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Wir holen schwarz-grüne Fans vor den Vorhang (6)

In unserer Serie, „Wir holen schwarz-grüne Fans vor den Vorhang“ scheint ein Highlight dem nächsten zu folgen. Da gibt es wirklich interessante Einsichten in die Welt unserer Fans. Normalerweise behält man sich das Beste bis zum Schluss auf. Aber wer weiß schon, was das Beste ist? Auf jeden Fall bieten wir heute einen sehr interessanten Einblick in ein Fansein, dass mitunter geprägt ist, von Vorurteilen, Mythen und sich nicht immer einer korrekten Berichterstattung gegenübersteht. Darum reden Leute aus der „Szene“ nicht gerne mit Medien. Mit uns hat Mike, der Vorsänger der Nord und somit quasi „die Stimmer der Kurve“ gesprochen.

Von Jenbach bis ins Herz der Nord

Als erstes habe ich Mike gefragt, wie sein Weg in die Fanszene war, was ihn daran fasziniert und wie seine Höhe- und Tiefpunkte aussehen. Lassen wir die „Stimme der Kurve“ das selbst erklären: „Diese zwei Fragen würde ich gerne zusammennehmen. Am Anfang steht immer der Fußball an sich und vor allem der Verein. Als „Dorfkind“ wächst man zu einem gewissen Teil sicher am Fußballplatz auf. In meinem Fall war es ein richtig alter, geschotterter Fußballplatz über den Dächern von Jenbach. Dort habe ich, und viele meiner Freunde die bis heute noch meine besten Freunde sind, jede freie Minute mit Fußball verbracht. Also nach der Schule nach Hause, vielleicht Hausaufgaben machen (oder eher nicht), und dann auf schnellstem Wege dorthin. Das waren für uns prägende Jahre, über die wir auch heute noch gerne sprechen. Verbunden hat uns auch in dieser Zeit schon eines: das gemeinsame „fan-sein“ vom FC Tirol. Das waren auch meine ersten Spiele am Tivoli. Mit meinem Vater hatte ich jahrelang ein Abo auf der Ost, durch ihn hab ich den Bezug zum Innsbrucker Fußball aufgebaut und viele beeindruckende Geschichten von Spielen im alten Tivoli gegen die „ganz großen“ wie Real Madrid oder Borussia Mönchengladbach gehört. Auch das ein oder andere alte Spiel haben wir daheim angeschaut, weil mein Vater es damals auf Videokassette selber aufgenommen hatte. Die letzten Meistertitel des FCT habe ich im Stadion auf der Ost verfolgt, war aber noch zu jung um nachher in der Innenstadt mit zu feiern. Nach dem Crash war erstmal einiges anders, in meinem damaligen Alter hat man das aber alles nicht so hinterfragt, wie man das wohl heute tun würde. Jedenfalls gingen wir von dort an halt zum FC Wacker und genoss die freie Platzwahl auf der Ost.“

„Ab da hab‘ ich dann angefangen, mich mit der Tivoli Nord zu beschäftigen. Zu dieser Zeit konnte man vor dem Spiel sowie in der Pause noch hinter den Tribünen rund ums Stadion gehen und das Spiel auch kurz von wo anders sehen. Mein Vater musste also immer mit mir zu den Ständen der Fanclubs gehen und die neuesten Aufkleber kaufen.
Die Fahnen, die Spruchbänder und Choreographien sowie der lautstarke Support kamen viel mehr zur Geltung und wurden immer interessanter. So verbrachte ich die meisten Spiele zwar noch auf der Ost, der Blick war aber immer mehr auf das Geschehen in der Kurve gerichtet und das Spiel am grünen Rasen nahm irgendwie an Bedeutung ab. Nach dem Aufstieg in die Bundesliga war man es ja eher gewohnt, dass Spiele gegen die großen Vereine der Liga verloren wurden und man tröstete sich, wenn wenigstens die Kurve ein gutes Bild abgab und lautstark gegen Rapid dagegenhalten konnte. Die Entwicklung in meinem Freundeskreis war ähnlich und so dauerte es dann nicht mehr lange, bis wir das erste Mal alleine mit dem Zug ein Heimspiel auf der Nord besuchten. Sicherheitshalber waren wir schon 4 Stunden vor Anpfiff beim Stadion, wir wollten ja nichts verpassen.“

Feuer und Flame

Von da an war es für Mike und seine Freunde normal, die Heimspiele alleine mit dem Zug zu besuchen und auch die erste Auswärtsfahrt mit einem der Fanclubbusse ließ nicht lange auf sich warten. „Da unser Freundeskreis in Jenbach aber noch bei keinem der damaligen Fanclubs war, organisierten wir uns in vielen Dingen selbst. So haben wir Wendejacken, Aufkleber usw. in Eigenregie gemacht und diese dann zu Spielen mitgenommen. Dadurch wurden auch Leute aus der Fanszene auf uns aufmerksam und wir wurden vermehrt angesprochen und so gelang dann der Sprung in die organisierte Fanszene und man wurde zu ersten Treffen vor den Spielen sowie Auswärtsfahrten eingeladen und durfte beim Erstellen von Choreographien und Spruchbändern helfen. Darauf fußt der Fanatismus, den ich bis heute verspüre und bei den Spielen von Wacker ausleben kann.“

„Meine Höhepunkte mit Wacker sind eng mit meinem Leben als aktiver Fan in einer Ultragruppe verknüpft. Natürlich feiert man die Tore und Siege, beim Aufstieg dauert die Party dann schon auch mal zwei Tage. Trotzdem war für mich das Gefühl, zum ersten Mal eine bengalische Fackel im Stadion zu entzünden oder eine Fahne, die man tagelang selber gemalt und genäht hat zu schwenken, in gewisser Weise noch einprägsamer. Genauso verhält es sich auch mit den Tiefschlägen. Der letzte Abstieg tat weh, der Ausverkauf der Mannschaft im Nachgang sowie die extremen finanziellen Nöte, samt Bangen um das Überleben des Vereins, ebenso. Nicht weniger schmerzte mich aber der Verlust der Zaunfahne von „I Furiosi“ gegen Linz oder der Moment, wenn man von Seiten der anderen Szene durch gekonnte Angriffe bloßgestellt wird. Zum Glück passieren uns in der Kurve solche Dinge seltener, als der Wacker in den letzten Jahren abgestiegen ist.“

Im zweiten Teil erzählt uns Mike mehr über die Fankultur und die Ultra-Bewegung.

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Autor: Rudolf Tilg

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