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Einmal noch.

Einmal noch. Das sagen Eltern zu ihren Kindern, wenn die ganz aufgeregt fragen, wann denn das Christkind endlich die Geschenke bringt. Einmal noch. Das trifft auch auf den Osterhasen zu, der mit seinen verlockenden Nestchen sehnsüchtig erwartet wird nach einer langen Fastenzeit. Einmal noch, liebes Kind. Eltern verschaffen sich Zeit. Denn wenn sie sagen: 37mal noch, wir stellen sogar die Zeit dazwischen um und die Bundesliga trifft davor den Lizenzentscheid, und ob er überhaupt kommt, der Osterhase, so wie die Umstände sind – dann ist das Geschrei riesengroß. Also: einmal noch. Und die Kinder glauben es, wenn sie klein genug sind.

 

Einmal noch.

Einmal noch Lustenau zu Gast. Wenn man es aus Vorarlberger Seite optimistisch sieht. Die Reichshöfler haben nämlich in dieser Saison etwas gemacht, das recht untypisch für ihre Zweitliga-Karriere ist, sie haben recht konstant gespielt. Und die vermeintlichen Konkurrenten haben völlig ausgelassen, sind an dem Einstieg in die neue Liga oder an der Finanzierung der Saison schmerzhaft gescheitert. Seit dem dritten Spieltag führen sie die Tabelle an, haben von 19 Partien vierzehn gewonnen, niemals zwei Niederlagen in Folge, nur einmal zwei Spiele hintereinander nicht gewonnen (gegen Blau-Weiß und den SKN), auswärts erst einmal als Verlierer vom Platz gegangen. Und das in Floridsdorf, dem auserkorenen Angstgegner der Grün-Weißen. Seit August 2018 sind die Austria und der FAC achtmal aufeinandergetroffen, ein einziges Spiel konnten die Vorarlberger für sich entscheiden. Man mag sie nicht, die kompakte, bissige Art der Wiener. Man mochte sie auch heuer nicht, denn in der vergangenen Runde gab es erneut ein böses Erwachen für Lustenau, vor eigenem Publikum zog man mit 1:2 gegen die Mannen von Mitja Mörec den Kürzeren. Wäre es ein typische Ländle-Jahr, das große Zittern würde beginnen. Nicht nur einmal spielte man am Rhein einen brillanten Herbstdurchgang um dann im Frühjahr an sich selbst zu scheitern. In diesem Jahr ist man zwar mit dem Offensivfeuerwerk am Abwehrbollwerk Floridsdorf gescheitert, führt aber die Liga recht überlegen an. Alles deutet auf eine Rückkehr in die höchste Spielklasse hin, auch die infrastrukturellen Probleme scheinen lösbar. Ein neues Stadion am Rhein, ein neues sportliches Umfeld, verlässlicher Investor, der trotz manchem Gesprächsbedarf kleine Schritte gehen wollte und der Entwicklung Zeit gab. Lustenau wird der zweiten Liga abhandenkommen und kein Gegner mehr sein.

Einmal noch.

Einmal noch Lustenau in dieser Saison. Die Rückrunde bringt veränderte Vorzeichen. Ein klarer Tabellenführer, eine Offensivmaschinerie, eine stabile Abwehr, ein klarer Favorit aus Vorarlberg. Ein taumelnder Verein, sportlich wie finanziell, mit kläglicher Chancenauswertung und erschreckend unzusammenhängenden Abwehrreihen voller Slapstickkomponenten, weit weg von seinen definierten Zielen. Wie sich die Zeiten ändern – das erste Aufeinandertreffen am 20. August war noch eines auf Augenhöhe. Vier Runden waren gespielt, Wacker hatte gerade Steyr gebogen und lag ohne Niederlage mit nur einem einzigen Gegentreffer vorne mit dabei. Ein einziger Punkt fehlte auf die Tabellenführung, die Lustenau innehatte. Und Lustenau hatte gerade eine Klatsche in Wien eingefangen, musste in vier Spielen schon sechs Gegentore hinnehmen, hatte keinen Ronivaldo mehr – der lief jetzt in Schwarz-Grün auf und wollte seine ehemalige Wirkungsstätte rocken. Dass Stefan Hager nach nur 14 Minuten mit Rot vom Platz flog und ein Loch in die Defensive riss, wurde durch Gallés Tor 18 Minuten später völlig konterkarikiert. Ganz kurz hoffte man auf ein kleines Wunder mit zehn Mann. Ganz kurz, denn die eine Konstante, Haris Tabakovic schoss nur zwei Minuten später das siebte seiner bisher 22 Saisontore, die andere Konstante, Muhammed Cham, das zweite seiner bislang 11. Die beiden Stürmer der Austria haben mehr Tore am Konto als der ganze FC Wacker zusammen. Die Spreu trennte sich vom Weizen, für Innsbruck ging es sportlich bergab. Aber vor allem geriet das Umfeld des Vereins ins Brodeln, der Verein selbst in gefährliche Schieflage. Eine, die aber bald behoben sein wird, wenn man den Schalmeienklängen glauben mag. Denn nur noch einmal schlafen, und alles ist gut.

Einmal noch.

Einmal noch wird der FC Wacker Innsbruck in sein Wohnzimmer laden, wird die Austria aus Lustenau begrüßen, wird zum Frühschoppen ein Spiel um das runde Leder bieten. Einmal noch wird man den Ballesterern zujubeln, wird mit ihnen leiden, wird sich von den Emotionen der schönsten Nebensache der Welt mitreißen lassen. Einmal noch wird man versuchen, die Gedanken an die Zukunft zu verdrängen. Einmal noch wird man dort stehen, wo man selbst als Kind mit glänzenden Augen große Erfolge erleben durfte. Einfach nicht an das Morgen denken, einmal noch Kind sein. Tun, als ob nichts wär. Und einfach einmal noch schlafen.

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Autor: Stefan Weis

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