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Interview mit Masaki Morass – Teil 2

Im zweiten Teil des Interviews mit Masaki Morass spricht der Sportliche Leiter und Cheftrainer der Wacker-Damen über die ersten Transferperioden unter seiner Ägide, das Ost-West-Gefälle im österreichischen Frauenfußball und warum er jedem Trainer empfiehlt auch im Frauenfußball tätig zu werden.

Wie bewertest Du die Transferperiode im letzten Sommer?

Im Verhältnis zur damaligen Kadergröße haben wir sehr viele neue Spielerinnen bekommen, wovon größtenteils junge Spielerinnen zwischen 14 und 15 Jahren waren, die bis dato noch nie im Erwachsenenbereich Fußball gespielt hatten. Mittlerweile haben sich alle gut integriert, und dafür muß man einfach alle Spielerinnen wirklich loben. Es ist ja nicht alltäglich, dass so viele Neuzugänge in einer Transferperiode verpflichtet werden.

Und dann noch ein neues Trainer- und Betreuerteam, neue Organisation, neue Trainingsinhalte und Abläufe, Spielanlage mit anderen inhaltlichen Schwerpunkten… Dass das alles ja nicht auf Anhieb reibungslos funktionieren kann, ist ja selbstredend. Daher ein ganz großes Lob an alle, die bei den Wacker-Damen involviert sind, die haben sich den Respekt wirklich verdient.

Wie wird der Kader im Frühjahr aussehen, hat es personelle Veränderungen in der Winterpause gegeben?

Erst einmal sollten wir nicht vergessen, daß Anna Luftensteiner im Oktober ihre sportliche Karriere beendet hat, was wir sehr bedauert haben. Umso schöner fand ich es für Lufti, daß sie im letzen Spiel für die Wacker-Damen zwei Tore geschossen und ein positives Ende gefunden hat. Es war aber somit klar, daß wir als Team eine wichtige Option im Sturm verloren haben. Sie war ja mit ihren Stärken im Sturmzentrum einzigartig.

Außerdem spielt Giuana Prugger, die in der Vergangenheit auch für Bayern München und CF Südtirol gespielt hat, mittlerweile für SSV Brixen. Sie war sportlich und charakterlich eine starke Spielerin. Daher ist es natürlich schade, dass sie auch aufgrund ihres Auslandsstudiums kaum in Innsbruck sein konnte.

Dass unsere Defensivspezialistin Lisa Appel aufgrund eines Studienaufenthalts im Ausland im Frühjahr nicht zur Verfügung stehen wird, tut uns natürlich extrem weh. Auch wenn sie weiterhin bei uns angemeldet sein wird, wird sie uns sportlich und vor allem menschlich sehr fehlen.

Hinzu kommt, daß Torfrau Emily Riemer zum 1.FFC Frankfurt gewechselt ist. Dieser Wechsel kam sehr kurzfristig zustande, und wir bedauern es sehr, weil sie – genauso wie Lisa Appel – ein wichtiges Mitglied unserer Wacker-Familie gewesen ist. Aber auch hier bin ich mir sicher, daß der Kontakt weiterhin bestehen bleiben wird, und wünsche ihr sowohl beim 1.FFC als auch bei den DFB-Auswahlmannschaften alles Gute.

Weiters verließen uns Miriam Zeitlhofer und Tamara Kirchner. Somit haben wir de facto sechs Abgänge in der Winterpause gehabt.

Neu dazugekommen sind Shiho Tomari von AC Nagano Parceiro Ladies und Marin Fujisawa von AS Harima Albion. Außerdem ist Johanna Scheiber, die im letzten halben Jahr für den SV Eibiswald im Einsatz war, wieder zurück bei uns. Sie ist auch menschlich ein großer Gewinn und wird in Zukunft vermehrt als Physiotherapeutin unserer Wacker-Damen tätig sein.

Parallel haben wir die Transferperiode im Sommer 2018 im Blick und führen bereits einige Vorgespräche.

Einige Funktionäre anderer Tiroler Vereine sollen sich darüber beschwert haben, daß die Wacker-Damen die besten Spielerinnen nur zusammenholen, aber selber nichts für die Ausbildung machen.

Diese Beschwerde habe ich direkt noch nie zu Ohren bekommen, aber falls es diese Beschwerden wirklich geben sollte, kann ich nur alle dazu einladen, direkt mit uns zu sprechen und sich mit dieser Thematik differenziert auseinanderzusetzen, v.a. im Sinne der Weiterentwicklung und Karriereplanung der betreffenden Spielerinnen.

