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Der alte Mann und das Mehr

Der FC Wacker Innsbruck ist zurück. Ein neues Team in der neuen Zwölferliga hat die Ehre, die neue Saison im neuen Stadion des FK Austria Wien zu eröffnen, bei dem auch kein Stein auf dem anderen geblieben ist. Wenn aber Karl Daxbacher am Freitag an den Verteilerkreis zurückkehrt, dann sind das keine neuen Gewässer für ihn. Dort führte er die Favoritner schon vor Jahren durch stürmische See, dort erlebte der junge Karl so manches Wellental und noch mehr Wellenberge. Der alte Mann hat schon viel gesehen, wenn er nun in ein neues Abenteuer ausfährt.

 

Der junge Karl und das Mehr

Es war wohl kaum eine Nussschale, mit der Daxbacher anfangs über die rauen Gewässer des Fußballsports ruderte. Von Statzendorf aus, einer Kleingemeinde im Mostviertel, wollte er die Welt erobern. Und er eroberte sie. Er fischte in den großen Wassern, zog mehr als nur ein paar Ährenfische an Land. Damals, als die Austria noch ihre Wanderjahre hatte und auf der Hohen Warte kickte, am Sportclub-Platz, im Weststadion in Hütterldorf und im großen, leeren Praterstadion, bevor man die Spielwiese des SK Slovan Wien, den České-srdce-Platz, zur Heimat erkor. Der junge Karl hat viel gesehen, viel erlebt in seinen vierzehn Jahren in Violett. Er sah Violette, die am Boden lagen. Rang 10 in der Meisterschaft, der ersten Saison Karls. Hinter Meister Innsbruck und den Salzburgern – der Westen dominierte. Hinter den beiden Linzern, hinter der WSG Wattens. Mehr noch, innerhalb Wiens war man nach Rapid, der Vienna, Admira und dem Sportclub nur die Nummer fünf der Stadt. Ein Drama, das sich zwei Jahre später wiederholen sollte, erneut Rang 10, nur fünf Punkte vom Abstieg in einer 16er-Liga entfernt. Karl sah eine Spielgemeinschaft mit dem Wiener AC und den neuen Sponsor Elementar-Versicherung, sah neue Teamkollegen wie Prohaska, Obermayer, Gasselich und Baumeister. Er sah, wie der dominierende FC Wacker Innsbruck, an dem es kaum ein Vorbeikommen gab, nach Jahren plötzlich gebogen werden konnte und, mit dem Rauch und dem Geld der Tabakwerke – die Austria zu unerahnten Höhen aufstieg, zum Serienmeister der neuen Bundesliga. Zwischen 1976 und 1985 feierte der junge Karl sieben Meistertitel in Violett, zwei Vizemeister und eine Finalteilnahme im Europapokal der Pokalsieger. Vier Cupsiege nahm man nebenher mit. Den jungen Karl gelüstete es nach mehr, doch sein Körper wollte nicht mehr so, wie er es meinte, die Bandscheiben hatten den 400fachen Nationalen und 40fachen Internationalen eingebremst. Er fuhr zurück an Land und betrachtete die See.

Der Sir und das Mehr

An Land konnte Karl nicht lange sein, er musste zurück aufs Meer. Er musste rausfahren, die Angel auswerfen, dann die Netze. Was erneut in Statzendorf begann, führte ihn zu St. Pölten, mit welchen er Meister der Landesliga wurde. Erneut wurde die Austria aufmerksam auf ihn, engagierte ihn bei den Amateuren – und tat gut daran. Nach drei Jahren feierte Karl den Meistertitel der Regionalliga Ost und stieg in die zweihöchste Spielklasse auf, mit jungen Matrosen wie Michael Madl, Andreas Ulmer, Christoph Saurer, Rubin Okotie, Edin Salkic oder Markus Suttner. Und alten Haudegen wie Ratajczyk, Mählich und Safar. Karl wurde von Sportdirektor Stöger nach Herbstmeistertitel und viertem Platz von Bord geworfen, wechselte das Boot und wurde Meister mit dem LASK, den er in die Bundesliga führte. Als sich in der Reederei am Verteilerkreis alles geändert hatte, erinnerte man sich wieder an den Sir und holte ihn auf die Brücke zurück, diesmal ganz oben. Einen Cupsieg gab es zu feiern und einen Vizemeistertitel, aber auch eine bittere Niederlage 2010 gegen den Aufsteiger, der am sechsten Spieltag im Horrstadion die Austria mit 0:3 demütigte. Der letzte Sieg des FC Wacker Innsbruck gegen die Wiener Austria, es folgten vier Remis und 12 Niederlagen. In den letzten 35 Begegnungen gab es nur zwei Niederlagen für Violett gegen Schwarz-Grün, für Daxbacher blieb es die einzige als Trainer des FAK. Eine andere bittere Niederlage erlebte er in der letzten Runde der Saison, als man den Vizemeistertitel im direkten Duell noch an Salzburg abgeben musste. Doch Karl blieb violettes Urgestein, hängte noch eine Saison an und wurde mit 1309 Tagen längstdienender Trainer der Austria seit Ernst Ocwirk, der die Veilchen noch vor Karls Spielerdebüt für 1825 Tage am Stück führte. Doch auch dieses Abenteuer endete, und Karl fuhr immer wieder mit neuen Booten auf das Meer hinaus. Mit dem LASK etwa, den er zweimal zum Regionalligameister machte und in die zweite Liga führte. Mit St. Pölten, die er zum Meister der zweiten Liga machte und in die Bundesliga führte. Und nun mit Wacker Innsbruck, erneut Meister der zweiten Liga und Aufsteiger.

Der alte Mann und das Mehr

Karl Daxbacher hat schon viel erlebt. Seine Teamkollegen aus Jugendtagen spielen Golf und kommentieren ein bisschen im TV. Seine jungen Spieler aus den Nachwuchsmannschaften sind die arrivierten Kicker in den Bundesliga-Teams oder machen gar schon die ersten Schritte nach ihrer Karriere. Aus der wandernden Austria sind Favoritener geworden, aus dem Slovan-Platz das Horrstadion, die fixe Heimat – und sogar eine Arena, die man endlich als würdigen Fußballplatz bezeichnen kann. In einer Liga, in der 32-Jährige am Steuer sind und die meisten Kollegen in den Vierzigern, ist Daxbacher mit 65 Jahren der älteste Trainer. Und nach Oliver Glasner und zusammen mit Gerald Baumgartner auch der längstdienende, trotz nur knapp 19 Monaten Amtszeit. Das Trainergeschäft ist schnellebig geworden, die Ausfahrten in die wilden Gewässer der Bundesliga werden immer kürzer. Aber Karl hat noch Hunger auf mehr, hat noch Ziele. Und mit ihm auch der FC Wacker Innsbruck, der zusammen mit dem Sir in die hohe See stechen wird. Ahoi, Santiago, schnapp dir den Fisch und bring ihn in den Hafen.

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Autor: Stefan Weis

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