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Hit the road, Jack!

Manchmal kommt einem die Bundesregierung zuvor. Geisterspiel. Wenn am Dienstag Wacker Innsbruck in Liebenau aufläuft, wird Jack nicht viel zu tun haben. Hätte er vielleicht auch nicht ohne die einschränkende Verordnung aus Wien, wenn man die Aussendung des Kollektiv1909 ernst nimmt: „Weiters empfehlen wir euch, zu überdenken, ob ihr unter den gegebenen Umständen weiterhin ins Stadion gehen wollt oder ob es nicht besser wäre, darauf zu verzichten…“ Na bumm.

 

I’d have to pack my things and go

In der Steiermark brodelts. Wegen Jack. Wegen seiner App. Wegen seines Hungers, seiner vermeintlich unstillbaren Gier nach Daten. Und irgendwie ist es schön, wenn es brodelt. In einer Zeit, in der Gewinnspiele fast nur noch über Facebook und Instagram abgehalten werden, man eine schnelle Kickerei über Whatsapp verabredet, man ungesehen die Häkchen seines Android bestätigt und die Kinderfotos am Handy – sicher ist sicher – mal schnell in der Cloud speichert und zum schnelleren Finden gleich automatisch benennt, ist das schon fast Balsam auf die Seele. In einer Zeit, in der mehr Cookies am PC picken als Oma mit den Enkerln in der Vorweihnachtszeit backen kann, in der jeder noch so kleine Datenstrom einen Umweg über Menlo Park, Mountain View oder Guizhou macht, ist es aber vielleicht auch nur ein Feigenblatt, ein Auflehnen gegen das Unausweichliche. Oder ein erster Schritt.

Aber wer ist denn dieser Jack eigentlich? Jack, das ist IDJack, eine App, die jeden Stadionbesucher in Graz erfasst. Erfassen muss, so sagt der Sturm-Vorstand. Denn die Steiermark sei deutlich strenger als alle anderen Bundesländer. Wenn Rapid und die Austria, LASK und Ried, wenn irgendein Bundesliga-Club ein Spiel abhält, dann wird er nicht so strengen Auflagen unterworfen wie die Schwoazen. Ok, also namentliche Registrierung, kennen wir vom Kaffee-Trinken, dem letzten Konzert oder den so seltenen Vernissagen in dieser kulturarmen Zeit oder dem Besuch eines unterklassigen Amateurspiels. Was ist das Problem? Das Problem ist die Gier von Jack. Wer sich vorab anmelden, erstregistrieren will, der muss einen gültigen Lichtbildausweis einscannen und übermitteln, welcher auch noch verspeichert wird. Nicht von Sturm selbst, sondern von einem Drittanbieter. Ein Vorstandsmitglied hat die App IDJack der Firma TeilZwei kostenlos zur Verfügung gestellt, eine App, die auch von anderen Veranstaltern genutzt wird. Also eigentlich hauptsächlich von ein paar Lokalen. Zwei dieser Lokale, große Nachtclubs, nützen sie im Zuge der Aktion „Sicheres Nachtleben“. Fun-Fact: Besitzer dieser Lokale ist Sturm-Vorstand Nusshold. Der auch an der Programmier-Firma beteiligt ist. Langsam versteht man die innere Unruhe der Sturm-Fans und ihren Wunsch, das Stadion zu verlassen.

Don’t treat me so mean

Die Aufregung hat Kreise gezogen. Offene Aussendungen, Androhungen eines Stadion-Boykotts (dem der Lock-Down zuvorkam), sogar ein schöner Artikel im Ballesterer, alles andere als positives Marketing für Sturm. Dabei bietet diese App doch so viele Möglichkeiten. Mehr, als der Entwickler und Gründer der Software-Firma meint, mehr als „Packet für sichere Zutrittsverwaltung und smarte Kommunikation“. Nussbaum, der User, träumt weiter, die App könnte sich zu einem Marketingtool entwickeln. Schwierig halt, wenn man gleichzeitig den Datenschutz von knapp 150.000 Menschen garantieren will, die sich schon in dieser App registriert haben. Darauf haben die Sturm-Fans keine Lust. Also nicht, wenn es um ihr Stadion-Erlebnis geht, denn dass unter den bislang schon erfassten Nachtschwärmern keine Schwoazen sind, ist wohl nicht anzunehmen. Und was machen eigentlich die anderen Steirer? Dem GAK wurde die App auch angeboten, aber „es kann mehr, als es muss“ – eine klare Aussage. Die Hartberger, Liga-Konkurrenten des SK Sturm, schreiben bloß von einer Registrierung. Und wenn für die verschärfenden Wiener und Tiroler Landesgesetze zur Gastro-Registrierung und die Auslegung der nah am Wiener Puls arbeitenden Wirtschaftskammer ein Zettel mit Telefonnummer oder Mail reicht, dann könnte man doch auch annehmen, dass das im Stadion nicht ganz falsch ist. Aber die Steiermark ist strenger, sagt Sturm. Doch nicht ganz so streng, dass man nicht doch Kompromisse eingeht. Vielleicht ist die App nach Corona nicht mehr verpflichtend – heißt aber, vielleicht bleibt sie. Foto und Lichtbildausweis sind auch nur noch optional, also die Verspeicherung derselben. Und wer es schon abgegeben hat, weil sein Herz für die Schwarz-Weißen schlägt, der kann es ja von den Servern der Teilzwei Betriebs GmbH löschen lassen. Überhaupt, alle privaten Daten, die man bislang abgegeben hat. Die der Verein aber eigentlich eh hat, wenn er dir auf Facebook folgt oder du Mitglied bist. Trotzdem, es hat ein Gschmäckle, wie man als Sturm Graz seine Kunden, seine Anhänger, seine Freunde behandelt hat. Und nicht zuletzt, wie man alle Gäste des Hauses behandelt, die ein-, zweimal im Jahr auf Besuch kommen.

I’ll be back on my feet some day

Ach ja, Fußball gespielt wird auch noch, nicht nur verwaltet und gewirtschaftet. Und wie. Im Cup radierte man in der ersten Runde den ältesten Fußballclub Westösterreichs, die Nachfolger von Fußball Innsbruck, den SVI vom Platz. 8:0, ein Schützenfest der Grausamkeit, nach 34 Minuten bereits fünfmal getroffen und dann locker ausgelaufen. Hohenems wurde ebenfalls besiegt, in der Liga mit drei Remis gestartet, Abstiegskandidaten Altach und Ried gebogen, und nach einer verkraftbaren Niederlage gegen den LASK sogar Salzburg besiegt. Sturm ist in dieser Saison wettbewerbsübergreifend mit nur einer Niederlage eine der vier besten Mannschaften Österreichs. Was für ein Wandel, wenn man sich das Ende der vergangenen Saison vor Augen führt. In den letzten elf Runden gingen die Schwoazen zehnmal als Verlierer vom Platz, waren im oberen Playoff völlig fehl am Platz. Die viel gescholtene Christian Ilzer hat den Grazern zumindest eines beigebracht: die Vergangenheit zu vergessen und wieder selbstbewusst in ein Spiel zu gehen. Sie sind wieder zurück auf ihren Füßen.

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Autor: Stefan Weis

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