Innsbrucker „Hinterhof“
Es gibt wenig Sportvereine, deren Gründung beinahe historische Komponenten annimmt. Nicht so in Oberperfuss. Neben den üblichen Verdächtigen – der Schützenhauptmann, der Gemeindearzt, Dorfberühmtheiten wie der Stolzn Hans – darf am Eingang zum Sellraintal ein Name nicht fehlen: Peter Anich. Tirol von A bis Z, heute: O wie Oberperfuss.
Durch das „Dickicht“ der Geschichte
Damit keine Missverständnisse aufkommen, bei den Oberpferferern handelt es sich nicht um der Welt ältesten Bewegungsverein. Es ist einfach ein unbändiger Stolz, der die Eltern Anich des späteren Baumeisters und ersten Kassiers des SVO dazu bewegte, ihren Sohn Peter zu nennen. Und stolz können sie sein, Mittelgebirgler. Denn nicht nur einer, gleich drei Geodäten und Astronomen, also Landvermesser und Sternenkundige, stammen aus ihrer Gemeinde. Manchmal als „Bauernkartographen“ herabgewürdigt, wäre ein Tiroler Kartenwerk, mehr noch, eine detaillierte Landvermessung, aber auch Himmels- und Erdgloben in unserem Bereich kaum denkbar. Peter Anich, Blasius Hueber, Anton Kirchebner – sie alle waren detailverliebt, beständig und lernbegierig. Und in „Tirol von A bis Z“ neben der urzeitlichen Siedlung auf dem Birgl so ziemlich das einzig erwähnenswerte. Gut, die Namen der Landstriche und Fraktionen haben es in sich, von Aigen über Aigling, Aue, Berchtesgaden, Bichl, Birkhof, Brandstätt, Dickicht, Egg, Gfas, Hinterburg, Hinterhof, Holzegert, Hueben, Ebenhof, Hütte, Kammerland, Kengelscheiben, Mairhof, Mühlleiten, Riedl, Schwaiger, Silbergasse, Tiefenthal, Völsergasse, Wildgrube, Windhaag bis zum Stieglreitherhof – sprechende Namen, die viel über die ursprüngliche Nutzung der Gebiete aussagen. Wohl mehr als die 1086 erwähnte Namensvariation „Oberenpervers“. Aber gut, was weiß man schon so genau…
Das „Schwaigen“ der Geschichte
Etwas weiß man über Oberperfuss, und das wurde lange verschwiegen: ohne diesen kleinen Ort und einige mutige Einwohner keine unblutige Befreiung von Innsbruck. Denn die wahren Inglorious Basterds, nicht die Schlächter aus Tarantinos Film, sondern die unfassbar mutigen Widerständler und Geheimdienstler um Fred Mayer, Hans Wijnberg und Franz Weber, hatten in Hinterzimmern und Dachböden von Oberpferfuss ihre Zentrale, ihre Funkverbindung nach Bari, die Unterstützung von NS-Gegnern. „Operation Greenup“ begann mit Planungen im Hinterland und der Desertierung eines Oberperferer Wehrmachtsleutnants, der sich nicht (mehr) an den Gräueln des Regims mitschuldig machen wollte. Zwei junge jüdische Flüchtlinge aus Deutschland und den Niederlanden und ein Tiroler sprangen im Februar 1945 über dem Sulztaler Gletscher ab, fanden Unterstützung im Mittelgebirge, sammelten Informationen zu Waffentransporten und -produktion und sorgten für zielgenaues Ausschalten an der Brennerstrecke. Nicht ohne weibliche Hilfe. Webers Schwestern Luise, Eva und Margarethe, seine Verlobte Anni und deren Mutter Anna Niederkircher, die Wirtin des Hotels „Zur Krone“. Sie versorgten sie mit Nahrung, Informationen und notwendigen Utensilien wie Offiziersuniformen, um im Inntal Spionage betreiben zu können, sie deckten und versteckten sie. Und als es kurz vor Kriegsende doch zu einer Aufdeckung der Zellen kam, sah Gauleiter Hofer seine Chance in den vermeintlichen Amerikanern, die eine friedliche Übergabe Innsbrucks mit den herannahenden Alliierten arrangieren konnten. Das sind die wahren Helden von Oberperfuss, von Tirol. (Foto zeigt von l. n. r. Hans Wijnberg, Maria Hörtnagl, Fred Mayer; vorne: Anna Niederkircher, Franz Weber).
Ein bisschen sportliches „Aue“
Ach ja, Fußball wird ja auch gespielt im Mittelgebirge, dabei war der Start der Oberperferer nicht ganz schmerzbefreit. Im Testspiel gegen Fügen durfte man nach Halbzeitführung (3:2) noch ein 3:7 hinnehmen, die erste Runde in Längenfeld ging ebenfalls verloren (3:1). Im Cup ist man noch dabei – weil das Spiel gegen den SVI abgebrochen werden musste. Da hält man sich lieber mit den Gedanken im letzten Jahr auf, das man mit nur vier Punkten hinter Wacker am 9. Rang beendete. Und noch mehr: in dem man Wacker ein großes „Aue“ entlocken und vier Punkte entführen konnte! Nach dem 2:1 Heimsieg in Oberperfuss jubelte man, sagen wir, ausführlich im Tivoli über das Remis. Es waren nicht die ersten bitteren Pillen für die Schwarz-Grünen, schon im Frühjahr 1990 beraubte eine 2:3 Niederlage gegen die Mittelgebirgler die Innsbrucker aller Titelchancen, der Durchmarsch der Amateure wurde mit Rang 2 in der Landesliga West gestoppt. Die Oberperferer sind nicht leicht zu biegen, zumindest nicht für Wacker…
Foto: National Archives and Records Administration (NARA) / Tyrolia-Verlag