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Puh!

Sie schwappt über den großen Teich, die Marketing-Welle rund um den „All Hallows Eve“, den Abend vor Allerheiligen. Gruselig-niedliche Kinder und schrecklich-schaurige Kinder im Herzen ziehen durch die Häuserschluchten und spielen Süßes oder Saures, verkleidet als Hexe oder Zombie. Greta Thunberg geht als sie selbst und ängstigt damit Massen an Klima-Krisen-Verleugner. Und im Lavanttal verbreitet man gerade panische Furcht und Schrecken mit einem blütenweißen Wacker-Innsbruck-Trikot. Aber ob das auch im Ländle funktioniert…?

Night of the Living Dead

Wohl eher nicht. Die Lustenauer sind ja so etwas wie die lebenden Toten der zweiten Liga, die designierten Mitfavoriten auf den Meistertitel, die dich ständig enttäuschen. Auch in diesem Jahr zählen sie wieder zur kleinen Gruppe an möglichen Aufsteigern in die Bundesliga. Und auch in diesem Jahr haben sie mit der SV Ried und der Austria aus Klagenfurt wieder Gegner, die übermächtig scheinen. Aber es sind eigentlich nicht die Gegner, an denen man im Reichshof am Rhein scheitert, man ist es meist selbst. Das Potential war in Vorarlberg vorhanden, das Austria-Dorf versammelte die marketing-relevante Zielgruppe vor und nach dem Spiel. Der Gegner im eigenen Haus, der blaue FC, wurde kaltgestellt, Bregenz ausgebootet, Altach schien kein Konkurrent zu sein – und wurde, mit politischer und wirtschaftlicher Hilfe, dennoch zur Nummer eins. Auch, weil Lustenau trotz eines starken Kaders oft am eigenen System, am Druck, an der Gier nach Erfolg scheiterte. Das zeigt sich auch auf der Trainerbank. In den letzten fünf Jahren, seit Oktober 2014 und dem Abgang der letzten wirklichen Konstante Helgi Kolvidsson, der drei Jahre in Lustenau überlebte, saßen mit Posavec, Chabbi, Ernemann, Lipa, Ernemann Plassnegger, Kopf, Tiefenbach und Mählich, acht Trainer bei neun Wechseln auf der Bank. Selbst der Schleudersitz am Tivoli brachte mit Interimstrainer Klausner, Retter Schmidt, Interimstrainer Schrott, Missverständnis Jacobacci, Interimstrainer Grumser, Aufsteiger Daxbacher und dem aktuellen Coach Grumser nur fünf Trainer bei sechs Wechsel. Der Start in die Saison war bei der Austria nicht gerade nach Wunsch verlaufen, einmal mehr hatte sich Panik bei den Grün-Weißen breitgemacht. Zwar war man nach einem Derbysieg gegen Dornbirn, dem Remis gegen die große Konkurrenz Ried und einem 2:0 in Favoriten bei inferioren Jungveilchen für eine Runde auf dem begehrten Platz an der Sonne – Euphorie hatte sich aber noch keine breit gemacht. Zu Recht, wie man bald merkte.

The Return of the Living Dead

Zwischen Trainer Plassnegger und der Mannschaft schien der Draht nicht mehr vorhanden zu sein, der noch zuvor die Lustenauer aus der Bedeutungslosigkeit der zweiten Liga geholt hatte. Plassnegger hatte die Vorarlberger auf Rang neun übernommen, konsolidiert und im vergangenen Jahr auf den dritten Tabellenplatz geführt. Die Saison wurde mit einem 7:1-Kantersieg gegen Wacker II – in großen Teilen die aktuelle Kampfmannschaft – abgeschlossen, vom Gegner Simon Pirkl an den Rhein gelotst. Aber nach drei Runden des aktuellen Spieljahres war es vorbei mit dem Flow. Der GAK gewann im Reichshof, die oberösterreichischen Juniors schossen den Lustenauern in einem Spiel acht Tore, auch Floridsdorf entführte alle Punkte aus dem Ländle. Wie üblich gab es zunächst Beteuerungen, dann intensive Gespräche, man machte es sich nicht leicht, ortete aber Differenzen im sportlichen Bereich mit dem Sportdirektor – Plassnegger musste den Hut nehmen. Einvernehmlich, selbstverständlich. Und plötzlich kehrten die lebenden Toten zurück. Der aktuellen Übermannschaft Klagenfurt wurde ein Remis abgerungen, ein neuer Chefcoach gefunden – Roman Mählich. Seit der 48jährige Niederösterreicher die Zügel in der Hand hat, wurden sechs von sieben Pflichtspielen gewonnen und die Offensive reaktiviert. 18 Tore in sieben Spielen sind aller Ehren wert, sieben verschiedene Torschützen zeigen, dass man im Kader nicht nur auf den Topstürmer der Liga, Ronivaldo, angewiesen ist. Jenen Ronivaldo, der in 12 Ligaspielen 13 Tore vorweisen kann und auch vier vorbereitet hat. Eben jenen Ronivaldo, der ein wahrer Wacker-Spezialist ist. Denn in sieben Partien gegen die Schwarz-Grünen – Kampfmannschaft und Zweier – erzielte er fünf Tore, gab einen Assist. Untote sehen anders aus.

Zombie-Killer?

Aus Lustenau ist kein Team geworden, das sich vor dem Erfolg fürchtet, sondern eines, das Furcht verbreitet. Unter Mählich wurden Spiele gewonnen, wenn man in Führung ging. Spiele gewonnen, wenn man den Ausgleich kassierte. Spiele gewonnen, auch wenn man bereits zwei Tore im Rückstand lag und nur noch 25 Minuten zu spielen waren. Kein Team hat in dieser Saison mehr Treffer erzielt als die Grün-Weißen, 2,33 Tore pro Spiel im Schnitt zeigen die Gefährlichkeit. Man kann sich ganz schön schrecken gegen die Austria – muss man aber nicht. Denn ein Wert gibt Grund zur Hoffnung: Lustenau ist manchmal offen wie ein Scheunentor. Der Tabellendritte hat trotz 28 Toren nur ein knapp positives Torverhältnis von genau +1. Kein Team der Liga hat mehr Gegentreffer kassiert, nicht Schlusslicht Kapfenberg, nicht die Jungspunde aus Oberösterreich. Und auch in der Mählich-Tabelle zählt man mit +3 und 10 Gegentoren zu den anfälligsten Mannschaften der Liga. In Innsbruck weiß man, manchmal reicht ein einziges Tor, eine wirkliche Torchance, um ein Spiel gegen einen überlegenen Gegner zu gewinnen – wenn die eigene Defensive sauber und fehlerfrei arbeitet. In Kärnten fürchtet man sich immer noch, wenn das schwarz-grüne Wappen auftaucht. Puh!

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Autor: Stefan Weis

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