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Lonely boy

Eigentlich muss einem ja das Herz brechen vor lauter Schmerz. Keiner will mit ihnen spielen. Gar keiner. Da laufen die anderen Buben schon frischfröhlich dem Ball nach, machen Playdates aus, ihre Eltern treffen sich und quatschen über die Probleme, die man mit dem Nachwuchs so hat – nur mit Wattens will das niemand. Dann kommt halt das, was unvermeidbar ist: der große Bruder muss raus. Und spielen. Denn dafür sind große Brüder ja da.

 

„I bin hoit gånz alla…

…kana måg mi. I kånn nur waana, und wårt’n auf di.“ Rotz und Wasser könnte man plärrn, wenn man die alte Hadern von Paul Anka hört, vorgetragen von Johann K. Jenem Johann K., der auch in Innsbruck schon irgendwie ein Lonely Boy war, obwohl ihn doch anfangs so viele umschmeichelten. Viel früher, als er noch der Hansi-Burli, der Bub vom Straßenbahner war, der in Wien auf der Pfarrwiese kickte, da spielte der gar nicht so einsame Bub auch mit jenen, die aus den Bergen nach Wien gekommen waren. Denn in Penzing, genauer gesagt in Hütteldorf, da war man nicht so garstig wie drüben, über der Donau, in Floridsdorf. Denn das macht man nicht. Man sagt nicht ein Spieldate ab, macht ein neues aus, und wenn dann der Spielkamerad vor der Tür steht und klingelt, macht man nicht auf. Nicht nett, Floridsdorf. Da ist sie schon gebrochen, die kleine Seele der Wattener. Denn die Wiener waren nicht die ersten, die nichts mit den Kristallbuben zu tun haben wollten. Auch die Falken aus Kapfenberg verweigerten das Spiel, obwohl die Grün-Weißen sogar in ihr eigenes Wohnzimmer eingeladen hatten. Zu kalt, zu viel Schnee, gefroren, eisig – nicht einmal auf eine Ausrede konnte man sich einigen. Nicht so der Hansi, damals, im März vor 47 Jahren. Hansi hat zwar nur einmal gegen die WSG gespielt, aber da gleich richtig. Mit seinen gerade mal 18 Jahren wuselte er zwischen den kernigen Werksportburschen rum. Die Koncilia-Brüder, Rinker, Leutgeb, Kordesch, Gombasch, Skocik, Siber, Hattenberger, Küppers, Kastner, Redl – das waren schon Namen damals. Namen, die einem Straßenbahner-Kind aus Mariahilf völlig wurscht waren. 1:0 endete die Partie damals für die Rapidler, die da schon einen deutschen Hoffmann in ihren Reihen hatten, einen Wembley-Toni, der einen Superbowl-Ring tragen wird, einen Goleador und viele mehr. Und aus den Wattener Buben wurden Innsbrucker, und mit denen wollte jeder spielen. Auch international. Aber davon kann man derzeit am Inn nur träumen, in Wattens wie in Innsbruck.

