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Judica me, Deus

Sonntag wieder einmal, zur besten Messzeit. Während die Ministranten das violette Gewand zurechtrichten, streift sich die einzig nicht-violette Austria ihr grünes Trikot über. Grün, die Farbe der Hoffnung, Hoffnung auf Veränderung, Hoffnung auf Besserung. Und Hoffnung darauf, nicht zu streng gerichtet zu werden…

 

Was bist du bedrückt, meine Seele?

Alles hat eine Zeit. Und alles hat einen Namen. Auch der fünfte Fastensonntag: Judica. Nach den ersten Worten des Eröffnungsverses der jeweiligen Messe, diesmal: Richte mich, o Gott! Oder: Verschaff mir Recht! Dabei durfte man in Lustenau ganz schön froh sein, dass nicht alles ganz gerecht ausgeht. Dass Fußball das wunderbare Spiel ist, in dem nicht die Dauer des Spiels das bessere Team zum Siege kürt. Beim letzten Aufeinandertreffen, dem Spiel in Runde vier am Innsbrucker Tivoli, war es nämlich beinahe Einbahnfußball, der gespielt wurde. 67% Ballbesitz für die Ballesterer in Schwarz-Grün, sechs zu zwei Schüsse aufs Tor, 13 zu zwei Eckbälle und sogar 30 Minuten in numerischer Überlegenheit – die Innsbrucker Seele blieb jedoch bedrückt, ein torloses Remis war alles, was man mitnehmen konnte. Ronivaldo, als Torgarantie geholt, wollte, konnte gegen seinen ehemaligen Verein nicht treffen, auch er stand bedrückt am Feld nach all den vergebenen Chancen. Wenn er gewusst hätte, was noch alles auf ihn zukommt in dieser Saison. Wenn wir alle es gewusst hätten. Das Spiel am Dienstag, dem 29. September, war das letzte, an dem mehr als 1000 Zuschauer teilnehmen konnten. Ein paar Spiele noch durften noch die treuesten im Stadion Platz nehmen, dann war es ganz vorbei mit Publikum. Wacker stürzte in Folge bis auf Platz 12 ab und durfte erst in Runde sieben den zweiten Saisonsieg feiern. Noch schlimmer traf es Lustenau: Tabellenrang 15, auch in der besten Phase nie besser als Siebter, von den letzten acht Spielen sechs verloren. Von der Aufbruchsstimmung vor eineinhalb Jahren, als man Kooperationspartner und Investor im Ländle präsentierte, ist nicht viel geblieben. Warum hast du mich verstoßen?

Was ächzt du in mir?

Es blieb nicht bei sportlichen Niederlagen. Persönliche Verluste wie der Tod des „Rasadoktars“ Viktor Karnitschnig, der ab der Jugend 16 Saisonen das Lustenauer Grün am Feld trug und im letzten Jahrzehnt auch für den grünen Rasen sorgte, relativierten den ausbleibenden Erfolg. Warum muss ich trauernd umhergehn? Das Austria-Herz ächzte – und verschwand schon fast symbolisch von der Brust der Spieler. Lief man im Herbst noch mit dem Logo eines Bio-Waschmittel-Herstellers auf, übernahm diesen Platz jetzt der treue Partner Mohren-Bräu. Wer Medien, wer Investoren und ihre Ungeduld beim Erfüllen von Zielen kennt, der weiß, was jetzt kommen musste. Der Goleador, der in 32 Pflichtspielen 31 Tore und sechs Assists fabrizierte, vor der Saison zum Ligakonkurrenten gewechselt. Zum Start in die neue Spielzeit Kicker aus ungarischen, belgischen, deutschen und französischen Ligen geholt. Auf den Österreicher-Topf verzichtet, um sieben Legionäre am Spielbericht stehen zu haben. Und dann diese Ergebnisse bei einem Verein, der um die Lizenz für die höchste Spielklasse ansucht. Das Donnerwetter war vorprogrammiert – Rette mich vor den bösen und tückischen Menschen! Aber es geschah nichts… Es wurde kein Trainer gefeuert. Es wurde nicht nachinvestiert – ein einziger Neuzugang, ein 22jähriger Eigenbauspieler des VfB Hohenems. Eine ruhige Jahreshauptversammlung ging mit der Nachricht eines buchhalterischen Gewinns von € 59.400,- zu Ende. Und in Lustenau wird weiter Fußball gespielt, weiter entwickelt.

Sende dein Licht!

Unverständlich in der Sprache, unverständlich im Handeln. Zumindest für Tiroler. Diese unerwartete Ruhe, die ein planbares Handeln erleichtert, muss Teil der alemannischen Mentalität sein, die man den Menschen am anderen Fuß des Arlbergs nachsagt. Die auch dazu führt, dass im Ländle die Cafés öffnen. Dass man in Vorarlberg am Sonntag zur Lustenauer Austria gehen darf. Zwar nur 100 Zuschauer, und nur Dauerkartenbesitzer, aber immerhin. Es ist wohl ein tiefer Glaube, dass nach jeder Passion eine Auferstehung folgt. Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken.

Bild: Pfarrkirche St. Peter und Paul, Lustenau

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Autor: Stefan Weis

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