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Fly me to the moon

Sich einfach mal so auf den Mond zurückziehen zu können, das hätte was. Ein bisserl Flucht vor der Realität. Nicht so wie old-blue-eyes Frank Sinatra beflügelt durch Liebe, eher aus Frust vor dem, was ist, was kommen wird. Jetzt zum Beispiel, jetzt kommt Salzburg. Da ist ein bisserl Mond, weit weg vom Rasen, gar nicht so unverlockend…

 

Halb so schwer

Dabei sollte man das Ganze nicht so schwer nehmen. Es ist zwar nicht wie am Mond, dort wiegt alles nur rund ein Sechstel von dem, was es auf der Erde auf die Waage bringt. Das wären dann derzeit nur sechs statt fünfunddreißig Punkte Rückstand auf Tabellenführer Salzburg, nur zwei statt elf Punkten auf das obere Play-Off, auch das Torverhältnis wäre mit fünf statt zweiunddreißig Gegentreffern oder einem Negativverhältnis von nur minus zwei statt minus fünfzehn gar nicht so grausam wie die Realität. Der Mond ist allerdings im Schnitt 383.398 Kilometer von der Erde entfernt. Und manchmal scheint es, der Mond ist näher als der Erfolg und ruhiges Fahrwasser vom FC Wacker Innsbruck. Gegen Salzburg etwa, den nächsten Gegner, hat man seit dreizehn Duellen nicht mehr gewonnen. Das heißt, seit 2883 Tagen. Das sind 411 Wochenenden. Acht Weihnachtsfeste. Sogar zwei Schaltjahre. Von den Salzburger Spielern, die damals in der Startformation standen, spielen nur noch Christoph Leitgeb (Salzburg), Georg Teigl (Augsburg), Gonzalo Zarate (Paralimni) und Alan (Tianhai), alle anderen haben ihre Fußballschuhe schon an den Nagel gehängt. Von Innsbrucks Helden, die in dieser Saison als Aufsteiger in den ersten neun Partien nur eine Niederlage – gegen Salzburg, 0:4 – erlitten, bis Runde elf die Tabelle anführten, schlussendlich sehr guter Sechster wurden und mit ihrem Punktediebstahl den Salzburgern den Meistertitel kosteten, von diesen Spielern der Startelf sind auch nur noch vier Ballesterer aktiv, und zwar in Volders (Pichler), Zirl (Bergmann), Mautern (Abraham), Elversberg (Perstaller). Tommi Grumser kickte selbst noch in den Reihen des FC Wacker Innsbruck II in der Regionalliga West, an genau diesem Tag gegen Neumarkt, sieben Minuten lang. Sie finden, das ist lange her?

Halb so lustig

Können Sie sich noch an den letzten Heimsieg der Innsbrucker erinnern? Nein, ich meine nicht das 1:0 gegen Altach Anfang November, obwohl das auch schon lange her ist. Ich meine, den letzten Sieg am Tivoli gegen die Salzburger. Der war auch im November, am 3., aber bereits 2007. 4150 Tage her. Haben sie da ein Meerschweinchen bekommen, ist das schon lange tot. Selbst ihr Chinchilla hat schon das Zeitliche gesegnet. Ebenso der FC Wacker, der am Ende der Saison seine Bundesliga-Träume beerdigen musste und abstieg, während Salzburg wieder nur der Vizemeistertitel blieb. Sie glauben, schlimmer geht’s nicht? Dann kennen sie nicht den böshaften Humor der Statistik. Das letzte Spiel am Tivoli, in dem Innsbruck ohne Salzburger Gegentreffer blieb und die so wichtige Null festhalten konnte, war am 26. Oktober 2005. Vor 4888 Tagen. Ganz Österreich war beflaggt, Bundespräsident Heinz Fischer hielt seine erst zweite Rede zum Nationalfeiertag. Die Eurofighter waren zwar bestellt, Dienst im Luftraum versahen aber noch immer die Saab Draken, Baujahr 1963, und ein paar von der Schweiz angemietete Flieger. Schüssel war Kanzler, Van Staa Landeshauptmann, Hilde Zach Bürgermeisterin in Innsbruck. Die Slowenin Melania Krauss war hochschwanger, sie hatte kurz zuvor den Immobilienmogul und TV-Celebrity Donald Trump in Palm Beach geheiratet und in dessen Golfhotel in Mar-a-Lago gefeiert, US-Staatbürgerin wurde sie erst im kommenden Jahr. Nokia und Siemens stritten sich um die Herrschaft am Handymarkt, der Communicator, Palm und Blackberry waren das Non-Plus-Ultra. Die Umweltaktivistin Greta Thunberg war gerade zweieinhalb Jahre alt, „Push the Button“ von den Sugababes war Nummer 1 in den österreichischen Charts, Sebastian Kurz, der mit Kurzhaarschnitt aus dem Bundesheer kam, absolvierte gerade das erste Semester an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät. Studieneingangsphase. So lange ist das her.

Halb so gut

Und wie es ausschaut, wird es auch nicht zeitnah eine Wiederholung geben. Das Spiel der Salzburger gegen Napoli hat es gezeigt. Ja, auch die Bullen machen unter Druck Fehler, das frühe 0:1 war ein perfektes Beispiel dafür. Ein Ballverlust unter Druck, Stress in der Box durch aufrückende Gegner, ein Ping-Pong zwischen Verteidigern und Tormann, niemand wusste, ob man klären, rausspielen oder den Tormann eingreifen lassen soll. Klingt irgendwie nach den letzten Innsbruck-Spielen. Auch, dass man ansonsten eine gute Leistung ablieferte. Der Unterschied ist, Innsbruck konnte solche Spiele nicht gewinnen, auch kein Remis herausholen. Abschlussschwäche und Eigenfehler brachten die Schwarz-Grünen dorthin, wo sie nun stehen. Und Salzburg wird zeigen, dass man jeden noch so kleinsten Fehler ausnützen kann. Wie beim Ausgleich gegen die Italiener. Ein Fehler im Spielaufbau, vierzig Meter vom Tor entfernt wird der Ball abgefangen, gepasst, ein Haken nach innen, schon zappelt das Netz. Gegen Napoli, die europäische Spitzenmannschaft mit Carlo Ancelotti an der Seitenlinie und Nationalspielern aus Kolumbien, Belgien, Rumänien, Spanien, Griechenland, Polen, Albanien, Polen, Senegal, Italien, Serbien, Portugal, Guinea, Algerien und Brasilien im Kader. Mit Namen wie Insigne, Koulibaly und Allan. Diesem Team drückten die Salzburger ein Spiel auf, beherrschten den Ball und das Feld, die Ecken- und Schussstatistik. Da nützte selbst eine frühe Führung, italienische Verteidigungskunst und zwei perfekt am Strafraum verschobene Viererketten nichts gegen die Furie von der Salzach.

Halb so wild

Aber was soll’s. Man muss sich wirklich nicht am Mond verstecken. Und solange man nicht von anderen dorthin geschossen wird, ist alles in Ordnung. Man arbeitet bei Wacker Innsbruck mit anderen Vorzeichen, mit anderem Umfeld, mit anderen Möglichkeiten. Sich mit Salzburg zu messen, ist eine Herausforderung. Aber Salzburg derzeit kein Maßstab. Und: alles ist halb so wild. Nach dem Spiel werden die Punkte geteilt. Und dann erst zählt es wirklich. Bis dahin hören wir Franky Boy: „…let me play among the stars…“ (https://www.youtube.com/watch?v=mQR0bXO_yI8).

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Autor: Stefan Weis

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