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Bescheidenheit wäre Trumpf

Wie kann man bescheiden sein, wenn man hinter der Wiener Austria, Rapid und Serienmeister FC Salzburg der vierterfolgreichste Verein in Österreich ist? Wenn man 10-Mal den Meistertitel, 7-Mal den ÖFB-Cup sowie zwei internationale Titel (1975 und 1976) an den Inn geholt hat. Innsbruck galt jahrelang als Fußballhauptstadt Österreichs. Da sind die Ansprüche automatisch höher. Aber ist das ist alles lange her.

 

Der Wandel der Zeit

Es zählt die Gegenwart und nicht Glanz und Gloria vergangener Zeiten. Wackers letzter Meistertitel in der Bundesliga ist mittlerweile genau 20 Jahre her. 20 Jahre in denen enorm viel passiert ist. Vor zwei Jahrzehnten ging nicht nur der damalige FC Tirol in den größten Sportkonkurs Österreich, nein, das gesamte Vertrauen in den Fußball hierzulande ging mit ihm unter. Während in anderen Bundesländern bei den Profivereinen in Fußball-Akademien investiert worden ist und infrastrukturell einiges voranging, blieb in Innsbruck die Zeit stehen. Viel schlimmer noch, die Tiroler Fußball-Akademie blieb trotz anderers lautender Zusicherungen in den Händen des TFV. Fragte man bei dessen Verantwortlichen nach, bekam man zur Antwort: „Einem Pleiteklub könne man ja keine Akademie übergeben.“ War man auf der Suche nach Platz für zusätzliche Trainingsplätze, hieß es lapidar „dass es für den einstigen Meister früher auch gereicht hat.“ Verdrängend, dass auch in den Erfolgszeiten die Mannschaften allzu oft auf fremden Plätzen trainierten. Höhepunkt dieser Farce war sicherlich der medial begleitete Spatenstich durch die damalige Bürgermeisterin Hilde Zach für einen neuen FCW-Trainingsplatz hinter der Südtribüne des Tivolis. Dort, wo Jahre später schließlich die American Football Anlage gebaut wurde…
Da biss sich die Katze selbst in den Schwanz. Denn der Tiroler Fußball steht und fällt mit seinem Aushängeschild. Das wiederum hatte neben dem TFV ja noch mit einer skeptischen Sponsorenwelt zu kämpfen. Viele möglichen Firmen hatten noch Forderungen an den Vorgängerverein offen. Und wirkliche Großsponsoren sind in Tirol einfach nicht zu finden. Außerdem war man bei Schwarz-Grün auch nicht vor so manchem Eigenfehler gefeit. Österreichs Profifußball hat sich nach Jahrzehnten des Dornröschenschlafes weiterentwickelt. Was in den einstigen Fußballentwicklungsländern Vorarlberg und Kärnten vorangegangen ist oder gar im Burgenland, mit einer der schönsten Akademien des Staates, steht exemplarisch als mahnende Beispiele. Dort fehlt jetzt allerdings aus bekannten Gründen ein Klub im Profifußball. Tirol hat inzwischen zwei davon, dafür aber äußerst bescheidene Rahmenbedingungen. Mehr noch: In Sachen Trainigsinfrastruktur hinkt man da wie dort inzwischen weit hinter der Konkurrenz hinterher. 

In Demut an die Sache herangehen

Ganz klar, von der Historie her kann es für den FCW nur einen Anspruch geben. Die Bundesliga. Nur, weder Ansprüche noch klingende Name erzielen Tore. Ziele sind gut, aber man sollte die jetzt nicht übers Knie brechen. Langsam und mit Demut an die Sache herangehen. Das etwas brüchige Fundament stabilisieren und darauf gefestigt aufbauen, um nachhaltig auch schweren Stürmen zu trotzen. Das wäre das Gebot der Stunde. Nicht nur in Bein, sondern auch in Stein investieren. Die Verlockung aber auch der Druck in Innsbruck schnell zum Erfolg zu kommen ist immer groß. Aufgrund seiner Geschichte wird der FC Wacker Innsbruck immer anders gesehen und beurteilt, als die Tiroler Konkurrenz. Selbiges wurde mir von Journalisten im Mailverkehr mehrfach bestätigt. 

