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Wir holen schwarz-grüne Fans vor den Vorhang (12)

In Zeiten wie diesen muss man die Motivation hochhalten. Wir haben ja aufgerufen, uns eure Momente in Schwarz-Grün mitzuteilen. Gemeinsam in Erinnerungen zu schwelgen und sich warm zu halten, für den hoffentlich baldigen Return vom Lockdown im Fußball. Nach Martin S. und vielen anderen Wegbegleitern, will ich euch meine “ Triumphe – Tore – Tränen“ (Untertitel des Buches von Walther Prüller: Die Wacker Story) nicht vorenthalten.

 

Fast ein Leben lang

Mein erstes Spiel am Tivoli war am 25. Mai 1975 das Mitropacupfinale (Vorgänger UEFA CUP) gegen Honved Budapest. Der 3:1-Erfolg in diesem Finale war es, der mich gepackt hat. 10.000 Leute auf einen Haufen hatte ich bis dahin noch nie gesehen. Das war die damalige Einwohnerzahl meiner Heimatstadt Schwaz. Wacker schaugn war was richtig tolles. Meister, Cupsiege, Europacuperfolge. Aber wer denkt, ich ging da wegen dem Erfolg hin, der irrt sich gewaltig! Wacker hat Spaß gemacht. Tabelle, wo waren wir da? Hmm… darauf habe ich selten geschaut. Plötzlich waren wir abgestiegen… und waren gleichzeitig im Europacup als Cupsieger.
Höhepunkt der 2. Liga war damals das Stadtderby gegen Raika Innsbruck. Im „Auswärtsspiel“ am Tivoli kamen sogar mehr Zuschauer als in der gesamten Bundesliga zusammen. Nur, die Heimmannschaft hat da keine Sau interessiert. Schon damals galt: in Tirol nur der FCW!

Identitätsverlust

Ab 1986 konnte ich meinen Wacker nur mehr auf einer schmalen Spalte in den Medien verfolgen. Name, Wappen und Farben wurden geändert und Wacker Innsbruck spielte im Amateurbereich weiter und sollte später als Farmteam für das Bundesligateam dienen. Oh Graus. Ein Tiefpunkt! Aber ansonsten, so hat man uns weiß gemacht, wäre es nicht weitergegangen. Für uns war der damalige blau-weiße FC Swarovski aber immer noch der Wacker am Tivoli. Anders wurde er auch vom etablierten Publikum nie genannt. Die Europacuperfolge waren toll. Einzigartig war die Atmosphäre gegen Spartak Moskau. Da brannten 19.000 Wunderkerzen kurz vor Weihnachten. Ein toller 2:0 Heimsieg hatte das Tivoli zum beben gebracht und sogar den Fußballkaiser Franz Bekenbauer beeindruckt. In der nächsten Runde ging es gegen den AC Torino, wo nach einem 0:0 in Turin und einer 2:1-Führung am Tivoli, Teufelskerl Tomislav Ivkovic in der 93 Minute dem allein auf ihn zustürmenden Italiener den Ball gerade noch mit seinem Knie wegspitzelte. Auf der Tribüne konnte man vor lauter Enge nicht gerade stehen. Bierholen oder aufs WC gehen war unmöglich. Eine derart dichte und feurige Atmosphäre habe ich bis heute nie mehr erlebt. Auch nicht bei meinen Fußballreisen nach Italien, Schweiz oder Deutschland. Nach der legendären direkt verwandelten Ecke von Hansi Müller zum sensationellen 2:0 gegen das italienische Spitzenteam skandierte das ganze Stadion viel zu früh „so ein Tag, so wunderschön wie heute“. Das hatte Müller nicht gepasst und er hätte fast recht behalten. Die Stimmung war unglaublich und die Tifolsi im Auswärtssektor hatten fast durchgedreht. Von einem unbekannten Provinzklub geschlagen zu werden, konnten einige nicht verkraften.
Das Halbfinale gegen den späteren UEFA-Cup-Gewinner aus Göteborg ging vor 24.000 Zusehern (Zusatztribüne) über die Bühne. Diese Spiele, diese Stimmung wird für immer unvergessen bleiben. Das Team bestand mit Ausnahme von Hansi Müller aus vielen Studierenden und Spielern ohne international bekannten Namen. Diese Spiele verbinde ich mit dem FC Swarovski Tirol, die mir bei meiner Trauerbewältigung nach dem Verlust meiner damaligen Lebensgefährtin und unseres Ungeborenen halfen.

