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Zahlen, bitte!

Diese Überschrift gab es so oder so ähnlich schon ein paar Mal in den vergangenen Jahren. Und man wusste dann, es kommt keine seltsame Story, keine Lektion über History, keine in einen kaum verdaubaren Rahmen eingebettete Spielstatistik, sondern schnöde, klare Zahlen. Wer heute, in der aktuellen Situation des FC Wacker Innsbruck, liest: „Zahlen, bitte!“, der liest die beiden Worte anders. Aus Sorge um den Fortbestand des Vereins, aus Sorge um den Profifußball, aus Sorge um den Frauenfußball auf Bundesliganiveau, aus Sorge um den Fußballnachwuchs in Tirol, aus Sorge um die vielen kleinen, vertrauensvollen Gläubiger… Da wird der kommende Spieltag, der nächste Gegner zur Nebensache. Und trotzdem, es ist das, was wir hier servieren können. Zahlen. Und Namen. Ein paar wenige zumindest.

 

Déjà-vu

Wir hatten es schon einmal. Nein, nicht die drohende Pleite. Also, ja, natürlich, die auch. Und nicht nur einmal. Wir hatten auch den Crash, wir hatten die Vereinsauflösung mit und ohne Finanzdebakel. Und der FC Wacker ist so oder anders bislang immer wieder aufgestanden. Bis jetzt. Aber das mein ich gar nicht – wir hatten es schon einmal, das bezog sich auf Liefering. Auf die jungen Wilden aus Salzburg, die ja gar nicht unbedingt Salzburger sind. Aber halt Fußball spielen können, auf ganz anderem Level. Wir hatten es schon einmal, dass die Primavera der großen Bullen unter der Woche Europa aufgemischt hat, um dann am Wochenende die Innsbrucker zu ärgern. In der Saison 16/17 kürten sich die kleinen, kickenden Kälbchen gegen Benfica zum Sieger des europäischen Bewerbs. Der Trainer des Nachwuchses damals: Marco Rose. Und als Jungballesterer liefen im Finale Spieler aufs Feld, die heute ihre Schuhe für Bordeaux, Florenz, Ried, Sturm, Leipzig, Fenerbahce, LASK oder Leicester City binden. Ihre Namen: Daka, Schmidt, Berisha, Haidara, Ingolitsch, Meisl, Igor, Mensah. Man kennt sie, die jungen Salzburger aus der Youth League, liebkosten sie den Ball doch auch in der 2. Liga, dort aber unter dem Vereinsnamen Liefering, und angeleitet von Trainer Letsch. Das übliche doppelte Spiel der Bullen, die außerhalb Österreichs nur als FC Salzburg auftreten, in der zweithöchsten Spielklasse unter dem Namen eines Stadtteils, eigentlich im Salzburger Land daheim sind und doch in ganz Europa Furore machen. Wenn diese Namen, diese Klasse der Nachwuchs ist, wie war das dann beim Gegner? Wo kicken eigentlich die damaligen Wacker-Spieler der zweiten Liga heute? Von den 14 Schwarz-Grünen, die im Frühjahr 2017 die müden Europafighter und ihren Ersatz in Grödig mit 3:0 besiegten, spielt exakt ein einziger noch in Innsbruck: Florian Jamnig. Einer hat seine Schuhe an den Nagel gehängt, der Rest läuft für Kundl, Schwaz, Horn, Stripfing, Blau-Weiß, Imst, Eschen-Mauren oder Silz/Mötz aufs Feld. Vier haben Bundesligisten als Arbeitgeber gefunden und sich damit zumindest auf dem Papier nach oben entwickelt: Roman Kerschbaum (Admira), Dominik Baumgartner (WAC), Michael Lercher (Ried) und Lukas Wedl (FAK). Von der Internationalität der jungen Gegner keine Spur.

Und schon wieder

Salzburgs Erfolg im Nachwuchs war keine Eintagsfliege. Es ist das Grundmodell, das viel Geld verschlingt, aber den Grundstamm für den Erfolg darüber, in Salzburg und in Leipzig, darstellt. Akademien bauen, modernste Techniken und Lehrpläne anwenden und vermitteln, die besten Generationen aus Österreich an die Salzach lotsen und weltweit scouten, viele Talente wieder abgeben und einige wenige bis auf ein Spitzenniveau anheben. Diese kicken dann in Wals-Siezenheim oder gehen gleich direkt ins Ausland, bringen jedenfalls dem Ausbildungsverein Red Bull Geld und Ansehen. Und, solange sie dessen Trikot tragen, auch sportlichen Erfolg. In der Youth League der Unter-19jährigen gab es 17/18 das Achtelfinale, 19/20 das Halbfinale, und in der aktuellen Saison steht man erneut im Halbfinale, mit den Jungspunden von Juventus, von Atletico und dem Sieger aus Dynamo Kiew und Sporting Lissabon. So gestalten sich die Wochentage der Kicker, deren eigentlicher Alltag die semiprofessionellen Dorfplätze Österreichs sind. Adam Stejskal etwa, der Tscheche, der in acht Spielen in Europa nur fünf Gegentreffer hinnehmen musste. Roko Simic, der Kroate, der bereits viermal auf der großen Bühne gescort hat. Justin Omoregie, der junge, 1,91 große Wiener, gesetzt im Mittelfeld. Sie und ihre Teamkollegen gewannen bereits gegen Lille und Wolfsburg, gegen Sevilla und Zilina, warfen PSG aus dem Bewerb. Viele von ihnen werden wir in den nächsten Jahren in der Bundesliga und anderen europäischen Spitzenmannschaften antreffen. Während sie jetzt, unter anderem Vereinsnamen, noch gegen Amstetten, Floridsdorf und Lafnitz versuchen, nicht die Konzentration zu verlieren. Immer gelingt das nicht, wie einmal mehr ein sehr müdes Frühjahr der Lieferinger zeigt.

Der kleine Hoffnungsschimmer

Wenn am Freitag die Salzburger und die Tiroler aufeinandertreffen, sind es auf Ligaebene zwei von Frühjahrsmüdigkeit geplagte Mannschaften, die einen geschlaucht durch ihren Europafight, die anderen ein Team, das nie wirklich zum Team geworden ist, und sich nun mit wirklich anderen Problemen beschäftigt. Wacker hat in den letzten neun Partien ein einziges Mal gewonnen, die Jungbullen die vergangenen sechs und damit im Kalenderjahr 2022 noch gar nicht. Während Innsbruck gerade gegen die Spitzenreiter Lustenau und Floridsdorf die besten Leistungen an den Tag legte, gingen die Lieferinger mit 2:5 und 1:2 jeweils als Verlierer vom Platz. Torarm wird es dennoch nicht werden, denn die roten Kälbchen scorten 2022 trotz des Negativlaufs 1,16mal pro Spiel, der gerupfte schwarz-grüne Adler 1,5mal.

Aber, ganz ehrlich, interessieren Sie sich derzeit wirklich noch für solche Zahlen…?

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Autor: Stefan Weis

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