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Mahlzeit

Aus aktuellem Anlass wird im tivoli12 forum derzeit viel über Eselchen diskutiert, die ja offensichtlich für den Geldtransfer zwischen Stuttgart und Innsbruck eingesetzt  und auf diesem gefährlichen Weg offenbar immer wieder durch unvorhersehbare Ereignisse aufgehalten werden. Wie sonst sollte denn das zermürbend lange warten auf das Eintreffen bitter benötigter Zahlungen denn halbwegs nachvollziehbar zu erklären sein… Wenigstens bleibt den Wackerianern noch ein wenig Humor. Kein Wunder also, dass dieses Thema auch im t12-Vorbericht zum Amstetten-Spiel auftaucht:

 

Tradition ist Tradition. Da kann man noch so mit den Verlockungen der Moderne ködern, mit den Annehmlichkeiten des Neuen und Unverbrauchten winken. Was früher den Alltag bestimmte, kann heute doch nicht schlecht sein. Erst einmal das Gaspedal pumpen vorm Wegfahren. Einen Schnapszuz für den Poppen, dann hat man auch seine Ruhe beim Cruisen. Ein bisserl Arsen, das gibt einen ein Gefühl der Befreiung und verleiht einen so schönen Glanz. Und in Amstetten verlieren, wie in der letzten Begegnung im ÖFB-Pokal. Naja, vielleicht ist nicht alles Althergebrachte so nachahmenswert. Außer eines: die Küche. Was bei Oma gezaubert wurde, schmeckt auch noch heute. Basta.

Wir hatten ja nix.

Dabei war es eine arme Küche damals. Man hatte ja nix außer Sterz, Plente, Mus. Und Zeit zum Kochen samt einer gehörigen Portion Kreativität. Die perfekte Kombination. Wenige Zutaten, viel aus der Natur, die erfolgreichsten Rezepte der Welt sind daraus entstanden. Manche Speisen sind verschwunden, einige werden wiederentdeckt. Schwoazplente, Buchweizen etwa, die moderne Traditionsküche liebt sie. Und manche warten auf Wiederentdeckung. Zum Beispiel Brasato d’Asino. Die italienische Nonna wird Ihnen ein Gedicht davon erzählen, was für ein Festtag es war, wenn der Schmorbraten aus Eselfleisch auf den Tisch kam. Fleisch war selten. Die Hühner sollten Eier geben, die Kühe Milch, die Schweinderln wurden zu Schmalz und Speck. Was gab es da Schöneres, wenn so ein Asino oder eine Asinella mal auf dem Herd landete. Denn nicht jeder Asino war mehr brauchbar. Manch einer verlief sich, mancher brach unter der Last zusammen. Und manch einer ging einfach keinen Schritt mehr, egal, welche Karotte vor ihm baumelte. Wir wissen, ein einziger Sturkopf kann dann die ganze Truppe aufhalten, und dann passiert gar nichts mehr. Ja, und wenn das passierte, dann gab es bei Nonna den Brasato. Oder Stracotto. Oder Cappelletti al Asinella. Oder eine schöne Salami. Man ließ nichts verkommen, verwendete alles. Auch das Eselfleisch. Sind wir mal ehrlich, wer hätte sich nicht auch schon mal gewünscht, so ein störrisches graues Ding mal zu… essen.

Schmoren lassen. Lange schmoren lassen.

Also, Stifte heraus, mitschreiben – Ihr Gaumen wird Sie lieben dafür! Das Geheimnis des Eselbratens liegt im Fleisch: schön zart muss es sein. Nicht von der Mühe einer strapaziösen Reise erschlafft, nicht ausgemagert von zu späten Fütterungszeiten. Ist man sich nicht ganz sicher, legt man das kiloschwere Bratenstück erst einmal eine Nacht in eine Rotweinbeize. Und genehmigt sich selbst auch einen Schluck, es gibt Zeiten, in denen das dem Gemüt ungemein hilft.

Wenn man am Morgen etwas verkatert am Schreibtisch aufwacht, mit dem Finger auf der F5-Taste, geht es los: wir bereiten das Soffritto zu. Mit der heißen Luft leerer Versprechungen 50 Gramm Butter schmelzen, und darin eine Karotte, Zwiebel und Sellerie – alles kleingehackt wie die Hoffnungen der Schwarz-Grünen – andünsten. Dann das Bratenstück dazu. Am besten eignet sich dabei die Schulter, das Eselchen musste sicherlich bislang noch keine schweren Lasten tragen. Im Topf bei kräftiger Hitze von allen Seiten anbraten, dann die Hitze zurücknehmen, mit Salz und Pfeffer würzen und drei Achteln guten Rotwein angießen. Die restlichen in der Flasche verbliebenen drei Achteln sollen nicht verderben, holen Sie sich ein Glas.

In der Zwischenzeit das Eselchen bei schwacher Hitze schmoren lassen. Lange schmoren lassen. Bis der Wein eingekocht ist. Und dann nochmal mit Suppe – oder Wasser, wenn Sie sich nichts mehr leisten können – wie so mancher Fußballverein – aufgießen, bis dem Eselfleisch das Wasser bis dorthin steht, wo früher der Hals ansetzte. Und weiter vertrösten und schmoren lassen. Wenn dann das junge Gemüse vollends eingekocht und aufgelöst ist, wie die Mitglieder bei einer Generalversammlung, lässt sich der Bratenfond ohne Widerstand durch einen Sieb streichen und auf den Fleischscheiben verteilen. Geizen Sie nicht mit den Stückchen, jeder Ihrer Freunde soll etwas davon haben!

Nicht jeder Schmarrn ist eine Plente.

Zum Eselchen Brasato d’Asino passt perfekt eine Plente. Man kann sich dran gewöhnen, denn auch wenn Polenta ein Arme-Leute-Essen ist – es ist ein Essen. Es ist etwas auf dem Teller, und das ist nicht selbstverständlich. Es kann auch sein, dass einem der Wirt nur sagt, dass er was bringt, dabei hat er gar keinen Koch. Was echt ein Schmarrn wäre. Drum sollte man eine resche Polenta auch selbst machen können. Halb Milch, halb Wasser, ein gutes Stück Butter, eine Prise Salz, natürlich der Maisgrieß. Keine Zauberei. Und dann ist man auch gestärkt für alles, was kommen mag. Amstetten zum Beispiel, gegen die man bis auf die letzte Partie noch nie verloren hat. Was dann kommt, werden wir sehen. Das Eselchen aber nicht mehr, das liegt jetzt am Teller.

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Autor: Stefan Weis

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