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Unglaublicher Wacker – noch unglaublichere Emotionen

Dass es mitunter nicht einfach ist ein Schwarz-Grüner zu sein, haben die Fans des FCW in den letzten Jahrzehnten gelernt. Kontroverse Diskussionen waren und sind an der Tagesordnung. Das liegt an der DNA des Fußballs. Darüber und über so manchen Frust und die Emotionen von Fans erzählt dieser Fanview. Aber auch darüber, dass immer, wenn es drauf angekommen ist, unsere Fans wie eine Wand hinter ihrem Verein gestanden haben und auch in Zukunft stehen werden.

 

Verständnis

Große Erwartungen, durchwachsene Leistungen, so könnte man den FC Wacker Innsbruck in dieser Saison beschreiben. Klar, dass da Diskussionen aufkommen. Der eine kritisiert den Trainer, der andere die Mannschaft. So mancher schießt dabei über das Ziel hinaus. Besonders in den sozialen Medien. Dass sich da der ein oder andere Gedanken macht, was das bringen soll, kann man verstehen. Vor eineinhalb Jahren wurden aufgrund der prekären finanziellen Situation ALLE Vereinsmitarbeiter gekündigt. Nach dem Abstieg 2019 und dem Teilrückzug einiger Sponsoren, wusste niemand wie es weitergeht. Dass dies keine einfache Situation für uns ALLE gewesen ist, kann man sehr gut verstehen! Nun hat sich dies nach dem Einstieg des finanzstarken Partners grundsätzlich geändert. Ein Kader wurde zusammengestellt, der nominell in dieser Liga nicht nur ganz vorne mitspielen sollte, ja mehr noch, auch ganz vorne klassiert sein sollte.
Mit dem aktuell siebten Tabellenrang in der zweiten Liga ist nun wirklich niemand glücklich. Angefangen von den Verantwortlichen im Verein, über die Mannschaft selbst bis hin zu den Anhängern der Schwarz-Grünen. Natürlich kommt da Kritik an der Mannschaft und der sportlichen Führung auf. Mitunter schwingt dann auch Kritik an den Kritikern mit. Man möge doch Geduld aufbringen. Stimmt, aber kann man in unserem Fall nicht auch die Ungeduld der Fans verstehen?

Ein Blick zurück

Es wurde rund um den Tiroler Traditionsverein immer sehr viel versprochen und leider noch viel weniger gehalten. Nach dem Konkurs ist unser FC Wacker Innsbruck bis heute nie besser platziert gewesen, als der sechste Tabellenplatz in der Bundesliga (2006 und 2010). Ansonsten wurde in all diesen Jahren um den Klassenerhalt gerittert oder man wurde wegen Konkurs oder Punkteabzug der Konkurrenz gerettet oder ist abgestiegen. Lange vorbei sind die Zeiten der regelmäßigen UEFA-Cup-Teilnahmen und Titelgewinne. Selbst in der zweiten Liga hatte man immer wieder zu kämpfen. Oft blieb man hinter den Erwartungen zurück, bis man dann doch wieder den Aufstieg schaffte. Ganz klar, das ist Vergangenheit und man soll in die Zukunft schauen. Aber kann man als Fan denn vergessen, dass es viele Jahre gab, wo man nach 36 Runden nicht mal eine Handvoll Siege zu verbuchen hatte? Nicht wenige unserer Anhänger waren da an Spieltagen in Mattersburg, Wr. Neustadt in Graz oder später in Hartberg oder im Waldviertel anzutreffen. Über 30 Spiele pro Saison. Durchschnittsfahrzeit in Bussen mindesten 12 Stunden. Oft war man bis zu vier Stunden unterwegs, bis man überhaupt aus Tirol draußen war. Zurückgelassen wurde niemand. Da wurde eher eine Verspätung in Kauf genommen. Einige haben sogar perfekte Saisonen auf dem Buckel, sprich man war bei allen Liga- und Cupspielen vor Ort. Man war in der tiefsten Fußballprovinz in Sollenau, St. Margareten, bei den Wiener Linien bei Wolkenbruch ohne Dach, Mannsdorf etc. Orte, die so mancher nicht mal auf der Landkarte findet. Nicht wenige haben ihr letztes Geld geopfert und seeehr viel Zeit. Dafür spielte Wacker sehr selten unter 100 mitgereister und ortsansässigen Fans in der Fremde. Es gibt in Österreich nur eine handvoll Vereine, die sich auf eine ähnlich treue Fanunterstützung verlassen dürfen.

