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Extreme Makeover

Jeder, der schon einmal krank daheim gelegen und sich bis Sender 117 durchgekämpft hat, kennt sie: die Makeover-Shows. Ein hässliches Entlein, ein überstylter Junge, ein überschminktes Mädchen trifft auf professionelle Stylisten und ein Budget, das er/sie sich im normalen Leben niemals leisten könnte – und voilà, ein wunderschöner Schwan entsteht. Wer das nicht kennt, braucht nur an den SCR Altach denken, den nächsten Gegner des FC Wacker Innsbruck. Die sind nämlich gerade mitten in der Verwandlung.

 

What not to wear

Sportlich, werden Sie jetzt sagen, sportlich merkt man davon aber nicht gerade viel. Naja, im Moment nicht, aber das hat so manche Gründe, und das wird nicht so bleiben. Trotz des aktuell vorletzten Tabellenrangs hat Sportdirektor Georg Zellhofer für die kommenden neun Runden das klare Ziel ausgegeben „Wir wollen über den Strich“. Für ein Team, das in 13 Runden erst zwei Siege erreicht hat, einen Punkt hinter den Innsbruckern liegt und exakt so viele Gegentreffer kassiert hat wie Wacker eine durchaus ambitionierte Vorgabe. Und dennoch, man sieht den Moment gekommen, die sieben Punkte Rückstand auf das obere Play-Off aufholen zu können. Dass es nur sieben Punkte sind, ist schon eine Überraschung an sich. Die Rheindörfler, die in den letzten Bundesliga-Jahren die Plätze 3 – 8 – 4 – 8 belegen konnten, starteten denkbar ungünstig in die aktuelle Saison. Zwischen den beiden Cup-Siegen gegen Parndorf und Leobendorf lagen in der Liga zwei Remis und sechs Niederlagen. Kombiniert man das mit der vergangenen Saison, dann wartete man in Altach Ende September seit 11 Runden auf einen Sieg, seit April auf einen vollen Erfolg vor heimischen Publikum. Das hält kein Trainer aus, würde man meinen. Aber Klaus Schmidt, ehemals an der Seitenlinie des Tivoli beheimatet, wurde schon vor der Saison überraschend geschasst. Neuer Trainingsleiter wurde der Immer-Wieder-Zwischendurch-Trainer Werner Grabherr, ehemals Chef der Amateure in der Regionalliga, Co-Trainer in der Bundesliga und Marketingleiter der Vorarlberger. Trotz der katastrophalen Leistung zu Beginn der Saison hielt man, vielleicht auch aus Kostengründen, an Grabherr fest.

How do I look?

Und sollte, zumindest zwischenzeitlich, Recht behalten. Die 0:3-Niederlage im Cup gegen den LASK ausgeklammert, hat Altach den Turnaround geschafft. Gegen die Admira und Austria wurde ein Sieg erspielt, gegen den LASK, Mattersburg und Rapid ein Unentschieden erarbeitet. Seit fünf Ligaspielen punktet der SCRA, in allen diesen Spielen traf er mindestens einmal. Mehr noch, in elf der zwölf Ligapartien konnten die Vorarlberger mindestens einmal scoren, und selbst nach 0:1-Rückstand holte man noch viermal (und damit einmal öfter als Wacker) Punkte. Innsbruck sollte gewarnt sein, und das nicht nur wegen der aktuellen Saison. Blättert man in der Vergangenheit, war Altach nie der wirkliche Lieblingsgegner. In der Bundesliga holten die Rheindörfler am Tivoli stets Punkte (kein Wunder, dass sie hier ihre internationalen Partien austragen wollten), in den letzten elf Pflichtspielduellen gegen den FCW wurde 18mal gescort, mindestens einmal pro Spiel. Man hätte Altach gerne von der Reiseroute gestrichen. Unter anderem auch auf Grund der Infrasstruktur zu Beginn: Auswärtssektor beinahe ohne Steigung und damit de facto ohne Sicht aufs Feld, wenn Transparente hingen. Zudem in Wurfreichweite der heimischen Fantribüne, Ausgang für beide über denselben Weg. Dass in der Bundesliga andere Fanmassen kommen werden, hatte man nicht in dieser Art einberechnet, auch nicht, dass ein paar heimische postpubertierende Steinchenwerfer die kurze Distanz zu den Gästen überwinden würden. Die Schwarz-Gelben mussten lernen, gehen die Mission Bundesliga aber mit Bedacht und langfristigen Plänen an. Ein sofortiger Stadionausbau war da nicht angedacht, man hatte noch die beiden „Kurzausflüge“ 91/92 und 97/98 in Kopf, als der Aufenthalt in Liga 2 nach nur einer Saison schon wieder beendet war. Im Vorarlberger Oberland setzt man auf Nachhaltigkeit. Was Bregenz zerrissen hat, Lustenau eingebremst und Dornbirn sofort gestoppt hat, sollte in Altach nicht auch passieren. Also ging man mit starker politischer Unterstützung – der ehemalige VP-Klubobmann im Parlament, zweite Nationlaratspräsident, aktuelle Nationalrat und Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich, Karlheinz Kopf, ist seit 1985 im Verein engagiert, war von 2009-2016 Aufsichtsratsvorsitzender und ist nun Präsident des Clubs – an das langfristige Projekt, Altach als den Bundesligisten Vorarlbergs im Land zu verankern.