Auch bei der Entstehung des Mythos „Sierra Madre“, Jahre später am Tivoli, war ich dabei. Es war bei der Meisterfeier 1990. Zuvor gab es eine Galavorstellung gegen St. Pölten. Zur Pause noch 1:2 im Rückstand, wurde es in der zweiten Halbzeit ein richtiges Fußballmärchen. Endstand 5:3 und ein gewisser Mario Kempes war mit seinen drei Treffern auf der Gegenseite in Hochform. Genau einen Monat vor der Geburt meines Sohnes. Der war schon vor der Geburt mit dabei!
Die Erfolge waren schön. Der Name FC Swarovski oder später FC Tirol wurden in meinem Umfeld aber kaum verwendet. Wacker wird immer Wacker bleiben und als der einzig wahre Name 1992 wieder zurückkehrte, war das ein unglaubliches Gefühl. Leider hat es am lieben Geld gefehlt und das von den großen Erfolgen verwöhnte Publikum kam nicht mehr so zahlreich. Der Werdegang der FC Wacker Innsbruck Amateure von 1986 bis 1999 wurde davor natürlich stehts aufmerksam verfolgt! Eigentlich war da vor dem Ende des damaligen FC Tirol am 6. Juni 2002, der 20. Mai 1999 ein noch schlimmerer Tag für uns eingefleischte Schwarz-Grünen. Damals verschwand der Name FC Wacker Innsbruck vorerst von den Fußballschauplätzen. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit. Den Tiroler Medien war das damals nur einen mickrigen Absatz wert, mir aber umso mehr und das ist hier zu lesen: Das vorläufige Ende des FC Wacker Innsbruck

Die 90er Jahre waren Großteils zum Vergessen. Ein Chaos ist dem nächsten gefolgt. Ein ständiges Auf und Ab. Zwar qualifizierte man sich öfter für den UEFA-Cup, doch in der Liga konnte man nicht ganz mithalten. Sportlich war da sicherlich die „Piefke-Saga“ im damaligen UI-Cup erwähnenswert, in dem man gleich drei deutsche Bundesligisten ausschaltete. Mein ganz persönlicher Höhepunkt war am 17. Juni 1995. Da war mein Sohn zum ersten Mal mit mir im Tivoli. Wir haben da zwar den Salzburgern die Meisterfeier ein wenig versalzen, aber mir war da eher zum Reiern als zum Feiern zu Mute. Das „Dream Team“ um Hans Krankl, Peter Stöger, Roman Mählich und Co war übers Jahr gesehen ein Desaster. Für die Machenschaften des damaligen Präsidenten, der ab dem Herbst die restliche Saison hinter schwedischen Gardinen verfolgen musste, kann das Publikum nichts. Im Gegenteil, da waren einige von dem Geschädigte darunter. Aber die Söldnertruppe wollte im Herbst nicht mehr so richtig. Eine riesengroße Enttäuschung!

Emotionen

Der erste Meistertitel nach 10 Jahren im Jahr 2000 war eine sehr emotionale Sache. Erst am letzten Spieltag wurde der am Tivoli fixiert. Wir hätten fast ein Auto gewonnen. Mein jüngster Sohn hatte eines von drei Glückslosen gezogen und durfte sich für einen Ball entscheiden. Er hätte den richtigen gewählt, aber sein älterer Bruder war wieder mal der Schnellere… Ein Geschenkkorb von Tirol Milch hatte ja auch was. Vor allem stand aber die Freude über den wahrlich unerwarteten Titel über alles.
Tränen flossen nur wenige Wochen später. Am 19. August 2000 fand das letzte Bundesligaspiel am altehrwürdigen Tivoli statt. Eine dreiviertel Stunde nach Spielschluss: Heimgehen, na! – Ich will noch nicht gehen! – Ich will noch ein bisschen bleiben! Der 2:0-Sieg gegen Austria Salzburg – zu nostalgischen Preisen – war da auch schon egal. Heute habe ich aber dank Clemens, einem unserer ehemaligen Vorsänger der Tivoli Nord, ein altes Stück unserer unvergesslichen ehemaligen Heimat zu Hause. Ans neue Stadion musste ich mich erst gewöhnen. Das hat recht lange gedauert.

