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Funka fliaga

Wenn sich grenznahe Schweizer, Deutsche und Liechtensteiner in Lustenau ein Stelldichein geben, wenn auch die unüberwindbar scheinende, gottgegebene Grenze des Arlbergs von Tirolern überwunden wird, wenn sich sogar Delegationen aus Norwegen und den Niederlanden zur Beobachtung ankündigen – dann hat das nichts mit Fußball zu tun. Kein Wunder, selbst österreichische Medien schienen das Duell der Zweiligisten um den Finaleinzug lange zu ignorieren. Dabei werden im Reichshof die Funken fliegen.

 

Feuer und Flamme

In Lustenau wird tiefgestapelt. Der klare Favorit des Semifinales bittet auf allen Kanälen um Unterstützung im Land, man fürchtet eine Wackere Dominanz (zumindest auf den Tribünen). Selbst der Landeshauptmann rückt aus, um den Grün-Weißen den Rücken zu stärken. Vor einem Jahr war das nicht nötig, da war aber auch nicht das runde Leder Thema in Lustenau, sondern ein wahres Herzensanliegen: dr Funka. Und was für ein Funken. Der größte der Welt, genau 60,646 Meter hoch. Da können sich die bonfires in England und die Slinningsbalet in Norwegen noch so gebärden. Am ersten Wochenende nach Aschermittwoch brennt Vorarlberg. Wenn es doch nur so für Fußball brennen würde… Das Land, das einst einen Bruno Pezzey hervorbrachte, den weltbesten Libero und ehemaligen Wacker-Innsbruck- und Eintracht-Frankfurt-Spieler, durfte sich bislang erst einmal über den Einzug in ein Finale freuen. In der gesamten Cup-Historie. Nicht, dass man nicht schon öfter die Möglichkeit gehabt hätte. 1965 mussten sich die Bregenzer im ersten Halbfinale auf Vorarlberger Boden Wr. Neustadt mit 0:1 beugen, 1968 dem GAK auswärts mit 0:2. 1970 hätte es beinahe ein wohl auch kaum besuchtes Finale gegen Wacker Innsbruck gegeben, doch in der Zeit vor Auswärts-Torregel und Elfmeterschießen brachten ein 2:2 daheim und ein 3:3 im Wiederholungsspiel auswärts die denkbar unfairste Entscheidung – das Los entschied zu Gunsten des Linzer ASK, die Schwarz-Grünen holten sich durch ein Tor von Buffy Ettmayer den ersten Titel. 1975 tauchte das Ländle nochmals im Halbfinale auf, diesmal als FC Vorarlberg, dem Fusionsprodukt von Rätia Bludenz, ein Jahr zuvor noch Heimat von Bruno Pezzey, und Schwarz-Weiß Bregenz. Sturm Graz setzte sich durch – um im Finale gegen Wacker Innsbruck zu verlieren. Dann wurde es einmal ruhig am Rhein. Bis eine kleine, wilde Horde aus dem größten Markt Österreichs aufmuckte. In den 90ern zweimal Viertelfinale, auch in den Nuller-Jahren, gelang der Lustenauer Austria 2011 die große Sensation. Als Zweitligist schummelte man sich über Austria Salzburg, Höchst, Grödig, Austria Wien und Austria Lustenau bis in das Endspiel. Dort unterlag man zwar der SV Ried, hatte aber unverwischbare Spuren in der Vorarlberger Fußballhistorie hinterlassen.

Funkenflug

Unauslöschbare Spuren hätte beinahe auch der Funken 2019 hinterlassen. Aus einem zum Weltrekord aufgeblasenen Feuerbrauch zum Frühlingsbeginn wäre beinahe eine Brandkatastrophe geworden. Wer hätte auch damit rechnen können, dass ein 60 Meter hohes Feuer im windanfälligen Rheintal zu Funkenflug führen, die thermische Sogwirkung brennende Holzsplitter 300 Meter aufwirbeln und Schäden an Dächern, Zeltplanen und Autos verursachen würde? Mit einer Sogwirkung der anderen Art hatte die Lustenauer Austria zu Beginn der Saison Erfahrung gesammelt. Nach langen Jahrzehnten in der zweiten Liga und dem ständigen Scheitern an der eigenen Erwartung, sich wieder für die Bundesliga zu qualifizieren, ging man 2019 eine Kooperation mit dem französischen Zweitligisten Clermont Foot 63 ein, der Schweizer Investor Ahmet Schaefer übernahm Anteile an der Lustenauer Fußball GmbH. Und brachte nicht nur Geld, sondern krempelte das ganze System um. Er bezeichnet seinen Einstieg auch nicht als Mäzenatentum, sondern als Geschäftsmodell, sei er ja nicht ins Ländle gekommen, um Geld zu verbrennen, sondern strategisch zu Investieren. Und das tat er, in dem er zunächst Geld ausgab und die Mannschaft von innen nach außen kehrte. Im Sommer gingen mit Patrick Salomon, Daniel Sobkova und vielen weiteren Spielern insgesamt 12 Kicker von Bord, ebenso viele kamen neu dazu, unter anderem aus Brasilien, den Amateuren der Frankfurter Eintracht, von Freiburg und Altach. Um dann im Winter nochmals nachzujustieren, auch wenn in dieser Saison das Ziel Aufstieg in weiter Ferne steht. So weit, dass die logische Konsequenz folgte: nach nur wenigen Runden musste Gernot Plassnegger seinen Trainerstuhl räumen und für Roman Mählich Platz machen. Seit der Steirer am Ruder steht, gab es im Cup drei Siege, in der Liga aber fünf Niederlagen bei sechs Siegen.

Brennen

Eine dieser Niederlagen ist vor dem Halbfinale besonders interessant. Der Underdog aus Innsbruck mit seiner jungen Truppe ging als 3:2-Sieger vom Platz. Eigentlich ein gutes Omen, wären da nicht die Comeback-Qualitäten der Lustenauer. Denn bis zur 71. Minute führte Wacker überlegen mit 3:0, um dann nach Toren von Brown und Ranacher doch noch ein wenig ins Zittern zu kommen. Alexander Ranacher, der junge Iseltaler, ist ein waschechter Tiroler im Kader. Tirol-Vergangenheit bringen aber noch weitere Ballesterer mit: Christian Schilling, Christoph Freitag und Patrik Eler kennen Wacker nur zu gut, auch Lukas Katnik hat als WSGler seine Erfahrungen mit Innsbruck. Sie alle werden brennen wie ein Funken, um den großen Traum des Finaleinzuges zu verwirklichen. Lustenau ist der große Favorit, ohne Frage. Das waren aber auch der GAK. Und der WAC. Und St. Pölten.

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Autor: Stefan Weis

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