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Olympia (für Arme)

Es muss gespart werden. Überall. Corona und so. Da geht sich halt nicht alles so aus, wie man es sich vorstellt. Nicht in Tokio, nicht in Innsbruck, schon gar nicht in Kapfenberg. Aber – Dabeisein ist manchmal halt wirklich alles. Alles, was man sich noch leisten kann, mehr ist nicht drin. Aber warum soll das weniger Spaß machen?

 

Wasserspringen

Beispielsweise Wasserspringen. Nicht gerade das, woran man bei den Steirern denkt. Da geht es am Erzberg eher bergauf als von einem Sprungturm steil bergab. Aber es ist so, ganz Kapfenberg ist ein Sprungbrett. Akademiestatus hin, finanzielle Sicherheit her – die Nachwuchsarbeit für eigene Kicker und junge Talente aus ganz Österreich ist respektabel, und nicht nur die nützen die KSV als Katapult zu ambitionierteren Vereinen. Da wird dann der Wasserbewerb halt auch schnell mal zum Staffellauf, denn lange Halten, das können die Falken kaum ein Talent. Wie auch in dieser Übertrittszeit. Franz Stolz, 20mal Einser-Goalie in der vergangenen Saison, wechselt zu St. Pölten. Und weil mit ihm auch gleich Doppelhofer (Lewis FC/USA) und Mario Zocher den Verein verlassen, bleiben von vier Torhütern nur noch einer übrig. Damit Stolz nicht langweilig wird, begleitet ihn gleich Michael Lang, der Kapitän, mit zum SKN, und sichert sich damit die wohl beste Ausgangsposition zu einem Weg in die Bundesliga. Diesen Weg haben mit Schaltzentrale Leo Mikic (SV Ried), Defensivmann Lukas Parger (Altach) und Winfred Amoah (Leihende, zurück zu Sturm Graz) gleich drei weitere Spieler direkt genommen, Amar Kvakic hat es gleich zu Metalist Kharkiv in die Ukrainische erste Liga verschlagen. Dass mit Paul Mensah (Rumänien), Marvin Hernaus (Lafnitz) und Elvedin Heric (noch vereinslos) auch die Offensive eingeschränkt wird und damit die vier erfolgreichsten Vereinstorschützen abgesprungen sind, macht die Saison nicht leichter. 17 Spieler haben den Verein verlassen, 16 davon ohne Ablöse. Sprungbrett sein ist ja schön und gut, aber irgendwie fühlt es sich jeden Sommer für die KSV an, als würden die Spieler oben stehen bleiben – und man selbst ins knöcheltiefe Wasser hinabstürzen.

Sportschießen

Wie die Lücken füllen, wenn kein Geld in die Kassa gespült wird? Mit ein paar Routiniers. Also regional erfahrenen Spielern, die den jungen Neuen die Schönheit der Obersteiermark beibringen können. Ersatztormann Patrick Krenn etwa, der in seiner Zeit in den Kästen von Kaindorf, Gralla, Tillmitsch, Gabersdorf, Mettersdorf, Deutschlandsberg und Lebring genügend Zeit hatte, die Landschaft zu erkunden. Oder Matthias Puschl, der in Hartberg, Lafnitz und Kapfenberg, aber nicht in der Bundesliga bei Altach glücklich wurde. Mit der Erfahrung von drei Bundesliga- und 50 Zweitligapartien soll er nicht nur in der Offensive Gefahr ausstrahlen, sondern vor allem den jungen Spielern Halt geben. Und von den Jungen gibt es so einige: ein 22-Jähriger aus Gleisdorf, zwei 19-jährige Österreicher von Nachwuchsteams aus Kroatien und Nordrhein-Westfalen, vier 17-Jährige aus dem eigenen Nachwuchs. Und einen erst 16-Jährigen aus der Tiroler Akademie, der noch von sich reden machen wird. Im ersten Spiel der Saison scheint das ganz gut funktioniert zu haben, die Steirer lieferten auf der Hohen Warte ein spektakuläres Spiel ab, wenn auch kein fehlerfreies. Die Cup-Partie gegen die Vienna endete 5:3, nach regulärer Spielzeit, wohlgemerkt. Jeder Schuss ein Treffer, könnte man meinen. Dabei zeigte Puschl gleich, dass er sich bei den Falken schon wieder zu Hause fühlt und brachte die Kapfenberger früh mit 2:0 in Führung. Alles gelaufen, hätte man meinen können – hätte nicht die Halbzeit eine Notbremse des Kapitäns, eine rote Karte für die roten Falken gebracht. Plötzlich kippte das Spiel, die Vienna drehte auf 3:2 und schien schon als Außenseiter den Pokal bereichern zu wollen. Der durch zwei Ausfälle in die Startelf gerutschte dritte Tormann des Yellow Submarine hatte aber einen rabenschwarzen Tag erwischt, patzte erneut, brachte Kapfenberg zurück ins Spiel. Den Schlusspunkt besorgte dann der 16-jährige Tiroler, der schon zuvor als Michi-Baur-Schützling in der Akademie Probetrainings in Karlsruhe absolvieren durfte. Zunächst servierte Stefan Kordic das 4:3, um dann via Freistoß mit einem satten Schuss direkt ins Kreuzeck den Endstand zu fixieren.

Das Beste geben

Pierre de Coubertin erinnerte sich 1908 bei einem Streit von britischen und amerikanischen Sprintern an den Satz von Bischof Ethelbert Talbot und meinte: „Das Wichtige an den Olympischen Spielen ist nicht zu siegen, sondern daran teilzunehmen; ebenso wie es im Leben unerlässlich ist nicht zu besiegen, sondern sein Bestes zu geben.“ Auch wenn Kapfenberg nur die drei Ringe der Firma Böhler und nicht die fünf olympischen im Wappen vereinen kann, das geheime olympische Motto haben sie verinnerlicht. 849 Zweitligaspiele seit 1974, nur Nachbar und Derbygegner Donawitz/Leoben hat mehr. Da kann einen eine dauerhafte Krise nicht mehr aus der Ruhe bringen, man wird schon überleben. Vor allem, wenn keiner damit rechnet, dass man die Liga hält, ein ums andere Mal.

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Autor: Stefan Weis

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