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Vorwärts immer – rückwärts nimmer?

Vorwärts! Seit genau 100 Jahren schallt der Kampfruf der sozialistischen Arbeiter auch über die Fußballplätze der oberösterreichischen Industriestadt Steyr. Im Jubiläumsjahr stellt sich Wacker Innsbruck beim SK Vorwärts Steyr als doppelter Gratulant ein. Nach der Zweiermannschaft am Gründungstag, dem 14. April, kommt nun die Kampfmannschaft der Schwarz-Grünen zum Stelldichein in die Volksstraße. Allzu viele Unterschiede im Personalpool wird es dabei aber nicht geben – auf Tiroler Seite.

 

Vorwärts immer!

Schon seit 1911 dribbelte mit dem „Fußball und Athletik-Club“ ein organisierter Ballsportverein über die Wiesen an Enns und Steyr und brachte die oberösterreichische Fußballmeisterschaft und damit Duelle gegen die Hauptstadtclubs in die Stadt der Eisenverarbeitung. Aus diesem, im Weltkrieg ruhig gestellten Verein, stammten auch jene Männer, die am 14. April 1919 im Casino-Saal zusammentrafen, um einen Verein namens „Steyrer Fußballklub Vorwärts“ zu gründen. Der Huber Franz wurde zum ersten Torschützen der Vereinsgeschichte, der Weißengruber Max zum ersten Obmann. Am 15. Juni traf man auf den Linzer Athletiksportclub Siegfried, der mit Spielern der Germania Linz eine Fußballsektion gegründet hatte und erst sechs Wochen zuvor sein erstes Spiel bestritten hatte. Siegfried, Germania – die Wurzeln des LASK stammten augenscheinlich aus einer anderen weltanschaulichen Ecke als jene des Arbeitervereins Vorwärts, die Konkurrenz mit den Schwarz-Weißen war nicht nur eine sportliche, das erste Spiel endete jedoch mit einem brüderlichen 2:2-Remis. Schon im ersten Jahr holte Vorwärts den oberösterreichischen Landesliga-Titel, die höchste damals zu erreichende Ehre. Der Start war ein guter, doch „Vorwärts immer“ war nicht umsetzbar. Die Kämpfe Sozialisten gegen Christsoziale, später der Krieg unterbrachen den Lauf. Aber bereits kurz nach dessen Ende übernahm die Vorwärts wieder die Oberhoheit in Oberösterreich und wurde auch Mitglied der nun auch für „Provinzmannschaften“ außerhalb Wiens und Niederösterreichs gegründeten Staatsliga A. Doch dann kam der Bruch, der sportliche Einbruch. Abstieg in die zweite Liga, 1959 dann Sturz in den Regionalfußball. Die Vorwärts mit ihrer stolzen Vergangenheit und ihren Titeln war in der lokalen Bedeutungslosigkeit verschwunden.

Rückwärts nimmer.

Als Erich Honecker ein trotziges „Vorwärts immer, rückwärts nimmer!“ in der Festansprache 40 Jahre DDR als vermeintliches Gründungsmotto zitierte, war es mit dem Arbeiter- und Bauernstaat schon vorbei. Auch bei Steyr waren es nicht Ochs noch Esel, die den Verein in seinem Lauf bremsten, sondern schlicht der schnöde Mammon. 1988 kehre man für einige Jahre in die höchste Liga zurück, stieg aber 1996 mit nur sechs Punkten und ohne auch nur ein gewonnenes Spiel wieder ab. Die erneute Rückkehr wurde teuer erkauft, der Konkurs mit schallender Ohrfeige, Lizenzentzug und beinahe Vereinsauflösung folgte 2000. Die Vorwärts begann, kleine Brötchen zu backen, sich zu konsolidieren und die Rückkehr aus der achten Spielklasse, der 2. Klasse Ost, anzugehen. Der Wiederaufstieg in die zweite Liga ist, wenn man die finanziellen Umstände betrachtet, als unglaublicher Erfolg zu werten, der Klassenerhalt – trotz roter Laterne durch Innsbrucks Misserfolg möglich – als Sensation. Diese Sensation würden die Steyrer gerne wiederholen, nicht zuletzt deshalb kam es zu einem veritablen Umbruch in der Mannschaft. Die Gründe für die Abgänge sind aber nicht nur im sportlichen, sondern vor allem auch im persönlichen Bereich zu suchen, wie das Beispiel Yusuf Efendioglu zeigt. Der Stürmer, der in der Regionalliga in 87 Spielen 65 Tore erzielen konnte und die Vorwärts mit 32 Treffern in 29 Partien zum Aufstieg schoss, musste zwei Tatsachen schmerzvoll anerkennen: der Leistungssprung zur zweiten Liga ist ein hoher – und als Halbprofi ist die Doppelbelastung kaum handelbar. Yusuf arbeitet im eigentlichen Brotberuf neben dem Fußballspiel als Maurer, und nach acht Stunden Bau im Training und den Spielen am Wochenende noch die volle körperliche Leistung abrufen zu können, um gegen Berufsspieler zu reüssieren, wird auf Dauer nicht durchführbar sein. Efendioglu ging deshalb, wie viele seiner Teamkollegen, einen Schritt zurück in den Amateurbereich, Vollprofikader findet man in Steyr deshalb aber doch keinen.

Völker, hört die Signale!

Naja, gleich die „Internationale“ auszurufen ist vielleicht etwas verfrüht, aber die Rot-Weißen beschränkten sich beim Blick nach Verstärkungen nicht auf Landesförderung oder Reisepass. Ein Deutscher findet sich wie auch ein Rumäne, Serbe, Spanier und Franko-Kongolese unter den Neuzugängen, die einen Kader mit einem Slowenen, Kroaten und Bosnier verstärken. Und nicht zuletzt steht nun auch ein Ex-Innsbrucker, Okan Yilmaz, in Diensten der Steyrer. Zwei Zugänge aus Lustenau, je einer von Horn, Wiener Neustadt und Wacker Innsbruck – die aktuelle Vorwärts ist wohl noch stärker einzuschätzen als jene, die das Jubiläumsspiel im April gegen die schwarz-grünen Fohlen mit nur 3:4 verlor, trotz 84 Minuten personeller Unterzahl. Von den damaligen Innsbruck-Spielern stehen mit Lukas Wedl, Alexander Joppich, Felix Bacher, Raphael Gallé, Thomas Kofler, Karim Conte, Markus Wallner, Ertugrul Yildrim, Alexander Gründler und Elvin Ibisimovic zehn Mann auch heute noch im Kader des FC Wacker. Sie müssten gewarnt sein. Und verfallen sicher nicht in die Überheblichkeit, die in Innsbruck schon einmal vorherrschte, als Frantisek Cipro 1998 uncharmant meinte „Wer in Steyr verliert, ist eine Lachnummer.“ Cipro verlor sein einziges Spiel in der Volksstraße mit 1:2…

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Autor: Stefan Weis

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