Extreme Makeover: Home Edition

Stück für Stück wurde das altehrwürdige Schnabelholz-Stadion adaptiert, Tribünen verschoben und zur modernen Arena ausgebaut. Im Mai wurde zum Saisonabschluss die Südtribüne offiziell eingeweiht – um gleichzeitig schon wieder Überlegungen laufen zu haben, das Innenleben der Tribüne attraktiver zu gestalten und einen einheitlichen Innenbereichsplan für die ganze kleine Arena zu erarbeiten. Präsident Kopf im Hintergrund und Geschäftsführer Längle denken aber über das Stadion, in das seit 2014 3,5 Millionen Euro aus eigenen Mitteln investiert wurden, hinaus. Wer sich sportlich nicht verankern kann, braucht auch kein Stadion, das im Endausbau mit 8000 überdachten Sitzplätzen auch UEFA-4-Normen entsprechen soll und als „Vorarlberg-Arena“ der Stolz des Ländles sein soll, gelegen in einer 6341-Einwohner-Gemeinde. Also wird auch in den Sportbereich investiert. Aber nicht so, wie bei vielen anderen vermeintlichen Dorfclubs, in Namen und schnellen Erfolg, sondern in Langfristigkeit. Neben dem auf grüner Wiese gelegenen Stadion wird ein zweistöckiges Gebäude mit 990m² entstehen, das all das enthält, was für professionellen Fußball notwendig ist: Kraftraum, Arztzimmer, Physioraum und nicht zuletzt Büroräumlichkeiten für den Verein, der aktuell schon starke Web-2.0-Auftritte hinlegt und auch in Planung und Umsetzung an Professionalität viele Vereine in Österreich weit überflügelt. Rund zweieinhalb Millionen wird dieses Baulos ausmachen, 40% davon zahlt das Land Vorarlberg, auch die Gemeinde wird nicht untätig bleiben. Aber auch das wird es noch nicht gewesen sein. Die Rheindörfler planen gerade den Ausbau ihres Trainingszentrums neben dem Stadion und haben die Finanzierung bereits stehen, intensivieren gleichzeitig die Zusammenarbeit mit der Akademie Mehrerau mit der Vorstellung, bei der Neubestellung des sportlichen Verantwortlichen eingebunden zu werden. Das Stadion soll zum Veranstaltungszentrum heranwachsen und nicht nur an Spieltagen genutzt werden, weshalb ein Neubau des Businessclub folgen soll. Für die Projektentwicklung sind mit Fohrenburger, Pfanner und der Borg-Servicegruppe bereits drei starke Investoren mit an Bord – Altach boomt.

Schaffa, Schaffa, Hüsle baoua

Mit Altach wird auch in Zukunft zu rechnen sein. Verstärkt sogar, denn der Verein hat all diese Investitionen in seine Zukunft in einer Art geschafft, die Bewunderung hervorrufen muss: mit positiven Budgetzahlen. Der Verein ist schuldenfrei, mehr noch, er hat positives Eigenkapital. Schaffa, Schaffa, Hüsle baoua, das war immer schon das Motto im Ländlä. Wenn die VN, Vorarlbergs größte Zeitung, dann im Kommentar „Tirol als Messlatte“ vorbringt und dabei all die Schwierigkeiten, die in Innsbruck den Weg pflastern, übersieht, dann scheint der Arlberg doch manchmal höher als gedacht.

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Autor: Stefan Weis

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