Bis vor einer Woche war es ziemlich ruhig um den FC Wacker Innsbruck. Zu ruhig, doch aus gutem Grund. Eine Entscheidungsfindung hinter den Kulissen hatte da stattgefunden. Ich glaube, die jungen Tiroler Kevin Radi und Bernhard Dornauer hatte wohl niemand auf dem Radar. Die Trennung von Mikhail Ponomarev ist dann für viele dennoch überraschend gekommen. Über die Hintergründe kann nur spekuliert werden. Die Vögel vom Tivoli Dach zwitschern was von Auffassungsunterschieden. Ponomarevs Augenmerk sei wohl einzig und allein auf der GMBH mit den Profis gelegen. Was natürlich Auswirkungen auf den Rest des Vereins gehabt hätte. Aber nichts Genaueres weiß man nicht. Ein komisches Gefühl ist es aber schon, dass sich Geldgeber um den FCW rittern. Die letzte Woche hat die wackeren Fans fast überfordert. Von Kalibern war die Rede, während doch gerade jetzt Bescheidenheit Trumpf wäre. Ebenso verwunderlich, die täglichen Wendungen um das zukünftige Personal beim FCW. Da bekam man schon einen Stress beim Nachlesen. Ich möchte hier zwar nicht noch einmal die zwei Wörter „gebrannte Kinder“ strapazieren, doch alle die es mit den Schwarz-Grünen halten sind natürlich besorgt. Man hofft auf baldige Aufklärung seitens des designierten Präsidenten. Für dessen Neustart wäre eine Woche mehr Vorbereitung wohl besser gewesen. Andererseits hatte man lange überhaupt nichts erfahren und genau seit einer Woche überschlagen sich die Ereignisse. Die Fragen werden aber nicht weniger. Das Positive daran, es wird in Fankreisen nicht mehr über den verkorksten Herbst diskutiert, sondern was die Zukunft bringen mag.

Fußball wird auch noch gespielt

Die einen hauen sich im Schneetreiben den Ganslernhang hinunter, die anderen schnüren die Fußballschuhe. Zur selben Zeit, im selben Land und bei gleichen winterlichen Bedingungen. Während in Kitzbühel um die Slalomstangen getanzt wurde, tanzten die Schwarz-Grünen am Samstag in der Wiesengasse die Gegner (FC Kufstein und SC Imst) aus. Dabei durfte man gespannt sein, wie sich die vier Abgänge aus dem Profikader auswirken. Neben denenen mussten die Schwarz-Grünen mit Grujcic, Gallé, Ronivaldo (angeschlagen), Martic (Corona), Meusburger (private Gründe) fünf weiter Stammkräfte vorgeben. Neun Spieler aus der zweiten Mannschaft waren indes beim ersten Test in der Wiesengasse mit dabei. Die ersten 35-Minuten gegen den FC Kufstein gingen ganz klar mit 4:2 an die Wackerianer. Den zweiten Test gegen den SC Imst konnten die Innsbrucker mit 1:0 für sich entscheiden. Ein erster Probegalopp auf rutschigem Geläuf (Kunstrasen). Der dürfte die anwesende neue Führungsriege durchaus zufriedengestellt haben. Ob das auch der zukünftig für den sportlichen Bereich wohl etwas mehr als nur beratend zuständige Roland Kopp auch war, wird sich weisen. Denn eines ist ganz sicher. Auch wenn es im Frühjahr sportlich scheinbar um nichts mehr geht, um die Zukunft etlicher Kicker im Tivoli geht es sehrwohl. Die spielen nach diesem Herbst nicht nur vor der neuen sportlichen Führung, sondern auch vor den eigenen Fans auf Bewährung.

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Autor: Rudolf Tilg

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