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Maske, bitte!

Die Wikinger kommen! Panik bricht aus, Häuser beginnen wie aus dem Nichts zu brennen, Rauchschwaden legen sich über die verschmutzten Straßen, jeder flüchtet in eine andere Richtung, irgendwo fällt sicher ein Kübel mit Wasser oder eine Tonne mit irgendeiner Flüssigkeit um, im Hintergrund Geschrei und Orchestermusiker im schnellen Stakkato wegen der Dramatik wärs. So läuft’s im Film ab. Wenn die Innviertler Wikinger kommen, ist die Panik spürbar geringer. Vor allem in diesem Jahr.

 

Ein bisserl was für’s Bühnenbild

Kein Wunder, wenn die mit gehörnten Helmen ausrückenden Rieder vorbeischauen, dann handelt es sich nicht um Wikinger. Nona, werden sie sagen, Skandinavier aus dem Frühmittelalter werden‘s sein. Sind’s eh nicht, es sind Schauspieler aus einer Wagner-Vorführung. Am 22. September 1869 fand die Uraufführung von „Rheingold“ statt, König Ludwig II, der Erbauer des Disneyschlosses und Cousin von Sisi, liebte Kostüme – und so kaufte die Maske die heute noch typischen Nibelungen-Klamöttchen wie Felle, Lederhosen und Helme mit Flügeln und Hörnern. Postkarten zur Bewerbung verbreiteten sich – und schon glaubte man in Oberösterreich, sich traditionell zu kleiden. Tja. Wenn sie schon so auf Tradition stehen, die Rieder, dann machen wir ihnen doch die Freude. Denn traditionell schießt Wacker in Zweitligaspielen ein Tor am Tivoli gegen die Grün-Schwarzen. Und traditionell reicht das. Drei Spiele vor eigenem Publikum, dreimal ungeschlagen, sieben Punkte. In der Saison 2004/2004 brachten zwei humorlose 1:0 Wacker die entscheidenden Punkte im Duell Absteiger gegen Aufsteiger, Sammy Koejoe war zweimal der Vollstrecker. Im vergangenen Oktober glich Peter Haring nach Vorarbeit von Ilkay Durmus in der 94. Minute aus, die Wikinger raubten einen Punkt – wenigstens hier halten sie sich ans Vorbild, wenn sie auch nicht gerade brandschatzten in diesem Spiel. Das hatten sie bereits im ersten Aufeinandertreffen der Saison erledigt, im August. Damals setzten sie sich mit einem klaren 4:1 gegen Innsbruck durch, dreimal Fröschl, einmal Chabbi. Gegen kein anderes Team hat Fröschl so oft getroffen wie gegen die Tiroler – achtmal. Er macht’s in Bundesliga und Erster Liga, für Wiener Neustadt, FC Lustenau und Ried, egal. Der blonde Hühne aus Linz mag Wacker, wenn er auftritt, gibt’s Gemetzel auf der Bühne.

In bisserl ein Ideenklau

In der Romantik, zu Beginn des 19. Jahrhunderts, wurde der Götiska Förbundet gegründet – schwedische Schriftsteller, die den Geist der nordischen Mythologie aufleben lassen wollten. Sie trugen Wikinger-Helme, echte, tranken aus Hörnern und gaben sich alt-nordische Namen. Und 1869 feierten sie einen Ball und tauchten mit gehörnten Helmen auf. Und wenn das gebildete Menschen machen, dann wird da wohl auch was dran sein. Die Ideen wurden geklaut. Die einen, nicht so ganz Gebildeten, aber lustig, übernahmen die Helme. Die anderen, gebildet, aber nicht ganz so g‘scheit, das mit den Trinkabenden und nordischen Namen hinter verschlossenen Türen. Apropos Rechtsaußen: das ist die große Gefahr, die Ried ausstrahlt – Hereingaben in die Mitte von ganz weit draußen. Das Tor von Haring war eine verwandelte Flanke. Auch der letzte Treffer der Rieder, der Führungstreffer von Julian Wießmeier bei der 1:3-Niederlage im März hatte eine Flanke als Vorarbeit, abermals Ilkay Durmus, der in dieser Saison nicht nur sieben Tore, sondern auch 11 Assists aufweisen kann. Flanken sind ein Spiel, das die Oberösterreicher in dieser Saison bereits 14mal erfolgreich vollzogen haben. Und das sie ganz offensiv suchen. 493 Flanken wurden aus dem Spiel heraus geschlagen, niemand in der Liga gab mehr, und kein anderer Verein traf auch öfter. Auch da sind die Rieder keine Wikinger. Die Nordmänner vermieden lange Kämpfe, machten Überraschungsangriffe und schnelle Rückzüge und griffen frontal, hinter einem Schildwall verbarrikadiert, an. Fast 500 Bälle in das Angriffszentrum zu schlagen, im Schnitt mehr als 15 pro Spiel, alle fünfeinhalb Minuten eine, das ist Dauerbeschuss, und wenig überraschend. Aber um nichts ungefährlicher.

Ein bisserl verniedlicht

1616 veröffentlichte Philipp Clüver ein Buch über die Germanen, in welchem er die Krieger mit Fellüberwürfen und Hörnerhelmen darstellte. Es wurde für lange Zeit zu einem Standardwerk, die Bildsprache wurde etwa auch 250 Jahre später beim Bau des Hermanndenkmals im Teutoburger Wald verwendet, der Wagner’sche Maskenbildner griff auch die Idee zurück – und dann haben wir das Schlamassel. Aus den in ganz Europa gefürchteten Wikingern wurde Hägar, der Schreckliche, ein Comicstrip. Oder schlimmer, ein niedlicher, sommersprossiger Junge, der sich vor Wölfen fürchtet und von vielen Kindern für ein Mädchen gehalten wird, wegen seines hübschen blauen (Waffen)Röckchens. Den Riedern geht es gerade ähnlich. Die Furcht ist ein bisschen verschwunden in der Fremde. 16mal zogen sie aus zu Beutezügen, fünfmal kehrten sie mit einem Schatz zurück. Dreimal aus der Wiener Gegend (zweimal Floridsdorf, einmal Neustadt), zweimal aus dem Westen (Wattens und Lustenau). Seit Anfang September konnte in der Fremde nur gegen den FAC und Wattens gewonnen werden. Siebenmal konnten sie gerade so die Kosten abdecken, viermal setzte es eine Niederlage. Rang fünf in der Gasttabelle ist für den Absteiger keine neue Erfahrung, bereits 2003/2004 schloss man nach der Rückstufung aus der Bundesliga im Mittelfeld ab. Und Innsbruck wurde Meister. Würde man auch heuer so nehmen, doch die Innviertler haben gerade so etwas wie einen Lauf. Vier Spiele in Serie gewonnen, dreimal zu Null gespielt. In den letzten sieben Partien zur zweimal einen Gegentreffer erhalten, Torverhältnis 10:3.

Ich hab’s!

Auch vor Wicki hat sich niemand gefürchtet. Und Wicki ist immer als Sieger vom Platz gegangen und konnte mit den Delfinen fröhlich in den Sonnenuntergang wasserschifahren. Ried kämpft um die große Möglichkeit, doch noch im Aufstiegsrennen zu bleiben – und das ist die große Gefahr und die große Chance für Wacker. Leicht wird’s aber auf keinen Fall.

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Autor: Stefan Weis

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