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Sag zum Abschied leise servus

Der 14. Jänner 2023, wird sich ewig in meinem Gedächtnis einprägen. Am Vormittag kam die Schocknachricht, welche eigentlich eher zum Freitag den 13. gepasst hätte. Die „Verrückten Köpfe 91“ stellen sich nach eigener Definition selbst ins Museum. Der „Kasimir“ (siehe Bild) ist nicht mehr. Und das ausgerechnet im 110. Jahr des FC Wacker Innsbruck. Der erste Innsbrucker Ultra-Fanclub war seit Anfang der Neunziger nicht nur Vorreiter in Österreich, sondern weit über die Grenzen hinaus und natürlich wurde hier ein mittleres Erdbeben in der Fußballwelt ausgelöst. Über die Hintergründe kann man nur spekulieren. Der aufreibende Kampf um den eigenen Verein oder als Fanclub, der ein Drittel eines Jahrhunderts auf dem Buckel hat, mehrere Generationswechsel überleben konnte, kommt zwangsläufig immer wieder zu einem Scheideweg. Selber in einem „Inner-Circle“ eines Fanclubs tätig, weiß ich, wie schwierig es ist, aus verschiedenen Zugängen einen gemeinsamen Ausgang zu finden.

 

Die Anfänge

Der erste Fanclub dieser Art am Tivoli waren ja die „Tyrolian Dynamites“, die es nur kurz gab. Doch ab dem Frühjahr 1992 traten dann die „Verrückten Köpfe“ in Erscheinung und übernahmen das Ruder auf der Nord. Mit ihrem neuen Stil, den die Gründer aus Italien übernommen hatten: Farbenfroh, lautstark, mit Vorsängern und Choreos. Gleich einmal kam es im Zuge eines Cupgastspiels der Austria Salzburg zu Scharmützeln mit deren Fans, mit denen man Ende der Achtziger noch die „Westfront“ gegenüber den übermächtigen Wiener Vereinen gebildet hatte. 1993 gründete sich unter den VK die Sektion Unterland. Die Ausflüge nach Salzburg endeten regelmäßig mit Steinen und flaschenwerfenden Violetten im Lehener Park. Einmal wurde ein Mädchen am Bahnhof Salzburg gar von einer dieser Flaschen getroffen… Die „Feindschaft“ manifestierte sich schließlich beim Platzsturm der Salzburg-Fans bei der Meisterfeier des SVA am Tivoli. Dann war die einstige „Westfront“ gegen Wien endgültig zu den Geschichtsakten gelegt. Die Gründe hierfür wird man wohl irgendwo in der Mitte finden.

Mein Sohn war da zum ersten Mal mit im Tivoli. Schon vor seinem ersten Schultag begeisterte meinem Buam die Atmosphäre, die Stimmung am Tivoli. Und der hatte später dann selber genug Freunde unter den VK. Ebenso mein zweiter Sohn. Bei den meisten Spielen gab es Choreografien und italienisches Flair. Das Tivoli wurde mit Pyrotechnik regelmäßig erleuchtet und so manches Spruchband bot Witz und Ironie, für die die VK später bekannt wurden. Natürlich gab es schon damals etliche heitere und nicht so schöne Anekdoten. So beschimpften beim Retourflug eines Europacupspiels Tiroler Journalisten unsere Fans und die wurden prompt von Trainer Didi Constantini vehement vereidigt. Aber Roland Kirchler leistete sich einen Faux pas, machte er sich doch an die Freundin eines Fans heran… Die Quittung dafür kassierte er auch.
Ich wunderte mich über die „Wahnsinnigen“, welche mit dem Rücken zum Spielfeld der Menge eingeheizt haben und bekam Gänsehaut wie diese mit- und abging. Ärgerte mich sakrisch über einen Spielabbruch gegen die SV Ried, als einige durch das Tor im Gatter aufs Spielfeld gepurzelt waren. Im neuen Stadion schon, gab es einen Brand unter der Nordtribüne beim Spiel gegen Austria Salzburg und einige Angeklagte deswegen gleich dazu. Doch sogar ORF-Mitarbeiter (und Bilder) sagten zu deren Gunsten aus – was den Staatsanwalt wiederum in Rage gebracht hat. Die Europacupspiele in Florenz waren auch irgendwie schräge Fahrten und dann erst im Sektor… Das bleibt unvergessen.

Einfach unvergessen

Nach dem Crash des FC Tirol ist alles sehr viel enger zusammengerückt. Nie vergessen werde ich die Unterhaltungen mit den Fanclubgründern Thomas und Erwin Gassler. Zuerst im VIP-Häusl des alten Tivolis und dann auf Vereinsabenden im Kulturhaus Evrensel, in dem sich der FC Wacker Innsbruck neu aufgestellt hat. Unvergessen bleiben auch die Fahrten im legendären Doppeldeckerbus von „Dragan“. Sehr oft schimpfte er mit den Fans, nur um sie zwei Wochen später wieder quer durch Österreich zu chauffieren. So war der FC Wacker mit 2500 Schwarz-Grünen in Wals Siezenheim. Die Tribüne hat geleuchtet, der Rasen gebrannt. Doch echte Derbystimmung kam bei den Besuchen im Bullenstall nie auf. Nur Schwarz-Grün gegen Violett-Weiß macht im Westen das Derby heiß.