Inwiefern?

Seit ich hier tätig bin, also seit Sommer 2017, verstehen wir uns als Aus- und Fortbildungsverein, der eine Anlaufstelle aller Tiroler Spielerinnen für den höherklassigen Leistungsfußball in Tirol darstellt. Aufgrund der Arbeitsintensität – zwar im österreichischen Vergleich sehr begrenzten, jedoch im Tiroler Vergleich ordentlichen Möglichkeiten – stellen die Wacker-Damen die Spitze des Tiroler Frauenfußballs dar, die aber österreichweit gesehen auch nur ein Teil der Basis ist. Die Pyramide geht ja dann weiter, Österreichs Spitze ist letztendlich auch ein Teil des großen Fundaments, der den europaweiten Spitzenfußball darstellt.

Eine Leistungspyramide im Fußball, die bei den Männern auch nicht anders ist.

Genauso ist es. Diese Leistungspyramide kann man genauso in die andere Richtung weiterschildern. Welcher Verein stellt die Spitze im Zillertal dar? Welcher Verein ist der beste im Bezirk Imst für die Spielerinnen?

Bekanntlich gibt es ohne Basis keine Spitze, aber ohne Spitze fehlt der Basis eine wichtige Orientierung vorallem hinsichtlich des regionalen Leistungsfußballs. Oder wohin sollen die besten Tiroler Talente gehen, wenn sie Leistungsfußball spielen wollen, aber nicht im NZFBB sind? Alle nach Bayern oder Südtirol?

Wir bilden die Spielerinnen genauso aus und fort, vor allem wenn die Spielerinnen nicht mehr bei den Burschen spielen, das heisst zumeist ab U15 bzw. U16. Und für diesen Bereich gibt es in Tirol kaum eine intensivere Entwicklungsmöglichkeit als bei den Wacker-Damen. Ich gebe da ein klares Statement ab, die Aufbauarbeit bei den Wacker-Damen, die wir aktuell leisten, ist im Sinne der Weiterentwicklung des Tiroler Frauenfußballs.

Gibt es Spielerinnen bei anderen Tiroler Vereinen, die bei den Wacker-Damen auch als Leistungsträgerinnen spielen könnten?

In der Tiroler Liga zum Beispiel habe ich bei mehreren Vereinen wie Haiming, SPG Schwoich/Wildschönau, SPG Matrei/Neustift etc. viele leistungsstarke Spielerinnen gesehen, die sich auch auf der Bühne Bundesliga durchsetzen könnten, wenn sie sich unserer internen Wettbewerbssituation stellen würden. Die Potentiale zum Entwickeln wären da. Die Frage ist, ob diese Spielerinnen weiterhin de facto ohne Konkurrenzdruck trainieren und in der Tiroler Liga spielen wollen, oder den Wunsch in sich haben, auch mal 2.Liga bzw. Bundesliga spielen zu wollen.

Wie sieht es in den östlichen Bundesländern aus? Man hört immer wieder, daß es dort bessere Strukturen und auch mehr Spielerinnen gibt…

Ja, es gibt in der Tat wesentlich mehr aktive Spielerinnen, dadurch ist auch die Wettbewerbssituation dort größtenteils intensiver. Nicht ohne Grund kommt der Großteil der Nationalspielerinnen aus den östlichen und südlichen Bundesländern. Es muß aber dort nicht unbedingt immer optimale Strukturen bzw. besseres Umfeld für die Spielerinnen geben. Zumindest arbeiten wir aktuell – natürlich im Rahmen unserer Möglichkeiten – daran, daß die Wacker-Damen sobald wie möglich in puncto Organisation, Struktur und Umfeld zu den Top 5 in Österreich gehören.

Es gibt mit SKN St.Pölten, FK Austria Wien – USC Landhaus, SK Sturm Graz Damenteams, die den Wacker-Damen budgetär weit überlegen sind und dementsprechend arbeiten und Transfers tätigen können. Wie sieht es bei anderen Vereinen aus, wie professionell wird dort gearbeitet?

Ich war im Dezember auf der Trainertagung des ÖFB, zu der alle Trainer der 1. und der 2. Liga und der Auswahlmannschaften eingeladen waren. Und da habe ich aus erster Hand erfahren, dass die meisten Teams in der Bundesliga und der 2.Liga Ost/Süd nicht nur 4x-5x die Woche Mannschaftstraining haben, sondern dass die Spielerinnen auch Hausaufgaben in puncto Stabilisation und Beweglichkeit – auch während der Saison – bekommen. Während der Vorbereitungsphase trainieren einige auch 2x am Tag, zumeist an den Wochenenden, da ja viele Spielerinnen noch in die Schule gehen oder arbeiten.