„I håb doch ålles,…

…wås ma hå’m kån, doch åll’s wås i håb, mi schaut kana ån.“ Naja, das ist jetzt aber eine ganz schön harte Selbstkritik. Sicherlich, die Zuschauerzahlen sind jetzt nicht so berauschend, und auch nicht so, wie man es sich vorfertn in der Aufstiegseuphorie geträumt und fertn, also letztes Jahr, im Spielrausch erhofft hätte. Ja, es sind nach den ersten 10 Heimspielen bittere minus 23,79%, mit denen man sich im Gernot-Langes-Stadion herumplagen muss, 1182 Zuschauer im Schnitt. Aber man kann sich etwa damit trösten, dass die Floridsdorfer, die Spielverweigerer, gleich ein Minus von 41,57% haben ertragen müssen. Oder, dass der Langzeit-Spitzenreiter aus Wiener Neustadt trotz eines dicken Plus und eines Erfolgslaufs dennoch um 130 Besucher weniger pro Spieltag hat. Von Liefering, Kapfenberg und FAC sprechen wir hier besser nicht in absoluten Zahlen, denn diese sind gar nur dreistellig. So alleine ist man also gar nicht, und wenn der große Bruder kommt, dann bringt der auch immer ein paar Freunde mit. Im August waren es dadurch dann 3450 Zuschauer, gar nicht so schlecht. Also jetzt nicht das Tivoli, auf welches sich im Oktober dann doch 6322 Neugierige verirrten, aber für einen lonely boy dann doch recht viele Gäste. Und die bekamen auch etwas zu sehen. Wattens hat etwa 17 Tore in den ersten 10 Heimspielen erzielt, ihr bester Zweitliga-Wert seit der Herbstsaison 1996/97, also zu einer Zeit, zu der Spinn, Pittl, Wessiak, Friedeler, Kofler, Kuen, Beccari, Schnegg, Toure, die Schneebauers, M’Pinda, Strickner, Gugganig und Pellizzari noch nicht geboren waren. Klingt beeindruckend, wie groß die junge Riege ist, gleich 15 Mann. Blöd halt, dass drei davon nur Leihgaben aus Turin sind ohne Nachhaltigkeit. Sechs davon standen heuer noch gar nicht im Kader, drei zwar im Kader, hatten aber noch gar kein Match gespielt. Die Schneebauers kommen zusammen auf drei Spiele, Strickner hat vier zu Buche stehen, die Juventus-Kicker weisen zusammen 21 auf, und der Kärntner Gugganig, der aus der Klagenfurter Akademie und der RB-Schmiede Liefering kommt, war 18mal am Feld zu sehen. In Wattens setzt man auf Erfahrung. Kein Wunder, die Fraktion 21 und jünger kann auch nur ein einsames Liga-Tor vorweisen, M’Pinda traf beim 5:1-Heimerfolg gegen Floridsdorf. Das war, nebenbei, auch der höchste Sieg der Saison, einer von nur drei Heimsiegen. Dem stehen sechs bittere Niederlagen gegenüber, zuletzt drei in Folge gegen die Topgruppe Wr. Neustadt, Ried und Hartberg.

„Irgendwie, irgendwo, irgendwem…

…muaß doch a für mi geb’n, a bisserl a Liebe braucht jeder zum Leb’n.“ Ja, Liebe kriegen sie genug aus Innsbruck, da brauchen sich die Kristallbuam keine Sorgen machen. Die Medien lieben sie ob ihres Lächelns und ihres Charmes (also das Lächeln und den Charme der Präsidentin), die älteren und geschichtsverständigen ob der gemeinsamen Vergangenheit in den 70ern und den 20ern und nicht zuletzt ob ihres Papas und dessen aufopfernden Engagements (also ihres Papas). Und die Spieler lieben Wattens auf Grund der letzten Spiele. Die letzten drei Partien gegen die WSG konnten die wackeren Burschen gewinnen, ebenso, wie man die letzten drei Auswärtsspiele gewinnen konnte. Und wenn man jetzt sagt, dass das Alpenstadion ja eigentlich gar nicht auswärts ist, weil man ja sogar da hinradeln kann – daheim ist man ja heuer ungeschlagen, man darf Wattens auch als Zuhause betrachten. Was aber die allerschönste Wiederholung der Geschichte ist: Wacker hat, nach langen, langen Wochen des Kämpfens und Anschluss-Findens endlich in Runde 22 die Tabellenspitze übernommen. So wie St. Pölten vor zwei Jahren, als Wacker nach einem überraschend starken Herbst im Winter schon etwas schwächelte und sich dann mit dem dritten Platz begnügen musste. Trainer damals bei den Niederösterreichern: Karl Daxbacher. Und der SKN, der nicht wusste, wie ihm geschah, stieg am Ende der Saison in die Bundesliga auf. Passiert das wieder, darf der kleine Bruder natürlich mitfeiern. Denn wozu hat man denn große Brüder…!

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Autor: Stefan Weis

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