Nicht selten ging es in den letzten Jahren um die Existenz des Vereins. Ich habe Frauen und Männer gesehen, die geweint haben und aufgrund der Situation nicht mehr schlafen konnten. Während für so manchen Schwarz-Grünen Fan eine Welt zusammengebrochen ist, wurden Spieler unseres Vereins lachend und feiernd im Hofgartencafe angetroffen. Zum Teil mit mehr Bewegung, als Stunden zuvor während ihrer „Berufsausübung“. Vieles sitzt da tief und kommt in gewissen Situationen immer wieder hoch…

Wie eine Wand

Aber wenn es darauf angekommen ist, sind unsere Fans wie eine Wand aus Stahlbeton hinter ihren Verein gestanden. Das war nach dem Neustart 2002 so, wo eine extrem junge und engagierte Mannschaft zum Durchmarsch von der RLW in die Bundesliga getragen wurde. In Pasching 2010, wo über 4000 mitgereiste Fans den neuerlichen Aufstieg in die Bundesliga gefeiert haben. Das war 2012 so, als ich selber zusammen mit der Fanszene nach einem ungerechtfertigten Spielabbruch mit der entsprechenden Strafe an die 14.000 Euro für die Tilgung eben dieser gesammelt haben. Bei minus fünf Grad und einem Spiel gegen die Admira zu Ende der Herbstsaison. Unglaubliche Solitarität habe ich da erlebt.
Und beim Wunder von Wolfsberg kann ich die Szenen auf der Tribüne mit Worten nicht beschreiben. Ein Sieg musste her um den Klassenerhalt zu schaffen um überhaupt überleben zu können. Nach dem 0:2 sind alle Dämme gebrochen. Da habe ich sehr viele Tränen der Verzweiflung gesehen. Sogar von Vorstandsmitgliedern. 1500 Schwarz-Grüne auf der Auswärtstribüne gaben trotzdem Gas und feuerten ihre Mannschaft schließlich zum Sieg und zum Wunder nach vorne. So etwas erlebt oft ein Verein in 100 Jahren nicht.
Auch als es um den Klassenerhalt in der 2. Liga 2016 gegangen ist, war es nicht anders. In nicht einmal einem Tag war das Stadion ausverkauft (verschenkt) eine unglaubliche Atmosphäre mit gutem Ausgang für uns!
Und nach dem bitteren Abstieg 2019 gab es eine einzigartige Aktion in Österreich. Beim „Spiel gegen die Zeit“ haben die Fans einmal mehr gezeigt, wie wichtig ihnen der FCW ist. Kaum vorstellbar, dass der FC Wacker Innsbruck ohne die sechstellige Finanzhilfe seiner Fans diese Saison hätte beenden können. Da gab es sensationelle Aktionen von Einzelpersonen und Gruppen. Etwa mit der Gruppe „wir Schwarzgrünen“ habe ich selbst zusammen mit meinem Freund Michael Stern einiges zusammengebracht.

Stolz sein und in die Zukunft blicken

Bayern- Barcelona- oder Juve-Fan sein ist relativ einfach. Bei uns ist das schon etwas schwieriger. Aber was geschieht, was abläuft, was trotz aller Unserien abgelaufen ist, das ist alles andere als selbstverständlich und fast schon einzigartig! So hart und schwierig die letzte Saison auch für den Verein war, sie hatte für uns Fans auch schöne Seiten. Durch den Abstieg und dessen Folgen entstand ein unglaubliches WIR-Gefühl. Unsere Mannschaft hat ein Transparent und Shirts mit der Aufschrift „Wir für euch und ihr für uns“ gedruckt. Es haben sich in einer der schwierigsten Zeiten des FCW neue Fanclubs gegründet. Nach dem sensationellen Cup-Halbfinaleinzug in St. Pölten habe ich unfassbare Emotionen miterlebt.

Auf all das können wir wirklich stolz sein und darauf, dass wir Fans und Mitglieder in ganz Österreich und weit darüber hinaus haben. Diskussionen, Frust und Begeisterung liegen im Erbgut des Fußballs. Das ist überall so, das war immer so und wird auch immer so sein. Jene, die sich in sozialen Medien derart unter der Gürtellinie bewegen, sind gar keine Fans, sondern geben nur ihren Senf dazu, wenn es nicht läuft. Allerdings ist auch das gut, denn erst wenn über das Geschehen eines Vereins nicht mehr diskutiert wird, ist er kaputt!
In meinen 46 Jahren, in denen ich den Tiroler Traditionsverein inzwischen verfolge, konnte man noch nie wirklich unbesorgt in die Zukunft blicken. Nicht mal in der Ära von Swarovski. Da wurde nur in die Profimannschaft investiert aber Nachhaltiges wurde nicht geschaffen. Jetzt diskutieren wir über Trainingszentren und über Pläne rund um das Tivoli, die dank unserers neuen Partners alles andere als Luftschlösser sind. Doch das ändert aber nichts daran, dass über das Tagesgeschehen kontrovers diskutiert wird. Zumal man aktuell wohl sämtlichen Erwartungen weit hinterherhinkt. Das ist das hier und jetzt. Das ist was uns alle gerade bewegt. Alles andere ist die Zukunft. Dass wir das aber noch immer können und dürfen ist den Vereinsverantwortlichen der letzten Jahre zu verdanken. Aber auch unseren Fans ist zu danken, dass der Verein trotz einer viel zu langen Durststrecke derart lebt. Der FUSSBALL lebt durch seine Fans!

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Autor: Rudolf Tilg

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