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Das Nilpferd in der Achterbahn

So viele Kerzelchen wie gerade wird der Hl. Hippolyt wohl schon lange nicht mehr gesehen haben. Der Patron und Namensgeber der Stadt St. Pölten ist nicht nur Patron der Gefängniswärter und Pferde, sondern wird auch bei Körperschwäche angerufen. Also wohl auch, wenn die Heimmannschaft am Boden ist, wie derzeit St. Pölten. Bei denen geht’s nämlich gerade zu wie beim Nilpferd in der Achterbahn, dem chaotischen Kinderspiel…

Happy Hippo

Dabei hat doch alles so gut angefangen. Also, eigentlich ja nicht. Didi Kühbauer übernahm die Niederösterreicher von Oliver Lederer, als sie nach erfolgreichen Jahren gerade mal so richtig am Boden lagen. Acht Spiele waren noch zu absolvieren in der Liga, die Abstiegsgefahr nur halbbedrohlich, da man schlechtestenfalls Relegation spielen würde. Und davon durfte man ausgehen, mit einem negativen Torverhältnis von 49, 22 Niederlagen und nur 18 erzielten Toren. Dass hier nur 10 Punkte auf den rettenden 9. Platz fehlten, ist schon ein kleines Wunder. Und das erhoffte man sich vom Motivator Kühbauer. Um gleich einmal enttäuscht zu werden: St. Pölten war tot. Ein Punkt in den ersten fünf Spielen ließen nichts Gutes für die notwendige Barrage erwarten. Der Abstand stieg auf 15 Punkte, das Torverhältnis sank auf minus 55, man beschäftigte sich wohl schon intensiv mit der neuen Liga zwei. Bis dann plötzlich der Knoten platzte. Die letzten drei Spiele der Saison, drei Siege, zweimal zu null, dreimal mehr als nur ein Tor geschossen, dreimal ein Sieg mit zwei Toren Unterschied. Um so viele St. Pöltner Tore zu sehen musste man zuvor 12 Spiele besuchen, jetzt holte man sich in dreien das Selbstvertrauen, das nicht nur die Relegation zu einer schmerzlosen Pflichtübung machte, sondern gleichzeitig zu einem Motivationsschub für die neue Saison. Trotz 34 Runden auf dem letzten Tabellenrang durfte man an der neuen Zwölferliga teilnehmen und brannte dafür bis in die Haarspitzen. Ein fulminanter Start, den auch Wacker Innsbruck zu spüren bekam, katapultierte den designierten Abstiegskandidaten in das Feld der Europacup-Starter. Saisonübergreifend 11 Spiele ohne Niederlage, davon sieben ohne Gegentor, es ging auf der Achterbahn fast nur noch steil rauf. Bis zum 29. September, bis zum Spiel gegen Kühbauers Herzensverein, als es schon rumorte im Gebälk der Hütteldorfer und der Name von Don Didi auch in Penzing immer öfter zu hören war. 2:0 gewann St. Pölten dieses Spiel im Weststadion, Rene Gartler und Husein Balic brachten gleich zwei Trainer zu Fall – darunter den eigenen, erfolgreichen.

