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Pilzragout

Sie wachsen im Verborgenen, umgeben von Hightech und beinahe schon industrialisiert… Hoppala, falscher Beitrag, das war jetzt der Anfang des Berichts über die Champignon-Zucht in Europas modernster Anlage. Nicht der über die Jungfußballer der Salzburger. Sind aber auch schwer auseinanderzuhalten, die Aufzuchtverfahren der beiden Industrieriesen aus Lebensmittelproduktion und Fußballakademie, wie jener in Liefering. Ein Gegner ohne Charisma, aber mit viel Talent.

 

Turbozucht

Gut, es ist jetzt nicht wirklich Stroh, Pferdemist, Hähnchenmist und Gips, was die Grundlage für Salzburger Jungbullen darstellt. Sondern ein ordentlicher Batzen Talent, ausgeklügelte Trainingsverfahren und sportmedizinischer Hightech. Aber manches hat die Turbozucht gemein. Etwa, dass die Grundlage nicht vor Ort produziert wird, sondern zugekauft, geholt, angeliefert. Liefering spielt in dieser Saison mit einem bunten Kader von Rohdiamanten aus Österreich – ja, wirklich, und diesmal mit 12 Kickern nicht zu wenig – Tschechien, Brasilien, Schweiz, Bosnien, Kroatien, Serbien, Slowenien, Mali, Dänemark und Deutschland. Auf den Österreichertopf, die finanzielle Grundlage so vieler Vereine, muss man da nicht schaun, Geld fließt vom Mutterkonzern wie Milch aus dem heimischen Euter. Genug da für die kleinen Kälbchen. Und unter diesen, mit dem AMA-Schriftzug versehenen Ohrmarkenträgern finden sich Namen, die fälschlich Erinnerungen an wunderbare Tore und unzählige versemmelte Chancen in Schwarz-Grün wachrufen, wie etwa Wallner, Dedic und Orosz. Sondern auch im tirolerischen Ohr verdächtig klingende Namen. Schiestl etwa. Thomas Schiestl, in der Jugend von Jenbach und Schwaz großgeworden, in der Akademie Tirol ausgebildet, um dann nach Salzburg zu wechseln. Der neue Weg der Tiroler Talente. Schiestl, seit Juli im aktiven Kader, kann schon auf fünf Kurzeinsätze in der zweiten Liga zurückschauen. Und, wie für Liefering nicht anders zu erwarten, fünf Siege, drei davon sogar zu null. Sogar vier Minuten gegen Liverpool in der Youth-League stehen schon am Datenblatt, das ist schon etwas Besonderes für einen 18jährigen Mittelfeldspieler aus dem Unterland, der ansonsten wohl eher nur Hall, Imst und Wörgl am Spielplan hätte. Zugekauft wächst halt schneller, da mischt man dann gerne auch Salzburger Talente mit solchen von Rapid, dem Sportklub, der Vienna, dem Lask, Ungarns Debrecen oder dem GAK. Die Mischung machts.

Schwammerlklauben

Im Vergleich dazu wirkt der Tiroler Kader schon fast wie fröhliches Schwammerlklauben im heimischen Wald. Man kennt seine geheimen, seit Generationen überlieferten Plätze, wo es denn etwas zu finden gibt, greift manchmal auf neuentdeckte Fundstätten zurück. Aber alles lokal, aus den Bergen und Wäldern der Umgebung. Aus Forest Cities, sozusagen, Spieler, die in Wäldern leben. Gott sei Dank ohne explodierende Bäume, so können sie ihr Talent unbeschadet bei Wacker weiterentwickeln. Es stimmt schon, manch einer hat sein Glück auch schon auswärts gesucht, und es war meist auch ein Glück für Innsbruck, das durch den Wechsel der Talente in die Salzburger Schmiede durchaus notwendiges Kleingeld erhalten hat, wie etwa bei Rami Tekir. Aber auch Alexander Joppich schnupperte schon die Luft im Vorort am Glankanal, Markus Wallner wurde im Umfeld bei Grödig und Anif groß. Und manchmal wirft die industrielle Talenteherstellung auch Spieler aus dem System, die sich anderswo zu Glücksgriff erweisen. Wackers Neuzugang Denizcan Cosgun könnte so ein Ballesterer sein. Der offensive Mittelfeldspieler, erst 18 Jahre alt, schloss sich schon als 10jähriger den Jungbullen an, durchlief die gesamten Jahrgänge bis zur U18 der Salzburger Akademie – um dann aus dem System aussortiert zu werden. Bislang hat er es noch nicht in den Profi-Kader des FCW geschafft, aber er ist schon knapp dran. Kleine Schwammerln sind bei Verpflanzungen sehr sensibel, die brauchen meist ihre Zeit.

Ragout

Am Freitag geht es also gegeneinander, Turbopilze aus industrieller Zucht gegen liebevoll geklaubte Schwammerln aus der Region. Tabellenerster mit Punktemaximum und sieben erzielten Treffern bei fünf Torschützen gegen ungeschlagenen Zweiten ohne auch nur einen einzigen Gegentreffer. Wer hier wen einkochen wird, ist noch nicht klar. Aber zu einem pikanten Schwammerlragout passt halt doch besser ein Tirolerknödel als Salzburger Nockerl…

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Autor: Stefan Weis

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