Ob professionell oder nicht, das ist Definitionssache, bekanntlich gibt es ja kaum eine wirkliche „Profispielerin“ in Österreich. Und ich habe ja doch mehrere Jahre im wirklichen Profifußball arbeiten dürfen. Ich würde es eher als „leistungsfußballgerecht“ bzw. „ligagerecht“ bezeichnen.

Und organisatorisch?

Das kann und will ich nicht bewerten, da ich die internen Prozesse bei den jeweiligen Vereinen nicht kenne. Ich finde es auch nicht wahnsinnig lustig, wenn jemand mit einem Halbwissen oder gar keinem Wissen unsere Prozesse bewertet. Interessant finde ich aber die Entwicklung, daß mehrere Teams dort einen eigenen „Mobilitätspartner“ haben, der zwar keinen fixen Sponsorbetrag zahlt, aber die kompletten Auswärtsfahrten organisiert und übernimmt. Und dass die Auswärtsfahrten, vor allem für uns im Westen, prozentual gesehen einen sehr hohen Betrag darstellen, weiß ich zur Genüge.

Wie groß ist das Ost-West-Gefälle im österreichischen Frauenfußball?

Natürlich ist dies schwierig zu beziffern, aber dieses Gefälle ist sicherlich da, so realistisch muss man sein. Meiner Meinung nach müssen alle Vereine, die in Tirol, Vorarlberg und Salzburg Leistungsfußball bieten, nicht nur sportlich, sondern auch organisatorisch und finanziell progressiv wachsen, damit die Diskrepanz zu den ostösterreichischen Vereinen nicht noch größer wird. Wenn man sich mit der aktuellen Situation im österreichischen Frauenfußball befasst, wird man diese Gefahr für Westvereine erkennen. Gerade daher halte ich es für essentiell wichtig, daß alle Stakeholder zusammenarbeiten und progressiv arbeiten. Im Sinne aller Spielerinnen, die hier eben Leistungsfußball spielen wollen und können, und mittel- bis langfristig gesehen auch im Sinne der österreichischen Nationalteams.

Wie hast Du eigentlich die Entscheidung getroffen, die Wacker-Damen zu übernehmen?

Nach meiner Zeit beim SV Horn und bei den VdF-Trainingscamps (österreichische Fußballergewerkschaft) hatte ich einige Gespräche u.a. mit Vereinen aus Ostösterreich, die aktuell in der Sky-Go-Liga spielen. Die Koffer von meiner Frau und mir waren daher schon de facto gepackt für einen Umzug Richtung Osten. Unsere damalige Innsbrucker Wohnung war auch bereits gekündigt. Aber nach mehreren Gesprächen mit Ali Hörtnagl (General Manager) und Gerhard Stocker (Präsident) habe ich mich dazu entschieden, doch in Innsbruck zu bleiben, um die nächste Herausforderung hier bei den Wacker-Damen anzunehmen. Das war eine bewusste Entscheidung für den FC Wacker Innsbruck und die Wacker-Damen, und keinesfalls eine Entscheidung gegen andere Sky-Go-Ligisten.

Wie war der Schritt vom professionellen Männerfußball zum Frauenfußball für Dich als Trainer?

Mein Vorteil war, dass ich ja bereits von 1997 bis 2000 als Trainer im Frauenfußball tätig war. Frauenfußball ist für mich kein neues Metier, und ich habe stets das Geschehen im Frauenfußball beobachtet, vielleicht auch einen Tick mehr als meine Trainerkollegen im Profibereich, die de facto ausschließlich Männerfußball im Blick haben. Für mich war der Schritt vom Profibetrieb zum Leistungsfußball im Amateurbereich größer als der Schritt vom Männer- zum Frauenfußball.

Gibt es da wirklich große Unterschiede zwischen dem Männer- und dem Frauenfußball? Es heißt ja immer wieder, die Spieler in einem Männerteam seien robuster im Umgang und Spielerinnen sollen prinzipiell sensibler sein…

Da werde ich jetzt nicht ins Detail gehen, aber meiner Meinung nach haben sich die Denk- und Verhaltensweisen der heutigen Spielergeneration, also Männer, so entwickelt, dass es nicht den ganz großen Unterschied gibt, den man sich vielleicht von außen vorstellt. Ich habe auch mit vielen jungen österreichischen Profis gearbeitet, die zum Teil auch Nationalspieler waren bzw. noch sind… und auch sie konnten viel Fürsorge und Zuspruch gebrauchen. Ich sage Dir, die Männer können durchaus sehr sensibel sein.