Am Sand

1298 wird die niederösterreichische Landeshauptstadt erstmals mit deutschem Namen genannt – Sand Pölten. Und dort befand man sich auch, am Sand. Man war der erste Verfolger der unbezwingbaren Salzburger, aber stand ohne Trainingsleiter da. Mit 2,22 Punkten im Schnitt ist der Didi Kühbauer der Blau-Gelben noch immer der zweiterfolgreichste Trainer der Liga, seine Nachfolger konnten ihm nicht ansatzweise das Wasser reichen. Interimscoach Marcel Ketelaer erkämpfte ein torloses Remis im Derby gegen die Mödlinger aus Maria Enzersdorf mit Jedleseer Vorfahren und kann damit in diesem einen Spiel denselben Punkteschnitt aufweisen wie Goran Djuricin aus seiner Zeit in Wien. Rückkehr zu alter Stärke erhoffte man sich mit Ranko Popovic, dem Sturm-Veteran. Mit 51 zur älteren Hälfte der Liga-Trainer zählend (und doch vierzehn Jahre jünger als der Liga-Methusalem Karl Daxbacher), hätte seine Erfahrung, die er in Serbien, Japan, Spanien, Thailand und Indien sammeln konnte, St. Pölten in der Erfolgsspur halten sollen. Konnte sie aber nicht. Nach dem Wechsel an der Spitze geht es für St. Pölten derzeit rasant abwärts. Rang vier, nur drei Punkte hinter dem Tabellenzweiten, aber noch sieben Punkte vom Abstiegsplayoff – Ligaintern mit positivem Touch „Qualifikationsgruppe“ genannt, damit sich auch niemand schlecht fühlt – entfernt, das schaut ja eigentlich nicht so dramatisch aus. Ist es aber. Der Trainereffekt blieb aus, völlig. Vier Ligaspiele, zwei Punkte, in drei Spielen kein Tor erzielt. Im Cup zwar eine Runde weiter, dies aber mit einem mageren 3:2 gegen einen Zweitligisten, der 87 Minuten lang in Unterzahl spielen musste und mit einem Mann weniger noch einen 0:2 Rückstand aufholte. Nur zwei Trainer weisen derzeit noch einen schlechteren Punkteschnitt auf: Reiner Geyer mit zwei Niederlagen als Neo-Coach bei der Admira und Roman Mählich – der noch kein Spiel absolviert hat. So richtig deutlich wird die derzeitige Situation, wenn man sich die bei Trainern und Spielern ungeliebte („das ist ja nur eine Momentaufnahme“) Tabelle der letzten Runden anschaut. Seit Kühbauer zu Rapid gewechselt ist, konnte St. Pölten kein Spiel mehr gewinnen und befindet sich dabei in guter Gesellschaft mit Sturm Graz (Trainerwechsel vollzogen), Admira Wacker (Trainerwechsel vollzogen) und Austria Wien (dem Trainer wird vom Vorstand vor laufenden Kameras der Rücken gestärkt). Kein Team hat in diesem Zeitraum weniger Tore erzielt als die Niederösterreicher, mit drei Punkten in fünf Spielen liegen sie nur einen Punkt vom Abstieg entfernt – hätten sie nicht so viele Erfolge am Anfang der Saison erzielt.

Ein ständiges Auf und Ab

Erfolge, von denen sie zehren können, die sie sogar über dem Strich halten können. An diesen Strich hat sich Wacker Innsbruck in den letzten Runden angenähert. Mehr noch, die Tabelle der vergangenen fünf Runden zeigt sogar ein völlig überraschendes Bild. Von der Spitze lacht Hartberg mit fünf Siegen und 14 Toren klar bestes Team. Erst auf Rang zwei Salzburg, zwar ohne Niederlage, aber mit zwei Remis. Das dritte Team im Bunde, das in diesem Zeitraum nicht geschlagen vom Feld marschieren musste, sind die Schwarz-Grünen, deren Offensive zwar überschaubare Leistungen bot, die aber die mit Abstand stärkste Defensive aufweisen konnten. Der Statistik nach zumindest, denn der aluminiumverarbeitende Betrieb und Hersteller von Torgestängen sowie das Vogerl namens Glück waren hier wohl nicht unentscheidende Faktoren geblieben. Das Glück, das St. Pölten bislang gegen die Teams der Stunde hatte, nebenbei, denn als einziges Team der Liga ist man gegen die beiden Aufsteiger ohne Punkteverlust und ohne Gegentor, selbst Salzburg musste Federn lassen. Wenn also Daxbacher an alte Wirkungsstätte zurückkehrt, dann kämpft hier nicht ein Spitzenteam gegen einen potentiellen Absteiger, aber auch nicht eine Mannschaft in der Krise gegen eines auf der Erfolgswelle. Sondern zwei auf Augenhöhe. Hippolyt, schau oba, und lass uns nicht schwächeln…

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Autor: Stefan Weis

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