dreimal umgedreht werden muss, man sich kein Stadion leisten kann oder könnte, der Spieltag nur durch enorme unentgeltliche Arbeitskraft von Fans und Freunden gestemmt werden kann, kennt der Konzern das nicht. 60 Millionen betrug in den letzten Jahren das kolportierte Budget des Mittlervereins zwischen Liefering und Leipzig, das sind um 18 Millionen mehr, als die Österreicher jährlich für Halloween ausgeben. Tschinn, Tschinn, in da Kassa isch nix drin, hört man da von Traditionsseite. Aber Geld spielt ja kein Fußball, Fußballer spielen. Fußballer wie Aganovic, Meisl, Sturm, Stumberger, Meister, Kririm, Gölles, Wilfing, Schmidt, Schlager. Kennen Sie nicht? Europa kennt sie aber, denn diese jungen Österreicher haben die UEFA Youth League gewonnen, haben ManCity, PSG, Atletico, Barcelona und Benfica das Fürchten gelehrt. Und stehen nebenbei im Dienste des Vereins, gegen den Wacker Innsbruck am Montag spielen wird.

Liabe Leit, heats unsre Bitt

Aber die jungen Österreicher sind nicht allein, sie haben Gesellschaft. Mwepu aus Sambia, Rodrigo aus Brasilien, Lugonja aus Bosnien, Zynel aus Polen, Dembele aus Frankreich, Atanga aus Ghana, Gorzel aus Deutschland und viele, viele andere. Liefering ist international, wie Halloween. Und manchmal auch zu fürchten, wie Halloween. Aber Furcht kann sich legen. Die ersten drei Begegnungen, damals, vor drei Jahren, die brachten drei handfeste Niederlagen gegen die Jungbullen, 1:8 lautete das Torverhältnis. Fünf Spiele brauchte Innsbruck für den ersten Erfolg im August 2015. Ab dann – liabe Leit, heats unsre Bitt – kam die Wirkung des frommen Spruchs, des Gebets zum Tragen. Oder die des Jack O’Lantern, was weiß man. Sie kennen Jack O’Lantern, ganz sicher. Der ausgehölte, beleuchtete Kürbis, mit furchterregender Fratze versehen, der die bösen Geister abhält. Auch den Geist von Jack Oldfield, der armen Seele. Drunk Jack hatte nämlich so seine Auseinandersetzungen mit dem Teufel, schaffte es aber immer wieder, seine Seele vor ihm zu retten. Mehr noch, er rang ihm das Versprechen ab, ihn in Ewigkeit in Ruhe zu lassen. Blöd nur, dass, als er starb, ihn auch Petrus auf Grund seines Lebenswandels nicht in den Himmel lassen wollte, ihm aber auch die Hölle versperrt blieb. Und so wandert Jack, mit einer glühenden Kohle aus der Hölle in einer ausgehölten Rübe als einziges Licht und Wärmespender, am Vorabend von Allerheiligen durch die Dunkelheit. Und darf nicht nach oben und kann nicht nach unten, heimatlos. Man könnte fast Liefering darin erkennen, ohne Möglichkeit zum Aufstieg und zum Ligaerhalt verdammt, immer in der Zwischenwelt der zweiten Liga. Doch die Kohle glühte in letzter Zeit nicht mehr so stark, oder Wacker hat doch irgendwo, vielleicht unter der Bank, einen kleinen Kürbis deponiert. Denn in den letzten sechs Aufeinandertreffen gab es nur eine Niederlage für Schwarz-Grün, aber vier Siege, die letzten beiden gar zu Null.

Verschlieaßt’s vor uns nit eure Hitt

Mehr noch. Während Wacker zu einer Heimmacht wurde und das Tivoli wieder über mehrere Spiele verteidigen konnte, öffneten die Salzburger nicht nur ihr Herz, sondern auch ihre Pforten. Hereingeströmt kamen aber – verschlieaßt’s vor uns nit eure Hitt – nur eine Tiroler Maskerade, nicht viel mehr. Seit fünf Partien gegen Wacker spielt Liefering im Goldbergstadion, seit fünf Partien konnten sie kein Spiel mehr gewinnen. Ihr letzter Heimsieg gegen Innsbruck fand noch im großen Bullen-Stadion statt, seit man nach Grödig übersiedelt ist, schaut es schlecht aus für die jungen Buben. Seit dem 20. Oktober 2015 gab es überhaupt nur noch Niederlagen gegen die Krapfenschnapper von der Sill. A poa Euro oder a Speis, des isch unsa Schnaggler Preis, das gilt schon lang nicht mehr für die Tiroler. Sie wollten die Punkte, sie holten sie sich auch. Stünde es nicht in der Tabelle, man würde es kaum glauben. Auch deshalb nicht, weil es kaum Zeugen dieser Punktejagden gibt, alle vier Partien zusammen sahen 1569 Einwohner, in etwa so viel, wie Sautens Einwohner hat. Oder Kolsass. Oder Brandenberg. Oder Vils. Nicht gerade umwerfend viel. Das Blöde an Liefering ist aber: man weiß nicht, wen man treffen wird. Fast so, wie bei bei manchen Krapfenschnappern, die nicht verraten dürfen, wer hinter der Maske steckt. 34 Spieler standen diese Saison schon im Kader der Lieferinger, nur Rami Tekir nicht durch einen Kreuzbandriss. 29 wurden auch bereits eingesetzt, wer will nochmal, wer hat noch nicht. Wenn Innsbruck nach Grödig fährt, kann man also nicht auf die letzten Jahre bauen. Alles beginnt von vorne, keiner weiß, ob man was erheischen kann. Oder ob es Süßes gibt oder Saures.

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Autor: Stefan Weis

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