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300

Sie zogen nur in die Schlacht, wenn die Götter es gut hießen. Die Spartaner, für ihren besonnenen Kampfstil berühmt – wenn man nicht gerade die Bilder einer Comic-Verfilmung vor Augen hat – sie legten die Ruhe vor dem Einsatz ebenso an den Tag wie im Getümmel selbst. Würden sie heute leben, sie müssten nicht Rat bei den Göttern suchen und in Tieropfern die Zukunft lesen. Ärztliche Atteste entscheiden nun über den Einsatz, ein Ampelsystem gibt die Richtung vor. Und da kann es schon passieren, dass 300 nicht die Zahl der mutigen Kämpfer, sondern die maximal zugelassene Zuschauerzahl ist. Und die Ruhe im Stadion fast schon wieder so beängstigend wie damals am Schlachtfeld. Wobei… Was wäre da in Kapfenberg eigentlich der Unterschied zu früher…?

Dann werden wir im Schatten kämpfen

Nein, das wäre jetzt vermessen, den Steirern eine völlige Absenz des Publikums zu unterstellen. Aber, sagen wir es vorsichtig, sie dürften vom Ampelsystem und dessen Folgen doch etwas weniger betroffen sein. Wie allgemein die zweite Liga. Oder fast ganz Österreich. Ist im neuen Normal die Zuschauerzahl auf 10.000 limitiert, so fallen nur Rapid und Salzburg mit ihrem letztjährigen Zuschauerschnitt unter die Leidtragenden. Selbst bei Gelb – maximal 5000 Besucher, alles ohne Auswärtsfans – wären nur die „Big5“ zwischen Graz, Linz, Salzburg und Wien betroffen. Und Orange, mit seinen 500 Zuschauern, das scheint derzeit noch nicht denkbar. Und selbst dann würde man im Schatten kämpfen, wenn Verordnungen auf einen zuprasseln, man ist es gewohnt vom letzten halben Jahr. Wozu also die Aufregung? Vielleicht, weil sich niemand gerne beschränken lässt. Selbst wenn es mehr als nur überaus vernünftig ist. Da mutieren Kleinbürger zu Freiheitskämpfern und die Realverfilmung von „300“ zum Vorbild für postpubertäre Seitenscheitelträger. Wobei, 300, das könnte die neue Glückszahl für ein Zuschauerlotto in Liga 2 werden. Zu den Young Violets, die bereits in der letzten Saison diesen Schnitt mit 321 Besuchern erfüllten, und den Nachwuchsspielern des LASK und Salzburgs gesellen sich ja auch noch die Amateure von Rapid. Allesamt wohl keine Publikumsmagneten bei Auswärtsspielen, holen sie auch zu Hause kaum mehr als Eltern, Freunde und Manager hinterm Ofen hervor. Und weil Floridsdorf, Lafnitz und auch Kapfenberg im Schnitt nur dreistellig blieben, dabei aber von Derbys und den Gästefans lebten, die ja nun offiziell verboten sind, wird wohl der Schnitt nochmals dramatisch sinken, trotz höherer Zulassung. Dabei muss man nur kreativ sein. Herodot schrieb einst von über 5 Millionen Persern, die Griechenland zu überrennen suchten und denen sich 3100 Hopliten, darunter die 300 Spartaner, entgegenstellten. Man fühlt sich an die Zuschauerzählung eines Bundesligisten erinnert, der im leeren Stadionviereck einen Schnitt von 2768 fanatischen, echten Tirolern erkennen wollte. Motto: Wir Suchen Gemeinsam. Man lebt von der Legende, damals wie heute.

Molon labe

Der Legende nach soll König Leonidas bei der Schlacht bei den Thermopylen genau das gesagt haben. Molon labe – komm, hol sie dir. Er meinte die Waffen, die er hätte niederlegen sollen. Kapfenberg wird ähnlich störrisch im Fekete-Stadion stehen und den Innsbruckern ein trotziges „Holt sie euch doch!“ entgegenwerfen. Und wird die Punkte meinen. Seit 2017, in den letzten sieben Partien, gelang dies Wacker nur ein einziges Mal, im letzten Aufeinandertreffen durch einen Last-Minute-Treffer des Steirers Meusburger mit einem knappen 3:2. Davor setzte es drei Niederlagen und drei Remis. Gegen Kapfenberg. Das Team, das im vergangenen Jahr auf Rang 16 die Saison beschloss. Das in den vergangenen vier Jahren drei Mal mit einem negativen Torverhältnis abschloss. Das in diesen vier Jahren auch einen Punkteschnitt von 1,09 pro Spiel aufweist. Fast würde man wie Perserkönig Xerxes das Lächeln nicht unterdrücken können, als er den kleinen Haufen Griechen vor sich sah. Die Statistik macht Kapfenberg nicht wirklich zu einem Gegner – wären denn eben nicht die letzten direkten Duelle gewesen. Auch, wenn Abdulah Ibrakovic, der Trainer der Falken, kein Leonidas ist, der Kampf wird härter werden als erwünscht. Denn in Kapfenberg wurden die Lücken der Phalanx aufgefüllt, fast als hätte man das Gedicht von Thomas Babington Macaulay im Kopf: „But those behind cried ‚Forward!‘, and those before cried ‚Back!‘.“ Man ist zusammengerückt bei den Steirern, hat die Mannschaft verjüngt und die zweite und dritte Mannschaft beinahe geplündert. Drei Leihen von Sturm Graz dazu, Mittelfeldspieler aus der bosnischen und slowenischen Liga – Kapfenberg hat sich neu erfunden und ist ein bisschen schwer einzuschätzen. Für USK Anif hat es jedenfalls in der ersten Cup-Runde gereicht. Die Rothemden, die im vergangenen Jahr jeweils nur knapp gegen Schwaz und Marchfeld weitergekommen sind, haben gegen die Salzburg in 45 Minuten gleich fünf Mal eingenetzt. Dreimal Marvin Hernaus, einmal Dino Musija, einmal Paul Mensah. Da konnte man sich in Halbzeit zwei zurücklehnen.

Komm mit deinem Schild zurück oder auf ihm

Ein Zurücklehnen wird es für Innsbruck nicht geben. Eher einen harten Kampf. Oder, wie die Spartaner meinten: Komm mit deinem Schild zurück. Oder auf ihm. Sieg – oder komplette Aufopferung. Ein bisschen martialisch, ja, aber nach einer so langen Fußballpause darf man das doch sein.

P.S.: Der 300ste Artikel auf tivoli12. Na bumm. Auch ich hätte nicht gedacht, dass aus einem Text über ein versperrtes Tor in der Wiesengasse beim Damen-Match mal ein Dauerengagement wird. Vielen Dank für’s Lesen. Und Entschuldigung an alle, die es lesen müssen… 😉

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Autor: Stefan Weis

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