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Kühbauers Kulinarik

Jetzt schaut er wieder einmal vorbei in Innsbruck, und mit ihm sein neuer Verein, der SKN St. Pölten. Wenn er kam, dann kochte oft das Stadion. Und er selbst, er zeigte sich gerne als Häferl, das auch manchmal überging. Dietmar Kühbauer ist wohl nicht der stoisch ruhige Analyst, der mit Abstand ein Spiel kommentiert. Er ist Emotion, er lebt Emotion. Dafür liebt man ihn, oder man hasst ihn – aber auf jeden Fall beschäftigt man sich mit ihm.

Wurst

Innsbruck taucht immer wieder auf der Lebenslinie des nicht gerade großgewachsenen Ballesterers aus Heiligenkreuz im Lafnitztal auf. Am 12. März 1988 zum Beispiel, als der junge, noch nicht einmal 17jährige Didi sein erstes Bundesliga-Spiel machen darf, nachdem er 22 Runden auf der Tribüne der Südstadt verbracht hat, ohne bei der Kaderzusammensetzung beachtet zu werden. Seine Gegner hießen damals Ivkovic, Linzmaier, Marko, Pacult, Happel – und auch Hörtnagl, eingewechselt in Minute 85. Den musste er allerdings schon von draußen beobachten, denn nach seiner gelben Karte in der 38. Minute kam er auf Anweisung des Trainers nicht mehr aus der Halbzeitpause aufs Feld. Vielleicht wusste der Trainer, wie ein junges Häferl am Tivoli reagieren kann, hatte er es ja selbst 17 Jahre zuvor, im Geburtsjahr seines Schützlings, vorgemacht. Und ihm wohl auch davon erzählt, als er mit dem jungen Didi vom Westbahnhof nach Innsbruck angereist und mit ihm die ganze Strecke in einem Abteil gesessen ist. „Zweikampf mit Binder, er fliegt nieder, haut mit den Füßen absichtlich gegen mein Becken. Ich sag, bist deppert, er springt auf, würgt mich. Ich hab ihm eine gerieben. Er durfte bleiben, ich wurde ausgeschlossen.“, erinnert sich Kühbauers erster Trainer im Profibereich, Gustl Starek, später im Gespräch mit dem Standard an das Spiel, das ihn – naja, und seinen Hintern – in Tirol bekannt machte. Vielleicht wollte er verhindern, dass auch Didis Hintern die Westtribüne erheitert. Die erste Begegnung mit Innsbruck war Kühbauer also eine Niederlage, eine Gelbe, ein vorzeitiger Wechsel. Und der Anfang einer Karriere, in der er 421 Bundesligaspiele in Österreich, 49 in Deutschland und 48 in Spanien auf höchstem Niveau kickte, die ihn ins Europacup-Finale gegen PSG führte und zur WM nach Frankreich. In all diesen Jahren brachte er nicht nur Leistung am Platz, sondern trug auch sein Herz auf der Zunge. Etwa, als er im ORF-Interview gefragt wurde, ob er, der im Wiener Derby oftmals heißlief, wirklich im Kabinengang eine Auseinandersetzung mit Austria-Trainer Egon Coordes gehabt hätte: „Ich glaube, was sie da erzählen, ist für die Würste.“.