Alles aus?

Der Konkurs als Serienmeister war komisch. Irgendwie erwartet, aber dann doch niederschmetternd. Der Neustart als endlich wieder „Wacker“ war umso geiler. Man hatte mehr Zuschauer in der Regionalliga als die meisten Bundesligisten. Das sucht seinesgleichen! Kurios war es bei einem Cupspiel in Rinn. Man war die Bundesligastadien gewohnt und dann wurde dort der Platzwart aufgerufen, die Flutlichter einzuschalten. Der kam mit einer laaangen Leiter und musste das händisch bewerkstelligen. So sollte also die „neue“ Fußballwelt für uns ausschauen. Vor einem Jahr noch Championsleague-Quali und dann das. Und trotzdem wird mir diese Saison bis an mein Lebensende unvergessen bleiben. Sensationelle Fahrten, sensationelle Erlebnisse, sensationelle Relegationsspiele und man war plötzlich so nah am Verein, wie in den Jahrzehnten zuvor nie. Das war wohl mein schönstes Jahr aus 46 Jahren Wacker! Danke Marcel Schretter, Ali Hörtnagl und Co für dieses geile Jahr!

Mein bewegenster Moment

Dann ging es steil nach oben. Der Durchmarsch von der Regionalliga in die Bundesliga war gewaltig. Danach ging es leider wieder abwärts. Es sollte ein ständiges Auf und Ab bleiben. Ausnahme war natürlich der sensationelle Aufstiegskrimis in Pasching vor 4000 mitgereisten Schwarz-Grünen und die anschließende Bundesligasaison.

In beiden Abstiegsjahren 2008 und 2014 hätte ich fast jeweils eine „perfekte Saison“ zusammengebracht. Bis auf vier Spiele (alle inkl. Cup) habe ich live vor Ort verfolgt. Mir braucht keiner erzählen, was ein Grottenkick ist und trotzdem waren alle Fahrten mit den Fanclubs Nordpol, später den I Furiosi, der Tivoli Nord oder privat fast ausnahmslos Highlights. Besonders mit „meinen“ I Furiosi hatte ich tolle Freundschaften und verrückte Abenteuer. Alles nachzulesen auch im „tivoli12 magazin“ in der Rubrik Fanleben.
Das Wunder von Wolfsberg war kaum auszuhalten. Nach dem 0:2 haben mein Freund (53 Jahre Wacker) und ich uns geschworen Wallfahrten zu gehen, sollten wir es doch noch schaffen. Natürlich haben wir dann dieses Versprechen eingelöst!
Hätten wir es nicht geschafft, wären uns nicht drei Tore in in sechs Minuten gelungen, hätte es den FCW vielleicht nur mehr in der Erinnerung und in unserem Herzen gegeben! Total verrückt, aber wie sagte doch einst ein legendärer Präsident: „Der Wacker geht nicht unter, es scheint nur so!“
Ein Jahr später, war es dann soweit. Durch Umstrukturierungen ging man sehenden Auges Richtung Abstieg. Vier Jahre 2. Liga waren schwer. Noch schwerer aber war das für unseren Verein. Ein Ritt auf der Rasierklinge war das. Dem neuerlichen Aufstieg ist dann eine durchwachsene Bundesligasaison gefolgt. Aber das war für mich Nebensache. Meine Frau war schwer krank und ihr letzter Wunsch war es zu heiraten. Neben meiner Familie und guten Freunden hat sich auch die Tivoli Nord einer Aktion rund um das Fest angeschlossen, uns tatkräftig unterstützt und uns bei der Hochzeit auch eine tolle Überraschung beschert. Ein Wahnsinn war das!
Das Befürchtete trat leider viel zu schell ein. Meine Frau verstarb am 23. November 2018 und der FC Wacker Innsbruck hatte sich entschlossen, einen Nachruf – gesprochen vom damaligen Stadionsprecher Christoph Knapp – zu bringen. Dieser Moment war so traurig und der große Applaus im Anschluss zugleich so schön und aufmunternd. Auf der anschließenden Gedenkmesse durfte ich viele Schwarz-Grüne begrüßen. Das rührt mich immer noch gewaltig. So wie das alljährliche „Studi Gedenkturnuer“, bei dem die Fanclubs der Verstorbenen aus ihren Reihen aber auch meiner Frau gedenken.

