Skip to main content

Heute nicht

Es tut mir leid. Ich habe es versucht, aber es geht nicht. Heute gibt es keinen klassischen Vorbericht von mir.

Ich geb’s zu, ich kann mich gerade schwer konzentrieren. Und über dieser Konzentrationslosigkeit schwebt ein Lied der Ärzte. Ich weiß nicht warum, ich höre die Ärzte eigentlich nicht. Aber der Text will mir irgendwie nicht aus dem Kopf. Weil der Text eben nicht zutrifft, und damit genau zutrifft. „Wenn du mit mir tanzt, bleibt mir die ganze Misere erspart“.

 

Dabei gäbe es genug zu sagen. Etwa, dass Lafnitz seinen Weg weitergeht. Aber nicht mit Kontinuität im Kader. Aus der Aufstiegsmannschaft, die in der Regionalliga unglaubliche 36 Spieler umfasste, sind nur noch sieben Spieler bei den Gelb-Blauen verblieben. Die Torhüter ausgenommen, können diese Altherren in der heurigen Saison auf nur 18 Zweitligaspiele und ein Tor, aber 38 Landesligaspiele zurückschauen – sie helfen den Jungen am Weg zur Kampfmannschaft. Aber ganz ehrlich, es könnt mir nichts egaler sein.

Oder, dass mit Kontinuität jene in der Philosophie gemeint ist, Spieler vornehmlich aus der Region zu fördern, ihnen auch eine zweite Chance zu geben, und sie Zweitliga- und nach Möglichkeit auch Erstligatauglich zu machen. Trainer Semlic hat immer wieder das Team umgemodelt, Abgänge mit Talenten kompensiert, eine Verjüngung durchgeführt. Wenn Mario Kröpfl, mit 32 das Um und Auf der Mannschaft, nach 106 Spielen, 31 Toren und 37 Assists den Weg zurück in die Bundesliga schafft, wenn Patrick Bürger, mit 34 wichtige Stütze im Trainerteam, aus beruflichen Gründen heim ins Burgenland geht und bei Pinkafeld mit Alt-Wackerianer Christoph Saurer die Schuhe knüpft – dann könnt mir nichts egaler sein.

Wenn Lafnitz mit Christoph Halper einen in Salzburg und Mattersburg ausgebildeten ehemaligen U21-Nationalspieler holt, mit Florian Weiler einen aus dem schwoazn Grazer Nachwuchs, der auch schon 18mal das Nachwuchs-Nationaltrikot getragen hat, mit Michael Lema einen einst bei Rapid Lienz kickenden und auch schon für Sturm Graz in der Bundesliga auflaufenden Spieler holt, der ebenfalls schon neunmal das Nachwuchstrikot für Österreich trug – dann könnt mir nichts egaler sein.

Wenn ehemalige Lafnitzer Trainer in der Euroleague coachen und Spieler wie der Wendler beinahe auch nochmals in den Profifußball bei Klagenfurt geschnuppert hätten, wenn bei Wolfsberg, dem FAK, in Hartberg, Ried, Kisvarda und Gyor Ex-Lafnitzer auf höchster nationaler Ebene spielen – könnt mir nichts egaler sein.

Wenn Wacker seit nunmehr vier Spielen ohne Punkt ist und in den letzten zehn Pflichtspielen siebenmal verloren hat, wenn in der Formtabelle seit dem letzten Cupspiel Innsbruck auf Rang 12 liegt, nur drei Mannschaften seither öfter verloren haben – dann könnt mir nichts egaler sein.

Wenn zur gleichen Zeit in der Ukraine Bomben fallen, Raketen fliegen, Schüsse donnern, dann ist der Krieg zurück in Europa. Vier Jahre, nachdem am Tivoli ein Euro-Fußballfest gefeiert wurde, zelebrierte man das Kickerfest im Olympiastadion Kiew, der Donbass Arena in Donezk, im Metalist-Stadion in Charkow und der Arena Lwiw in Lemberg. In allen vier Städten hagelte es in den vergangenen Tagen und Nächten Bomben.

Der Krieg ist nicht irgendwo, fern in den Nachrichten, er ist vor unserer Haustüre. Eine Zweiteliga entfernt. Eine Auswärtsfahrt nah. Würde der Bus des Floridsdorfer AC nicht nach Westen in das Reichshofstadion, sondern dieselbe Distanz nach Osten fahren, er wäre in der Ukraine, im Kriegsgebiet. Dort, wo Menschen gewaltsam sterben, wo sie verzweifelt flüchten, um ihr Leben zu retten.

Wacker spielt am Samstag gegen Lafnitz? Ja, ich werd’s mir anschauen. Aber ganz ehrlich, es könnt mir gerade nichts egaler sein.

Avatar photo

Autor: Stefan Weis

Dieser Text stellt geistiges Eigentum des tivoli12 magazins dar und ist somit urheberrechtlich geschützt. Um den Text, oder Teile davon nutzen zu können, setzen Sie sich bitte mit dem tivoli12 magazin in Verbindung.
Skip to content