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Die grausame Seite des Fußballs

Wer hätte das für möglich gehalten? Zehn von elf seiner letzten Spiele konnte der FC Wacker Innsbruck für sich entscheiden. Im Frühjahr hatten die Schwarz-Grünen einen Punkteschnitt von mehr als 2,3(!) Punkte pro Spiel zu verbuchen. Ein Sieg hätte zur Relegation noch gefehlt. Und dann verliert man ausgerechnet die entscheidende Partie gegen das Farmteam des LASK. Grausam und bitter, aber die Realität. Und das ausgerechnet bei der Rückkehr der Fans, die erstmals seit Ende Oktober vergangenen Jahres wieder ins Stadion durften.

 

So ist der Fußball

Der Konkurrent aus Klagenfurt marschierte die letzten Runden praktisch mit uns im Gleichschritt. Nur beim Spiel gegen uns waren sie chancenlos. Es war also alles angerichtet um in die Relegation einzuziehen. Nach den Covid-Öffnungsschritten am 19. Mai durften auch wieder Zuschauer ins Stadion. 3000 an der Zahl. Dass die zum entscheidenden Spiel kommen werden, war klar. Erstaunlich war aber, wie schnell die Karten vergriffen waren. Am ersten Tag gab es das Vorverkaufsrecht für die schwarz-grünen Mitglieder und in weiterer Folge hat es dann nach nicht einmal einem Tag geheißen: AUSVERKAUFT
Am Tag des Abschlusstrainings bekam die Mannschaft einen Überraschungsbesuch. Eine Abordnung der Wacker-Fanszene hat das letzte Training vor dem „High-Noon“ supportet. Von ihrer (!) Nordtribüne aus. Bis die Polizei „höflich“ gebeten hatte, das Stadion zu verlassen. Was nach dem Absingen der Tivoli Nord Hymne auch problemlos vonstatten ging. Dazu hätte es keine „Armada“ an Uniformierten und auch keinen Stress von einigen wenigen übereifrigen Beamten gebraucht. Nur ein wenig Verständnis für junge Menschen, die seit 14 Monaten von ihrer „Leidenschaft“ ausgesperrt waren. Da kommt in mir mitunter der Gedanke hoch, dass so manche „Staatsmacht“ der Erderwärmung mit sozialer Kälte entgegenwirken will. Die einen ausgesperrt – und ich eingesperrt. Weil sofort alle Gatter geschlossen worden sind und ich das Training von der Ostseite abgelichtet habe und nicht fliegen kann, war ich hinter Gittern. Das muss man auch erst einmal erlebt haben und von der Polizei befreit und nicht eingesperrt zu werden, hat ja auch was.
All das sollte unsere Spieler beflügeln, wurde am Spieltag aber zur Blockade. Nichts, aber auch gar nichts schien am Spielfeld zu funktionieren. Was ich in den vergangenen Spielen mit eigenen Augen gesehen habe, war in der entscheidenden Partie wie weggeblasen. Das Selbstverständnis, die Automatismen, der Spielwitz und der Zug Richtung gegnerisches Tor – alles weg. Es war wohl die schlechteste Vorstellung der Saison. Kaum ein Spieler agierte in Normalform. Man scheiterte weniger am Gegner, als vielmehr am eigenen Kopf.

Keine Maschinen

Ein Gegentor aus einer Standardsituation kann immer passieren. Danach wurde es hektisch und intensiv. Die Erwartungshaltung der 3000 Fans war naturgemäß hoch. Jene der Mannschaft auch. Man wollte sich und dem Publikum unbedingt die Relegation schenken. Unbedingt. Der Gegner kann befreit spielen und die Atmosphäre genießen. Gegen Ende des Spiels und auch nach dem Schlusspfiff gab es Unmutsbezeugungen und Pfiffe von einem kleinen Teil des Publikums. Die Enttäuschung war nicht nur am Feld riesig. Doch der Großteil der Besucher stand auch nach der Niederlage voll hinter unserer Mannschaft. Den erhofften Aufstieg hat man NICHT im Frühjahr verloren. Wer hätte nach dem durchwachsenen Herbst damit gerechnet, dass man bis zum letzten Spiel noch die Chance auf den erhofften Aufstieg hat? Wir waren ja schon praktisch abgeschlagen – und sind zurückgekommen. Acht Spiele in Folge siegreich. Ich weiß nur zweimal eine Serie von neun gewonnen Spielen im Profifußball des FCW. Anfang der Siebziger und in der Aufstiegssaison 2009/10. Schlussendlich hat man heuer unnötig zu viele Punkte liegen gelassen und dann in der ganzen Begeisterung rund um das Saisonfinale die Coolness verloren. Fußballer sind eben keine Maschinen, sondern auch nur Menschen wie wir alle.

Es war trotzdem sehr schön – DANKE

Am Samstag hatte ich schon sehr viele Freunde getroffen und am Spieltag wieder. Am Treffpunkt bei der Kantine des SVI, die alles zum halben Preis serviert hat. Danke dem ältesten Fußballverein Tirols (Der Ursprung des SV Innsbruck geht auf das Jahr 1905 zurück). Dort gab es ein nettes Zusammensein. Auch wenn das eigentlich das Normalste der Welt wäre, es war nach dem Lockdown was Besonderes wieder Freunde zu treffen, sich zu unterhalten und fachzusimpeln. Ich kann gar nicht sagen, wie gut das getan hat! Im Stadion endlich wieder die Atmosphäre aufzusaugen, zu quatschen und die Stimmung zu genießen, das war wirklich schön. Ich gebe ehrlich zu, ich hatte Tränen in den Augen. Niederlagen und auch Tragödien gehören zum Fußball. Aber die am Sonntag war vielleicht meine Schönste davon. Danke an alle und immer Wacker bleiben!

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Autor: Rudolf Tilg

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