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Flieg nicht zu hoch, mein kleiner Freund

Ha…!Man ist gerührt. Zutiefst gerührt, ja, den Tränen nahe. Sieben Siege im Frühjahr, seit elf Spielen ungeschlagen, Tabellenführung. Wohin man blickt, gerötete Augen, triefende Nasen, die Taschentücher werden herumgereicht am Tivoli. Mehr noch, in ganz Tirol das gleiche Bild. …tschi! Ah, Pollensaison, das wars, das ganz Tirol beschäftigt. Die klitzekleinen Mistdinger, kaum wahrnehmbar, niemand denkt das Jahr über an sie, und doch werden gestandene Männer zu weinerlichen Waschlappen, wenn sie unverhofft zuschlagen. Und am Freitag spielt Wacker Innsbruck gegen Blau-Weiß Linz. Weiß nicht, wie ich grad da drauf komm.

 

 

Ab in die Luft

Pollen unterscheiden sich voneinander. Und wie. Denn die Art, wie sie sich präsentieren und welche Eigenschaften sie haben, sind überlebensnotwendig. So können die Pollen der Kiefer schwimmen. Und Nadelbäume statten ihre Pollen mit zwei Luftkammern aus, die sie lange in der Luft halten. Würde sich Blau-Weiß auch wünschen. Denn derzeit sind die Oberösterreicher nur selten an der Wasseroberfläche, um nach Luft zu schnappen – von Höhenflug gar keine Spur. Die beste Platzierung in dieser Saison war Rang 5. Den nahm man genau eine Runde lang ein, nämlich im ersten Spiel nach dem 1:1 gegen Innsbruck. Ab diesem Zeitpunkt lag der Bestäubungsradius in der unteren Hälfte der Tabelle. Bereits in Runde 2 lag man auf Rang neun, und nach einem kurzen Zwischenhoch hieß es ab Ende September nur noch Kampf gegen die rote Laterne. Das Tiroler Doppel im November ließ Blau-Weiß gar auf dem letzten Tabellenplatz überwintern, seither hat man sich mit drei Siegen und einem Remis wieder etwas Luft verschafft. Die Talfahrt hat bei Linz Spuren hinterlassen, im vierten Aufeinandertreffen mit Wacker wird der dritte Trainer präsentiert, jeder von ihnen muss sich an Klaus Schmidt messen. Günther Gorenzel-Simonitsch durfte die ersten zwei Partien gegen die Schwarz-Grünen coachen, ein Punkt und ein Torverhältnis von 1:4 brachte ihm keine Ehre, ein Punkteschnitt von 0,88 ebenso wenig. Sportdirektor David Wimleiter, selbst ehemaliger LASK- und Blau-Weiß-Spieler übernahm selbst für fünf Spiele, verlor gegen Wacker 1:2, erzielte einen Punkteschnitt von 0,2 und führte Linz auf den letzten Tabellenplatz. Kein Wunder also, dass der Sportdirektor Wimleiter den Trainer Wimleiter feuerte und mit Thomas Sageder den sechsten Trainer in den letzten zwei Jahren installierte. 1,43 Punkte im Schnitt sind mehr als akzeptabel, unter den siebzehn bisher aktiven Trainern der Liga ist dies Rang 8, unter den aktuellen Rang sieben. Damit könnte auch Linz gut leben.

Aber nicht zu hoch

Pollen fliegen hoch. Und weit. Mache überqueren bis zu 70 km breite Meerengen, andere finden sich 2000 Meter über dem Grund wieder, um mit dem Wind Auswärtsfahrten zu machen. Nicht Wattens-Innsbruck oder mal Wien-Wiener Neustadt. In Dresden wurden etwa Ambrosia-Pollen nachgewiesen, die aus Ungarn stammten – von Orban zu Pegida, selbst die Pflanzen erkennen die Zusammenhänge. Wenn Linz also die 311 Kilometer aufs Tivoli fährt, dann ist das eigentlich ein Klacks. Unterschätzen sollte man die Linzer aber nicht, denn auch wenn sie in der Auswärtstabelle 17 Punkte hinter Wacker auf dem vorletzten Platz liegen und bislang nur in Kapfenberg gewinnen und bei den Tabellennachbarn Lustenau, Wattens und FAC jeweils einmal punkten konnten, Blau-Weiß unter Sageder ist nicht mehr dieselbe Truppe. Eher ein vom Wind nach oben gewirbeltes Pollenkörnchen. 10 Tore in den letzten sieben Spielen ist deutlich über dem bisherigen Schnitt. Noch mehr, 9 Gegentreffer in sieben Partien bedeutet eine unglaubliche Steigerung, kassierte man doch bislang 1,9 Tore alle 90 Minuten. Kein Wunder also, dass man in der Jahrestabelle 2018 auf Rang fünf liegt, nur drei Punkte hinter dem Tabellenzweiten Hartberg. Gegen eben jene Steirer hielt man 70 Minuten lang die Partie offen und konnte den Rückstand sogar egalisieren, Ried rang man ein 2:2 ab, zweimal wurde der Rückstand innerhalb von drei Minuten ausgeglichen. Liefering wurde geschlagen ebenso wie die KSV und der FAC, die zwei letzten Niederlagen waren jeweils ein knappes 0:1. Blau-Weiß Linz ist kein kleiner Jausengegner.

Kleiner Freund oder kleiner Feind

Wie klein jemand ist, ist sowieso irrerelevant, würde Krankl sagen. Pollen etwa sind 0,01 bis maximal 0,15 Millimeter groß. Doch wenn sich so eine Polle auf eine Nasenschleimhaut setzt, ein einziges Körnchen der Ambrosia etwa in einem ganzen Kubikmeter Luft, dann freut sich die Pharmaindustrie. Und die Zellulosewerke. Da ist es auch völlig unerheblich, welche Farbe dieses Pollenkörnchen hat. Die Linzer wären Weidenröschen, klein und unscheinbar, mit blauen Pollen. Oder aber Kugeldisteln, ebenfalls mit blauem Auswurf. Aber steigen sie mal barfuß über eine Wiese laufend auf so eine Kugeldistel. Innsbruck ist das das letzte Mal im März 2017 passiert. Zweimal Goiginger und Sinisa Markovic trafen für die Oberösterreicher, Eler für Innsbruck. Keiner der drei Herren ist noch in der Ersten Liga tätig – wohl aber der Assistgeber zum zweiten Linzer Tor, Thomas Hinum. Der lieferte bei dreien der letzten fünf Treffer von Blau-Weiß gegen Innsbruck die Vorarbeit ab, auch in dieser Saison hat er schon drei Tore und vier Assists zu Buche stehen. Hinum dürfte aber der einzige Vereinsschreck sein, kein anderer Linzer Spieler hat in der Ersten Liga öfter als einmal gegen Innsbruck getroffen. Andererseits muss auch Wacker sein Blau-Weiß-Schreckgespenst vorgeben, Florian Jamnig mit seinen sechs Treffern ist verletzt. Zweitgefährlichster Mann aus Linzer Sicht ist Stefan Rakowitz – allerdings hat er zwei seiner drei Tore noch im Hartberger Dress erzielt. Nicht ausgeschlossen also, dass ein Pollenkorn das Duell entscheidet. Jemand, der noch gar nicht groß aufgefallen ist. Aber es reicht eben schon ein Körnchen, und man muss… Ha… tschi! Helfgott!

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Autor: Stefan Weis

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