Meine Hitlist

Bestes Spiel: Cupfinale 1989 gegen die Admira.. Nach einem 0:2 auswärts und 0:1-Rückstand am Tivoli noch mit 6:2 gewonnen. Hansi Müller hat in den letzten Minuten getrickst, wie es der beste Brasilianer kaum besser gekonnt hätte.

Schrecklichstes Spiel. Der Abstieg 2018 mit einem Sieg gegen Mattersbrug und einer friedhofsähnlichen Atmosphäre.

Mein emotionalstes Spiel. Der Abstiegskrimi 2014 in Wolfsberg. Nach einem 0:2 und gleichzeitiger Führung der Konkurrenz haben uns drei Tore in sechs Minuten vor dem Aus gerettet. Sagenhaft.

Die Spiele auf der „Hohen Warte“ zähle ich auch zu den emotionellsten Momenten und meinen persönlichen Highlights! Immer wieder toll, wie die Wacker- und Vienna-Fans den Fußball zusammen zelebrieren!

Kurios: Besuch eines „Geisterderbys“ (gg Austria Salzburg) in Schwanenstadt. Keine Aussicht ein Spiel zu sehen, dafür von der Polizei kontrolliert zu werden und so war es dann auch. Man ist sich vorgekommen, wie zusammengedrängte Schafe auf einer Koppel vor dem Scheren. Unweit vom Ziel entfernt verfolgte man die Halbzeit in einem Feld. Egal, wir waren da. Haben uns weder von Behörden noch vom Druck der Polizei (sämtliche Busunternehmen wurden angerufen und genötigt, nicht mit uns zu fahren. Fünf Busse sind dennoch gefahren!) davon abhalten lassen. In der zweiten Halbzeit supportete man 500 Meter vom Stadion entfernt. Mit viel Feuer und Rauch. Im Gegensatz zu unserem violetten Gegenüber waren wir im Stadion zu hören. Danach haben wir den Sieg mit der Mannschaft gefeiert. Verrückt,  aber einfach nur genial!

Bisher letztes Highlight: Ein absoluter Höhepunkt war natürlich die erste Ausfahrt des von mir mitbegründeten Fanclubs „Wacker Inventar“ nach Schrems zur ersten Cuprunde in dieser Saison. Was wir dort sensationelles erlebt haben, kann man hier lesen: Erste Cuprunde bei Freunden

Immer wieder aufstehen

Es gab viele tolle und emotionale Momente. Da könnte ich ein Buch darüber schreiben. Auch wie wir Fans unseren Verein unterstützen. Nicht nur auf der Tribüne, sondern tatkräftig und auch finanziell. Man denke nur an das „Spiel gegen die Zeit“. Noch dazu wird inzwischen jährlich für den „Verein für Obdachlose“ gesammelt und vor einem Jahr kamen gar über 58.000 Euro für die Bergamo-Hilfsaktion „MOLA MIA“ zusammen. Wir sind schon ein verrückter Haufen, rund um den für uns geilsten Verein der Welt. Wacker ist für mich ein Teil meines Lebens. Nicht der Wichtigste, aber dennoch weit mehr als nur Sport. Verbundenheit, Freundschaft, Vereinsliebe und Ehre. Und er lehrt uns, dass wir Wackerianer auch in den dunkelsten Stunden zusammen- und im Anschluss immer wieder aufstehen.
Der FC Wacker Innsbruck ist nicht nur ein Fußballverein, sondern „ein Gefühl im Herzen“!

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Autor: Rudolf Tilg

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