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Lass mich dein Herzblatt sein

„Nun musst du dich entscheiden…“. Wenn Susi aus dem Off ihren Standardsatz hauchte, stieg der Adrenalinspiegel bei so manchem Kandidaten der Verkuppelungsshow im TV. Kein Wunder, nach 20 Minuten verzweifelten Versuchen, sich selbst möglichst ohne Peinlichkeiten zu präsentieren, stand nun die große Entscheidung an. Was steht da hinter der Türe? Volltreffer oder Lachnummer? Für den FC Wacker ist es nicht ganz so schwer, durften die Innsbrucker ja schon dreimal gucken. Man kennt Kapfenberg. Oder… kennt man Kapfenberg?

 

Würdest du eher…?

Für Herzblatt brauchte es eigentlich kein Fernsehstudio. Da reichte eine Ecke am Schulhof oder eine leere Flasche inmitten des Raumes, und schon schoss das Adrenalin durch die Decke. Würdest du eher…? Na, da nehm ich dann doch lieber Pflicht. Denn so leicht kam die Wahrheit nicht über die Lippen, und ganz geschickte Fragesteller ließen dir keine Wahl, gab es ja nur eine Antwort. Würdest du eher gegen eine Mannschaft spielen, die in den letzten fünf Spielen nur einmal verloren hat – oder gegen eine, die in den letzten 12 Partien nur einmal gewonnen hat? Triffst du lieber auf ein Team das in den letzten fünf Spielen dreimal ohne Gegentreffer blieb – oder gegen das, das in den letzten fünf Spielen dreimal kein Tor und gesamt nur zwei geschossen hat? Würdest du lieber gegen die Truppe eines Trainers antreten, der seit über fünf Jahren den schlechtesten Punkteschnitt aller fünf Mannschaftsleiter aufweist – oder gegen den, der in seinen Spielen noch nie gegen dich verloren hat? Egal, wie man antwortet – man bekommt immer Kapfenberg. Die Sportvereinigung ist sich nicht ganz sicher, wie sie sich präsentieren soll. Mit dem Aufstieg hatte man von Anfang an nichts am Hut, mit dem Abstieg allerdings auch nicht. Die Turbulenz um den überraschenden Trainerwechsel nach drei Runden steckte man gut weg, liegt konstant in 26 von 28 Runden zwischen Rang sechs und acht. Und damit durfte man nicht unbedingt rechnen, denn auch finanziell lag man wohl nicht immer in ruhigen Fahrwassern und gab vor der Saison 18 Spieler ab. Nicht irgendwelche, sondern Namen. Dominik Frieser, Rene Seebacher, Joao Victor, Christoph Nicht, Jorge Elias, Stefan Meusburger. Und die gingen auch nicht irgendwo hin, sondern zum Wolfsberger AC, dem LASK, in die griechische und indische höchste Liga, zu direkten Konkurrenten wie Blau-Weiß Linz oder Hartberg – und wenn sie Glück hatten, landeten sie in Innsbruck, wie Stefan Pantic. Gut, jetzt nur beim IAC, aber schön ist‘s trotzdem hier in seiner alten Heimat, in welcher er auch in Wackers Jugend kickte.

Blenden und auffallen

In der Steiermark musste also auf die zweite Reihe zurückgegriffen werden. Das erging Herzblatt nicht anders, bei 463 Sendungen und 926 Paaren kann man nicht immer die Vorgänger toppen. Auch nicht bei den Moderatoren. Ein Reinhard Fendrich ist kein Rudi Carell. Ein Clerici kein Fendrich. Und ein Mazza… ist ein Mazza. Da hieß es dann einfach: auffallen. Und blenden. Wie bei den Kandidaten. Toupierte Haare, überbreite Schulterposter, knallige Farben und der Versuch provokant-lustiger Antworten. Wenn Mädchen sich mit Schmuck von Bijou und dem Makeup der Billigparfümerie rausputzen und Jungs die dümmsten Aktionen starten ist das auch nichts anderes. Kapfenberg hingegen blieb unauffällig. Gut, man zeigt wiederum mit ein paar Namen auf. Man hat einen Haas (aber keinen Mario), einen Kainz (aber keinen Florian), einen Sabitzer (aber keinen Marcel). Aber man hat einen Rapp. Keinen Peter, der alles moderieren kann, sondern einen Stefan. Und der machte aus den vermeintlichen No-Names eine Truppe, die auch Große in der Liga ärgern kann. Nein, vor allem Große. In den letzten fünf Runden spielte man Remis gegen Liefering (1:1), Ried (0:0) und Wiener Neustadt (0:0). Gegen die Oberösterreicher holte man in drei Spielen vier Punkte, gegen die Niederösterreicher blieb man zweimal ungeschlagen. Von neun Gegner konnte man bislang gegen zwei ohne Niederlage bleiben und in jedem Spiel punkten: gegen Schlusslicht Floridsdorf (drei Siege, 8:1). Und gegen den FC Wacker Innsbruck. Da fiel man auf und blendete. Auswärts, in der Festung Tivoli, brachte man den vermeintlich Großen zweimal zum Wanken und holte jeweils ein Remis, daheim, vor eigenem Publikum, gewann die Sportvereinigung mit 2:1, das Tor des Burgenländers Rakowitz kam gegen die Steirer zu spät. Kein anderes Team blieb diese Saison am Tivoli ungeschlagen, keine andere Mannschaft holte mehr Punkte in Innsbruck, kein Verein blieb in dieser Saison gegen Innsbruck ohne Niederlage. Daran muss sich was ändern. Denn die Tiroler sind seit acht Spielen ohne Punkteverlust, der letzte ist schon lange her: 1. Dezember. Da klaute jemand die Schokolade aus dem wackeren Adventkalender – Kapfenberg. Einfach wird es nicht für die Steirer, ist Wacker ja seit 17 Runden ein Defensivbollwerk. Seit September 2017 hat man nie mehr als ein Tor pro Spiel kassiert. Die letzten, denen das gelang… Ach, Teufel. Kapfenberg.

Ich nehme alle drei!

Es braucht also überzeugende Kandidaten, wenn man das Team Stefan Rapps endlich einmal schlagen will. Wenn man die Serie von 2009 überbieten will, als man 9 Runden in Folge zwei oder mehr Treffer erzielte (derzeit acht). Oder gar die Serie von 1981 egalisieren, als man mit 20 Spielen ohne Niederlage en suite den Wiederaufstieg in die Bundesliga anstrebte (derzeit 12, bei acht offenen Runden). Damals musste Kapfenberg in zwei Spielen zweimal bluten. Wesly Schenk, Gerhard Forstinger, Werner Zanon (2), Günther Golautschnig (2) und Manfred Braschler (2) schenkten insgesamt achtmal ein. Das waren Kandidaten, da können sich der ehemalige Sportclub-Kicker Volker Piesczek oder der HSV-Trainer Michael Oenning eine Scheibe abschneiden. Als Fußballer und als Kandidat – waren ja beide auch bei Herzblatt. Wenn sich Wacker aber am Freitag entscheidet, dann bitte gegen alle Regeln von Herzblatt: nicht einen auswählen – alle drei Punkte nehmen!

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Autor: Stefan Weis

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