Inns wurscht
Damit hat keiner gerechnet. Ein Gewinner, den man eher im harten Kampf um die Plätze vermutet hätte. Der sich erst intern hat zurechtkämpfen müssen, um überhaupt gegen andere antreten zu dürfen. Aber was für ein Frühjahr. Kaum einer hätte ihm das zugetraut, dem FC Wacker Innsbruck. Grün und Schwarz sind wieder Trendfarben im Land. Und in der Stadt. Der Willi müsst ja eigentlich ein Wacker-Mitglied sein, sein Weg in die Stichwahl und der des FCW an die Tabellenspitze, sie sind sich recht ähnlich. Ähnlich überraschend und sensationell. Und ähnlich ernüchternd, was das Interesse der Bevölkerung angeht. Von wegen Innsbruck. Inns wurscht.
Sowas von wurscht
Stell dir vor es spielt Wacker, und keiner geht hin. Erzählst das einem aus den 1970ern, sie lachen dich aus. Oder schütteln verwirrt den Kopf. Unser Wacker ohne Leut? Was machen die denn dann am Samstag Nachmittag? Und da ist schon eines der Probleme – man spielt nicht Samstag, 15:30, sondern Freitag Abend. Oder Dienstag. Da geht sich der Weg ins Stadion für viele einfach nicht aus. Und: die Tiroler sind erfolgsverwöhnt. Nein, eigentlich fast alle Österreicher. Salzburg, Serienmeister, Seriencupsieger, international erfolgreich, spielte gegen die Römer vor vollem Haus. Und dann, gegen Altach in der Meisterschaft, vor 6.148 Zuschauern. Auslastung 19,28 %. Und das ist ziemlich der Schnitt beim Dominator des Sports. In Innsbruck ist man ähnliches gewohnt. Da gehen schon mal auch nur 50,38 % zur Wahl, trotz eines Angebots von neun Listen, die eigentlich jedes Interesse halbwegs abdecken sollten. Niedrigste Wahlbeteiligung seit den ersten demokratischen Wahlen nach dem Krieg. Da wusste man das Produkt noch zu schätzen, 93,5 % fanden den Weg zur Urne. Zu Wackers Spitzenzeiten Anfang der 70er waren es 89,9 %, bei den Meistertiteln als Werksklub 77,8 %, beim Titel 2000 59,1 %. Demokratie – inns wurscht. Und Fußball? Der zieht eben nur, wenn es was besonderes gibt. Ein Kampf um den Meistertitel, die Rückkehr in die obere Liga oder einen Überlebenskampf bei freiem Eintritt. Aber auch nicht eine Saison lang, sondern maximal eine Hand voll Spiele, oder gar nur eines. Von wegen – „damals, als guter Fußball gespielt wurde, da war ich im Stadion“. Als Innsbruck 1998/99 um die Teilnahme am Europacup kämpfte, ein Jahr vor dem Meistertitel, da fanden gegen Steyr, gegen den LASK, gegen Ried nur 2.000-2.500 Hartgesottene den Weg ins Stadion, das Westderby gegen die violetten Nachbarn wurde vor einem Restbestand von 1.200 Unbeugsamen abgehalten, und selbst gegen Rapid wollten nur 5.500 den Herren Cherchessow, Kirchler, Anfang, Jezek oder Gilewicz auf die Beine schaun. 4.011 im Schnitt. Niemand da von denen, die nur wieder aufs Tivoli kommen wollen, wenn guter Fußball wie damals gespielt wird. Darum muss sich Innsbruck gerade mit 2.937 schwarz-grünen Seelen begnügen, einer Stadionauslastung von 18,35 %. Eigentlich Meisterlich, wenn man nach Salzburg blickt.
Auch denen wurscht
Aber Salzburg ist weit weg, zunächst steht Hartberg auf dem Programm. Geht man nach dem Namen, sollte es ja keine Probleme geben. Wäre da nicht die heurige Saison, wäre da nicht Christian Ilzer, der irgendetwas richtig machen muss in der Steiermark. Als er die Hartberger 2015 leitete, holte er in 16 Spielen in der Regionalliga Mitte 38 Punkte, musste nur zwei Niederlagen hinnehmen und übergab im Winter als Tabellenführer, bevor er sich als Co-Trainer nach Wolfsberg verabschiedete. Meister wurde dann Blau-Weiß Linz, 10 Punkte vor Hartberg, das in den Spielen ohne Ilzer von 2,38 auf 1,57 Punkteschnitt abfiel. Und so dauerte es für die Blau-Weißen aus der Steiermark noch ein Jahr, bis man den Aufstieg bejubeln durfte. Und die Rückkehr ihres Trainers aus Kärnten, der in seiner alten Heimat gleich wieder zu zaubern anfing. Der TSV liegt auf Aufstiegskurs in die Bundesliga und bricht dabei einen persönlichen Rekord nach dem anderen. Sechs Spiele in Folge hat man derzeit gewonnen, erstmals in der Ersten Liga. 17 Tore dabei erzielt und seit 5 Spielen ohne Gegentreffer, erstmals in der Ersten Liga. 11mal hat man bereits den Kasten reingehalten in dieser Saison, erstmals so oft in der Ersten Liga. Auch offensiv hat man was zu bieten, 26 Tore nach Standardsituationen, 15 davon nach Eckbällen, so viel wie kein anderes Team der Liga. Und insgesamt 51 Tore in der Meisterschaft. Auch das – erstmals in der Ersten Liga. Und die ist noch nicht vorbei, die geht noch ein paar Partien lang. Hartberg hat sich nach derzeitigem Stand sportlich den Aufstieg verdient. Aber abseits davon… Eine Rekordsaison, und 1.121 Steirer verirren sich ins Stadion. Das Stadion, das nach derzeitigem Stand nicht bundesligareif wäre. Selbst für dieses, nicht taugliche Stadion, ist die Auslastung von 24,91% deutlich zu wenig. Auch denen – wurscht.
Um die Wurscht
Hartberg kämpft an mehreren Fronten, um dem Problem Nichtlizenzierung entgegenzuwirken. Präsidentin und Hauptsponsorin Brigitte Annerl, die Eigentümerin von Lenus Pharma, sucht Sponsoren und machte Lobbying bei der Gemeinde. Zweiteres hat sich schon einmal bezahlt gemacht, der Gemeinderat beschloss einstimmig, dass für die Erneuerung des Stadionrasens und Adaptierungen wie etwa Flutlicht insgesamt € 730.000 zur Verfügung gestellt werden. Bei Lizenzerteilung würde das Stadion auch temporäre Tribünen hinter den Toren erhalten. Temporär deshalb, weil die Gemeinde dem Verein das Baurecht erteilt hat, um die „Hartberg-Arena“ auf die erforderlichen 5000 Plätze aufzustocken. Dieses 5,5 Millionen Euro schwere Baulos soll durch eine GesmbH erfolgen, die der Verein selbst trägt. Da müssen noch viele kleine Schwimmer aktiv werden, um die Profertil-Arena – benannt nach dem bekanntesten Produkt des Weltmarktführers in der Behandlung männlicher Unfruchtbarkeit, der Lenus Pharma – zu finanzieren. Und dann braucht es noch die Schwimmer, die die zukünftigen Zuschauer werden sollen. Aber bevor es so weit ist, geht’s gegen Wacker Innsbruck um die Wurscht.