Fisch

Innsbruck hat einen besonderen Platz in Kühbauers Fußballlaufbahn. Gegen die Tiroler spielte er die zweitmeisten Partien, 45mal stand er Schwarz-Grün als Kicker gegenüber, mit einem völlig ausgeglichenen Verhältnis ans Siegen und Niederlagen. 11 Tore erzielte er gegen Wacker und dessen Vorfahren, gleich dreimal sogar einen Doppelpack. Einer davon beim 4:2-Auswärtssieg der Hütteldorfer am Tivoli am 2. März 1997. Zwei Wochen zuvor war seine junge, schwangere Frau am Weg, ihn vom Flughafen in Schwechat abzuholen, als er von Trainingscamp aus Dubai heimkehrte. Aber sie kam dort nicht an. Michaela hatte einen Unfall, lag sieben Monate im Koma und verstirbt in Innsbruck in der Klinik, ohne nochmals aufzuwachen. Tore hin, Gegnerschaft her. Damit Kühbauer seine Frau fast täglich besuchen kann, trainiert er in Innsbruck mit, um nicht weit von ihr entfernt zu sein. Als sie geht, geht auch er, ins Ausland. Aber es ist in allen Belangen eine schwere Phase für Didi. In Spanien völlig allein, hat er Probleme, sich bei Real Sociedad zurechtzufinden. Dann bricht er sich im Zweikampf mit Toni Pfeffer im Nationalmannschafts-Training das Schlüsselbein, er kehrt zurück, schießt ein Tor, bricht es sich wieder. Wechselt nach Wolfsburg und legt sich nach fulminantem Start mit dem Trainer an, der ihn auf die Bank verbannt. Vielleicht meinte er ihn, als er sagte: „I hob Trainer g’hobt, da war’s gscheida gewesen, i hätt an Fisch g’essen.“. Es zieht ihn jedenfalls zurück nach Österreich, heim ins Burgenland, zu Mattersburg. Mit den dortigen Grün-Weißen macht er ein kleines Märchen wahr, man steigt in die Bundesliga auf, spielt sich in den Europacup. Die aktive Karriere findet einen versöhnlichen Abschluss, für Kühbauer zumindest. Denn in seinem letzten Auswärtsspiel macht er auch noch sein letztes Tor, Verzeihung, seinen letzten Doppelpack. Und stößt damit den am Abgrund taumelnden FC Wacker über die Klippe und in die zweite Liga. Ein Innsbrucker Sieg wäre nötig gewesen im April 2008, es wurde eine schallende 0:5-Niederlage. Und Kühbauers provokanter Jubel wurde mit resignierendem, zynischen Applaus von der Nord begleitet. Wohl das erste Mal seit seinen schweren Tagen 1997, dass er in Innsbruck Zuspruch erhielt.

Schmarrn

Dabei soll es aber auch bleiben, denn auch als Trainer zeigte er, dass er Emotion ist – aber noch viel mehr. Nur mit Motivation hievt man wohl nicht die graue Maus Admira in die höchste Spielklasse und führt sie auf internationale Startplätze. Nur mit Feuer in den Ansprachen überlebt man auch nicht das Südstädter Trainerkarussell und wird zum längstdienendsten Betreuer seit Ernst Dokupil in den 1980ern. Nur mit Emotion reißt man wohl auch den SKN St. Pölten nicht aus der alles einschläfernden Lethargie einer Saison, in welcher man keine zwei Spiele hintereinander punkten konnte, und gewinnt die Relegation um die Bundesliga. Das zu behaupten, wäre ein kompletter Schmarrn. „Zu sagen, man will sechs Systeme spielen, das ist ein Blödsinn. Das ist nicht machbar, aber wenn man zwei bis drei Systeme gut spielen kann, reicht das.“, sagte Didi zu 90minuten. Es reicht, um derzeit an der dritten Stelle der Tabelle zu stehen, ungeschlagen wie sonst nur Salzburg und Rapid, mit den zweitmeisten Toren der Liga und den zweitwenigsten Gegentoren. Seit neun Pflichtspielen sind die Niederösterreicher mit dem Burgenländer schon ungeschlagen, haben Sturm und die Austria gebogen und gleich sechsmal in diesen Partien kein Gegentor erhalten. Dass auch die Statistik des SKN gegen Innsbruck drei Pflichtspiel-Siege und vier gewonnene Auswärts-Spiele in Folge aufweist, beides erstmals, ist nur das Sahnehäubchen auf der Warnung, die Wölfe nicht mit den großen Namen der Liga gleichzusetzen.

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Autor: Stefan Weis

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