Das heißt, jeder Trainer, der eine gewisse Sensibilität im Umgang mitbringt, kann jederzeit auch im Frauenfußball arbeiten?

So pauschal kann man es nicht sagen. Aber grundsätzlich kann ich jedem männlichen Trainer, der wirklich höherklassig trainieren möchte, nur raten, mindestens eine Saison lang auch im Frauenfußball tätig zu werden. Von dieser Erfahrung und von diesem Austausch mit den Spielerinnen wird man sehr profitieren.

Nur machen sich viele Trainer Sorgen, daß sie dann karrieremäßig quasi ewig im Frauenfußball „stecken“ bleiben und nie wieder ein Angebot bekommen, eine höherklassige Männermannschaft zu trainieren.

Diese Sorge scheint auch zumindest hier in Mitteleuropa berechtigt zu sein. In Schweden, Norwegen, Japan oder den Vereingten Staaten kommt es immer wieder vor, dass ein Trainer je nach Angebot zwischen dem Männer- und dem Frauenfußball switcht, nicht nur auf der Vereins-, sondern auch auf der Verbandsebene. Vielleicht wird dies in einigen Jahren auch im deutschsprachigen Raum vermehrt der Fall sein.

Es soll aber große finanzielle Unterschiede geben…

Wenn man diesen finanziellen Aspekt, also zumeist Aufwandsentschädigung, in Betracht zieht, kann es durchaus sein, daß dieser Punkt einige Trainer daran hindert, sich im Frauenfußball zu engagieren. Ich weiß zum Beispiel aus Niederösterreich, dass dort ein Trainer in der 8. Liga bei den Männern durchaus höhere Aufwandsentschädigungen bekommen kann als ein Trainer in der 2.Liga im Frauenfußball. Das ist nicht gerecht und auch respektlos, aber so ist die Situation, auch aufgrund des finanziellen Backgrounds und des Umfeldes.

Und eine Trainerin, die Männerteams trainiert? Ist dies vorstellbar?

In Frankreich, in Italien oder in Spanien hat es schon einige Beispiele in den unteren Ligen gegeben. Warum auch nicht bei uns? Interessant ist die Karriere einer Trainerin, die unter Fatih Terim im Trainerteam von Galatasaray war und u.a. für die Gegnerbeobachtung zuständig hat. Oder eine spanische Trainerin, die aktuell für die Frankfurter Eintracht das Scouting in spanischsprechenden Ländern übernommen hat.
Es ist vorstellbar, daß in den nächsten Jahren in Österreich auch auf diese Art und Weise, die ersten Trainerinnen im männlichen Profibetrieb integriert werden. Einige Kandidatinnen hierfür hätten wir sicherlich auch bei unseren Wacker-Damen.

Zum Schluss noch eine Frage zum Frühjahrsauftakt am Sonntag. Das Spiel gegen Wals musste verschoben werden, nun gastiert man im ersten Pflichtspiel 2018 bei FC Bergheim 1b, dem vermeintlich schwierigsten Gegner der Liga. Wie hat man sich auf diesen Ligastart eingestellt?

FC Bergheim 1b ist immer für eine Überraschung gut, da man nie genau weiss, wieviele Spielerinnen von der Bundesligamannschaft gegen uns dabei sein werden.
Inhaltlich spannend war jedenfalls unser Testspiel gegen die Bundesligamannschaft des FC Bergheim Anfang März, aus dem wir einige wichtige Erkenntnisse gewinnen konnten. Vielleicht können wir daher auch einige neue Impulse in das Spiel gegen die 1b-Mannschaft einfliessen lassen.
Beim letzten Aufeinandertreffen haben wir remisiert, das war das sehr spannende Spiel mit einem Torschussverhaeltnis von 25:4 für uns. Sarah Schwaninger hat in der dramatischen Schlussphase mit unserem letzten Angriff das Tor getroffen.
Natürlich wollen wir gut in die Rükrunde starten, aber aufgrund der aktuellen Grippewelle werden wir Stand heute noch gar nicht sagen können, wie unser Kader am Wochenende aussehen wird. Wichtig wird sein den notwendigen Respekt vor unserem Gegner und unsere Bodenständigkeit weiterhin beizubehalten.

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Autor: Christian Hummer

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