Legendär war dann auch die Fahrt mit Dragan nach Frankfurt zur 10-Jahresfeier der „Droogs“. Vorne im Bus war es zu heiß und hinten bildeten sich Eisblumen an den Fenstern. So ging es im Schritttempo über den Zirlerberg. Was für eine Fete in Frankfurt und „Ultra Chaos“ live hat so richtig gefetzt. Danke VK, danke Droogs! Heute noch! Und wow, von Mattersburg bis nach Lofer in Tirol, in nur 5 Stunden. Und das bei Schneetreiben. Mit Vollkaracho hinauf auf St. Johann. Autos sind schon stecken geblieben oder abgerutscht. Dragan mit seinem alten Bus und glatten Reifen mitten durch und man hat es im Bus laut singen hören „Dragan, fahr uns in den Tod“. Makaber. Ich räumte da meinen Platz im Oberdeck, in der ersten Reihe. Da bekam man ja glatt Angst. Fußballreisen wurden mitunter zu Abenteuertouren. Von der Beachparty in Altach, bis zum Tanz im Megastau durch Wien – Gerüchten zufolge, auf dem Busdach. Das ermöglichte eine Polizeieskorte quer durch Wien nach Schwechat. Schwere Zeiten und gute Zeiten wechselten sich ab. Ein Highlight war sicher der Aufstieg 2010 in Pasching vor einer sensationellen schwarz-grünen Kulisse. (mehr als 4000). Kurze Zeit später, nach internen Diskussionen der VKs, spaltete sich die Sektion Unterland ab. Der Fanclub Unterland wurde geboren, der durch seine Arbeit und Engagement immer mehr an Bedeutung gewonnen hat und in den letzten Jahren die führende Gruppe auf und abseits der Tribüne wurde – und ist. 2011 ging ein weiterer Fanclub aus ehemaligen Proponenten der VK hervor. Wacker unser erblickte das Licht der Welt. Der einst größte Fanclub des Tiroler Traditionsvereins war also die Keimzelle für weitere Fanclubs. Das Wirken der Verrückten Köpfe 91 wird nicht nur den Wacker-Fans in Erinnerung bleiben, hatten ihre Auftritte und Mentalität doch starken Einfluß auf die Ausbreitung der Ultra-Kultur im deutschsprachigen Raum. 

Nun heißt es sich neu zu sammeln. Eine Ära geht zu Ende. Die Wacker-Fans werden nun noch enger zusammenrücken und nach vorne schauen. Was hinter uns liegt, können wir nicht mehr ändern. Wir haben noch drei gute Fanclubs und ich nehme stark an, dass jene Hinterbliebenen der „Verrückten Köpfe“ weiterhin für den FC Wacker Innsbruck einstehen werden. Da liegt zu viel Herzblut drinnen. 

Einfach Danke

Die letzten Jahre wurden immer turbulenter. Einfach war es nicht. Über so manches konnte man nur den Kopf schütteln. Sportlich, wirtschaftlich und intern. Dabei stellte man sich nicht nur einmal die Sinnfrage. Manche Reise war auch anstrengend. Die Kameradschaft, die Solidarität so wie die gemeinsame Verbundenheit mit dem FC Wacker Innsbruck hat aber dann dafür immer entschädigt. Und meine „schlimmste“ Fahrt in die Fremde (man glaubt es kaum) war jene, mit den Jungbauern aus Kolsassberg über zwei Tage nach Kastelruth. Mehr dazu verrate ich aber nicht. Hier geht es um Fußball. Die emotionellste und schönste Sportart, die es gibt!

Mit der Zeit lernt man gewisse Leute immer besser kennen. Deren Solidarität und den Zusammenhalt habe ich immer sehr geschätzt. Viele wurden zu Freunden mit gegenseitiger Wertschätzung. Es war mir ein Volksfest, von den Verrückten Köpfen zum Essen anlässlich ihres 30-jährigen Jubiläums eingeladen zu sein. Da das nur ein auserlesener Kreis wurde, war das für mich eine sehr große Ehre! Tolle Gespräche, einfach nur schön! Und dass meine verstorbene Frau Teil ihres Gedenkturniers sein darf, schätze ich ebenso sehr hoch ein. Einen Wunsch hätte ich da: Dass dieses Turnier erhalten bleibt! Mittlerweile gedenkt man dabei einigen, welche mir sehr am Herzen gelegen sind. Um Weihnachten herum, habe ich den neuen Kalender der VK 91 bekommen und auf dessen April-Seite ist die erste Choreografie meines Fanclubs, dem „Wacker Inventar“ zu sehen. Und das mit eingetragem Geburtstag dieses Fanclubs. Das zeigt, dass man mehr als angekommen ist.

Mit großer Trauer nehme ich die Auflösung der VK zur Kenntnis und respektiere diese Entscheidung. Eine Ära geht zu Ende, aber die Kameradschaft wird bleiben! So gesehen, waren die „Verrückten Köpfe“ auch ein wesentlicher Teil meines Lebens und dem tivoli12 magazin und mir bleibt nichts anderes über, als DANKE zu sagen. Danke für eine tolle Zeit, für viele gemeinsame Erlebnisse! 

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Autor: Rudolf Tilg

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