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Manchmal ist es sogar schön, der SV Horn zu sein

Stell dir vor, du gehst als Titelanwärter in die Saison, und niemand interessiert sich am Ende mehr für deine Spielergebnisse. Dann bist du wahrscheinlich der FC Wacker Innsbruck. Du kämpfst um dein Überleben, um das Zurückgewinnen deiner Eigenständigkeit, um deine blanke Haut. Wer redet da noch über das nächste Match, wer noch vom kommenden Gegner SV Horn?

 

Stell dir vor, du verlierst fünf Spiele in Folge, und nach einem Unentschieden gegen den Tabellenvorletzten nochmals vier in Folge, und du bist als Trainer dennoch unumstritten. Dann bist du wahrscheinlich Rolf Landerl, hast bei Rapid, Wernberg, Viktring, Mölltal, Klagenfurt, Donaufeld, Bratislava, Alkmaar, Sittard, Groningen, Penfiel, Sopron, Admira, GAK, Dunajska Streda, Schwadorf, Lübeck und St. Margarethen gespielt, und mit den Erlebnissen aus Österreich, der Slowakei, den Niederlanden, Portugal, Ungarn und Deutschland einen Erfahrungsschatz angesammelt, der dich auch bei den schwersten Stunden in Horn nicht an dir zweifeln lässt. Und die auch den Verein nicht an dir zweifeln lassen.

Stell dir vor, du hast in den letzten fünf Spielen in vier nicht getroffen, du hast die zweitschlechteste Offensive und fast 40% deiner Tore wurden von Leihspielern geschossen, die mit Ende der Saison deinen Verein verlassen. Bist du der SV Horn, dann machst du dir dennoch keine Sorgen. Denn dein Top-Torschütze wird wohl eher nicht zu seinem Stammverein zurückkehren, zu sehr hat er sich an den Komfort gewöhnt, sein Gehalt regelmäßig und in vereinbarter Höhe rechtzeitig am Konto zu haben. Ein Luxus, den sich die Innsbruck-Spieler derzeit nicht gönnen dürfen, wohl aber Denizcan Cosgun, der seit Jänner 2021 seine Schuhe im Waldviertel schnürt und dort in 41 Spielen bereits 14mal getroffen hat, in dieser Saison bereits 9mal. Es wäre verwunderlich, wenn der Salzburger, der nur drei Monate in Innsbruck war, wieder an den Inn zurückkehren würde.

Stell dir vor, du hast in dieser Saison nur in zwei Spielen kein Gegentor erhalten, und selbst diese Partien hast du nicht gewonnen. Dann solltest du nicht zufrieden sein mit deiner Defensive. Der SV Horn etwa ist so unzufrieden mit seinen Hintermannen, dass von den 13 derzeit schon mit einem Vertrag für die kommende Saison ausgestatteten Spielern sieben aus dem defensiven Bereich kommen. Zusammenaddiert hätten sie so gesehen 96 Partien der aktuellen Zweitligasaison am Platz gestanden. Man vertraut sich also, ganz unabhängig von den Ergebnissen.

Stell dir vor, du verlierst mehr als die Hälfte deiner Spiele, und bist dennoch in keinster Weise abstiegsgefährdet. Weil einem Verein, den Juniors Oberösterreich, die Existenz genommen wird, der andere, Wacker Innsbruck, seine Existenz selbst verspielt hat. Da hast du als SV Horn leicht lachen, und auch wenn du 2017 aus eben dieser zweiten Liga abgestiegen bist, weil du deine letzten fünf Spiele verloren hast, der am Ende vor dir platzierte FAC aber derer drei gewonnen und zwei remisiert hat, womit er dich noch ins Unglück stürzen konnte. Als SV Horn darfst du dich aber eines ganz besonderen Titels rühmen: du bist der letzte sportliche Absteiger, den die Liga vorzuweisen hat. Niemand nach dir musste mehr einen Stock tiefer, wenn er seine Bücher sauber gehalten hat. Denn seit 2017 war es nicht notwendig, eine starke Defensive und eine erfolgreiche Offensive zu haben. Es war ausreichend, gut bilanzieren zu können, ein plausibles Budget aufzustellen und dieses auch größtenteils einzuhalten.

Stell dir vor, du bist der SV Horn, und egal, was passiert, du wirst auch kommende Saison noch in der zweiten Liga spielen. Du wirst völlig befreit in ein Match gehen können, von dem du nicht weißt, ob es stattfinden wird, von dem du nicht weißt, welche Spieler deinem Gegner noch zur Verfügung stehen. Manchmal ist es sogar schön, der SV Horn zu sein.

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Autor: Stefan Weis

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