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Null, positiv

„Der Gegner war um mehrere Nuancen besser. Glückwunsch.“ Und: „Nach dem Gegentreffer sind wir nur noch dem Ball hinterhergerannt und haben keinen Ball gesehen.“ Selbstkritische Worte. Aber nicht aus Innsbrucker Mund, sondern aus schwarz-weißem. Heiko Vogel, Trainer des SK Sturm Graz, und Stefan Hierländer, der selbst mit einem schönen Distanzschuss eine Marke gegen Ajax setzte, setzen eine harte Analyse nach dem Ausscheiden aus der Champions-League-Quali mit null Siegen und null (eigenen) Toren. Positives nehmen sie aber dennoch aus dem Spiel mit – Wacker Innsbruck kann sich auf einen, Verzeihung, Sturmlauf gefasst machen.

 

Blutverlust

Dabei startete man recht ungünstig in die Saison. Noch weit vor dem ersten Spiel, in den Transferzeiten, wurde Sturm geschwächt. Vermeintlich geschwächt, die Auswirkungen werden sich erst zeigen. Im November 2017 verließ Franco Foda die Grazer. Sturm war zu diesem Zeitpunkt locker ins Viertelfinale des Cups aufgestiegen, nach 20 Runden lag man in der Liga auf Rang 1, vier Siege in den letzten fünf Spielen standen zu Buche. Der Atem von Salzburg, die bislang nur ein Spiel verloren hatten, war bereits zu spüren, aber mit einer starken Offensive (1,95 Tore pro Spiel) brauchte man sich nicht verstecken. Nach Foda kam der Einbruch. Die folgenden vier Spiele brachten Niederlagen gegen Mattersburg, Wolfsberg und Salzburg sowie ein Remis gegen Rapid. Die Konstanz war dahin, in der Post-Franco-Tabelle belegte man nur Rang vier, der Tor-Schnitt sank leicht, der Gegentreffer-Schnitt stieg. Dennoch, man holte sich insgesamt den Vizemeistertitel, so mancher Spieler hatte sich ins Rampenlicht gespielt. Das erkannten auch die Konkurrenten. Und wussten, Abstand zum Gegner schaffe ich am besten, wenn ich mich verstärke und ihn gleichzeitig schwäche. Christian Schoissengeyr und James Jeggo gingen an den Verteilerkreis, keiner von ihnen hatte gegen Innsbruck eine Spielminute, Jeggo wird mit Syndesmosebandeinriss wohl länger ausfallen. Am anderen Ende von Wien holten sich die Hütteldorfer mit Marvin Potzmann und Deni Alar insgesamt 22 Tore und 7 Assists der vergangenen Grazer Saison. Beide standen beim Auftakt gegen die Admira in der Startformation, in die Scorerliste konnten sie sich beim 3:0-Sieg noch nicht eintragen, aber immerhin eine Gelbe abstauben. Dass man an der Mur auch noch Thorsten Röcher an Ingolstadt abgeben musste oder Bright Eomwonyi nach Leihende auch bei der Austria landete, verbessert die Bilanz der Grazer nicht wirklich.

Blutkonserve

Sturm verzweifelte aber nicht an den Abgängen, sondern holte sich frisches Blut in die Mannschaft. Neben den Zugängen aus der eigenen Akademie und der Amateurmannschaft – mit dem 18jährigen Michael John Lema spielt nun neben Sandi Lovric ein zweiter Rapid-Lienz-Kicker in Schwarz-Weiß, ergänzt wird die Tiroler Fraktion mit Fabian Koch – bediente man sich in Österreich, Portugal, Deutschland, Griechenland und Georgien. Die Admira musste Markus Lackner und Lukas Grozurek ziehen lassen, Mattersburg Markus Pink, und aus Berlin kehrt Philipp Hosiner in die Alpen zurück. Vor allem die beiden Letztgenannten werden Innsbruck Sorgen bereiten, ob als Doppelspitze oder nacheinander. Gegen Hartberg trugen sich bereits beide in die Scorerliste ein, Pink nach Zulj-Zuspiel zum 2:1, Hosiner nach Koch-Vorarbeit zum 3:2 – alle Grazer Tore in diesem Spiel waren Rechtsschüsse, alle am oder kurz vor dem Fünfmeterraum. Trotz der Gemeinsamkeiten gibt es aber Unterschiede zwischen Hosiner und Pink. Hosiner brachte vier Schüsse auf das Tor, kein Spieler an diesem Spieltag mehr, er führte sechs Luftduelle, soviel wie kein anderer Ballesterer in dieser Partie. 11 Zweikämpfe führte er, 42mal erwischte man ihn am Ball. Und Pink? Nur 17 Ballaktionen, nur vier Zweikämpfe, nur ein Schuss – aber der saß. Eine völlig unterschiedliche Spielauffassung zwischen dem aufgedrehten Philipp Hosiner, der sich den Ball erarbeitet und die Situationen sucht, und Markus Pink, dem Strafraumstürmer, der bedient werden will. Da kommt einiges an Arbeit auf die wackere Defensive zu.

Blut geleckt

Die Auslosung ist für Innsbruck beinhart, nach dem FAK im neuen Stadion wartet der Vizemeister vor eigenem Publikum, in beiden Partien kann man sich nicht viel erwarten. Doch der Aufsteiger hat schon im violetten Schmuckkästchen gezeigt, dass mit ihm zu rechnen sein wird. Nicht als spielbestimmende Mannschaft, nicht mit Dauergefahr – viele schwarz-grüne Tore wird man heuer nicht sehen, meinte auch Karl Daxbacher. Die Torhymne lädt man sich also besser aufs Handy, wenn man sie regelmäßig hören will. Aber das erste Tor der Saison, das erste Liga-Tor im neuen Horr-Stadion, das gehört einem Wackerianer. Dedic zeigte, dass seine Torgefahr nicht auf die zweite Liga beschränkt ist. Man nahm zwar null Punkte mit aus Wien, aber das positive Gefühl, an einem perfekten Tag auch große ärgern zu können. Der FCW hat Blut geleckt. Graz allerdings auch, und sie werden die Tiroler nicht unterschätzen, wenn man ihren Worten glauben darf. Schon direkt nach dem Spiel sagte Trainer Heiko Vogel zum schnellen 0:2 nach dem Seitenwechsel: „Wenn man so aus der Pause startet, denkt man danach schon an Innsbruck.“. Und: „Wer unterschätzt, darf sich über die Konsequenzen nicht wundern.“ Wer aber davor warnen muss, der fürchtet sich davor, dass seine Spieler den Gegner nicht ganz ernst nehmen. Das ist die Chance für Schwarz-Grün, denn Graz traf in den letzten 10 Duellen gegen Innsbruck und gewann die letzten vier Spiele in Folge gegen den jeweiligen Aufsteiger. Ein Fest wird es allemal, die Rückkehr der Bundesliga auf das Tivoli – egal, wie das Duell gegen Graz endet.

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Autor: Stefan Weis

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