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Heidenspaß

Passender könnte der Termin ja nicht sein. Karfreitag. Der Tag, an dem das Christentum in Trauer versinkt, an dem die Hoffnung der Welt gestorben ist. Wobei, Jesus hat die Schuld der Welt auf sich genommen, und mit sich ins Grab. Ist gestorben, und wiederauferstanden. Einmal. Und das hat gereicht, um eine Weltreligion zu begründen, die 2000 Jahre Geschichte und Kultur, Sprache und Denken geprägt hat. Wacker trägt die eigene Schuld mit sich herum und versucht sie, von sich abzuschütteln. Ist nicht einmal gestorben, sondern immer wieder. Und ein Stück Tradition und Ansehen ist immer wieder damit verloren gegangen. Der Tod ist wohl nicht die Lösung für die Probleme der Innsbrucker, das Weiterleben in den ewiggleichen Strukturen aber auch nicht. Der kommende Gegner aus der Steiermark kennt das nur zu gut.

 

Mir tut das Kreuz so weh…

Manchmal glaubt man, es geht einem wie dem Jesus. Nur, das wusste auch schon Wolferl Ambros, dem tat das Kreuz erst mit 30 weh, Wacker schafft nicht einmal 20. 20 Jahre, in denen Euphorie von Apathie abgelöst wurde und man sich im wiederkehrenden Existenzstrudel wiederfand. Was Innsbruck blühen könnte, wenn man zum Erstaunen aller doch nicht in die Vereinsliquidation läuft, zeigen die letzten 20 Jahre in Graz, einer Stadt, in der beide Vereine das Insolvenzgericht kennenlernen durften. 2002 Cupsieger, 2004 Meister – 2007 Konkursanmeldung und Zwangsabstieg. Eine Liquidation wurde durch eine 20prozentige Quote verhindert, man fand sich aber in der Regionalliga wieder. Noch im gleichen Jahr gab es erneut eine Konkursanmeldung, abermals wurde der Verein gerettet. Vorrübergehend. Schon 2009 wiederholte sich das Spiel. Wie Jesus, der nur kurz zuvor noch jubelnd empfangen worden war und nun verspottet und gedemütigt am Weg zur Schädelhöhe dreimal unter dem Kreuz zusammenbrach und wieder aufstand, war es auch diesmal noch nicht um die Athletiker geschehen, eine Liquidation wurde ein letztes Mal abgewendet. Die neue Heimat Regionalliga wurde gerockt, der Meistertitel 2012 gefeiert, gegen den Nachbarn aus Hartberg in der Relegation um den Platz in Liga 2 gekämpft. Man unterlag sportlich und lag in der 76. Minute mit 0:3 zurück. Man unterlag moralisch und führte durch einen Platzsturm während des Spieles einen Spielabbruch herbei. Man unterlag finanziell und brachte 2012 den vierten Konkursantrag in nur fünf Jahren ein, da es „beim GAK nach dem Zwangsabstieg in die Regionalliga nie zu einer Strukturanpassung an die Anforderungen eines Regionalligavereins gekommen wäre“.

Ich treff nur lauter Blinde

Man wollte die Realität nicht wahrhaben. Nicht erkennen, dass Tradition eine Marke ist, aber keine Währung. Dass der Verein nicht mehr in der Bundesliga agierte, sondern den finanziellen Möglichkeiten entsprechend im Halbprofi- und Amateur-Bereich. Sehenden Auges und trotzdem blind ging man in den Untergang. Der Spielbetrieb wurde während der Saison eingestellt, der Masseverwalter brachte den Schließungsantrag beim Handelsgericht ein. Der Grazer Athletiksport-Klub war Geschichte. Für Innsbrucker sind diese Jahre ein mahnendes Beispiel, was drohen könnte. Und gleichzeitig entlockt es den Apathischen ein müdes Lächeln. Wacker war nur Jahre nach seiner Gründung 1913 eingestellt, fusionierte noch im ersten Jahrzehnt und legte sich einen neuen Namen zu, zum Jubiläum wurde der Verein aufgelöst und neu gegründet. In den 70ern wurden Kräfte gebündelt, der Name und das Ansehen aus Innsbruck mit der Mannschaft und dem Mäzenatentum aus Wattens verstärkt. In den 80ern wurde wieder von unten angefangen und gleichzeitig Meistertitel gefeiert, während Wattens den Mittelbau bildete – Dreifaltigkeit auf Tirolerisch. Man war in den 90ern wieder da und wieder weg, wurde aufgelöst und dennoch dreimal Meister, verschwand 2002 aus der Geschichte und spielte 2004 wieder Bundesliga. Man war Anlaufstelle nicht für einen, für viele Blinde. Für solche, die für den Verein brannten und das Beste für in wollten, sicherlich. Aber es einfach nicht konnten. Oder halt nicht auf legalem Weg. Das Leben in Innsbruck war nie einfach, aber immer ein Heidenspaß.

Schwärmt niemand mehr für mich?

Den Heidenspaß, den Innsbruck in Jahrzehnten erlebte, erfuhr der GAK in weniger als einem Jahrzehnt. Die roten Teufel wurden neu gegründet, mit allen Namensproblemen, die eine Kindesweglegung und Neuaufnahme mit sich bringt. Aber sie gingen den Weg allein und von ganz unten. Und waren dabei nicht allein. In der 1. Klasse Mitte A des Steiermärkischen Fußballverbandes, der 8. österreichischen Liga, durfte der Club über 1000 Mitglieder und Dauerkartenbesitzer seine Begleitung nennen. Und sie begleiteten den neuen GAK Jahr für Jahr eine Liga nach oben. Sechs Meistertitel en suite, Semifinale im ÖFB-Pokal, Rückkehr in die 2. Liga nur sechs Jahre nach Neubeginn, Konsolidierung in der zweithöchsten Spielklasse. Derzeit auf Rang sieben liegend, ist der größte Erfolg nicht sportlich, sondern wirtschaftlich zu sehen: dem GAK wurde als einem von drei Vereinen in der Liga die Lizenz zur Bundesliga erteilt. In 10 Jahren wurde aus einem Dauerpatienten ein Verein, dem infrastrukturell und finanziell die Teilnahme in der höchsten heimischen Liga zugetraut wird, dem wieder vertraut wird. Das zählt derzeit mehr als jeder Punktgewinn. Denn in Schwarz-Grün singt man derzeit mit der Nummer Eins aus dem Wienerwald:

Mir geht es wie dem Jesus,

Der unter uns geweilt,

Die Meisten die mich kennen,

Die sind von mir geheilt.

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Autor: Stefan Weis

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