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Griene-Geal-Röet

„Gestern woan de Blatt’ln grea, heit sein’s goib und roud“. Wenn Hans Söllner mit den Farben spielt, dann nicht, weil die erste Herbstkühle die Wälder in ein faszinierendes Schauspiel verwandelt. Sein Blick geht tiefer, hinein in die Seele des Menschen, eingehüllt in ungewohnt sanfte Töne. Einen Blick in die Seele warf auch der Künstler Albin Egger-Lienz, der vor fast 120 Jahren bei seiner Sommerfrische im Ötztal die passenden Modelle fand und in der Bichlkirche das zentrale Werk seine Oevres schuf, die Urfassung des „Totentanz“. Tirol von A bis Z, heute: L wie Längenfeld.

Röet

Es sind ja nicht nur die Menschen, die im Ötztal Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Auch wenn so manche von Ihnen Eingang in die Kunstgeschichte genommen haben und, auf Leinwand gebannt, unzählige Museumsbesucher berühren. Und nicht jeder, der vorgeblich ein Ötztaler zu sein scheint, ist auch einer – liebe Grüße vom in Bozen wohnhaften anatolischen Wanderer, vulgo Ötzi. Es herrscht im Ötztal auch ein Dialekt vor, der fremde Gaumen und Zungen verzweifeln lassen und das Ohr durchaus herausfordert. Das wusste auch der Volkskundler Hans Haid, der nicht nur Worte poetisch reihen konnte, sondern sie auch sammelte, zusammen mit Isidor Grießer, Josef Öfner und vielen anderen. Das Ö von Öfner ist ja fast schon so ein Hinweis auf eine Besonderheit im Tal. Dort kauft man nicht, kaaft nit, kouft it – man köfet. Wenn ein Ball schnell gespielt werden soll, dann bitte söförcht. Und völauter Schpörcht, so schön er auch ist, sollte man die Kultur auch nicht vergessen. Die wird in Längenfeld, im ganzen Ötztal von den Ötztaler Museen gehegt und gepflegt wie kaum wo anders. Zurecht ist der österreichische Museumspreis 2021 nach Längenfeld und zum Team von Edith Hessenberger gegangen. Kein romantisch verklärter Solitär in einer touristischen Landschaft, sondern Sammeln, Forschen und Vermitteln mitten im Dorfleben in einer kritischen und unfassbar vielfältigen Art. Sicher, für manche ein röetes Tuch, wenn plötzlich gut verdeckte Geschichte behutsam hervorgekehrt wird oder das Gerüstnetz für die Renovierung des Wastls-Bauernguts einen überdimensionalen roten Kreuztstich mit unerwarteter Botschaft in die Landschaft setzt: „Sölong a Weiwats dreimol sövl orbatet, obr dreimol mindar vrdiet, bin i Feminischtin.“ Bum, das hat für manche gesessen, auch außerhalb des Dorfes mit dem rot-weiß gestreiften Wappen.

Geal

In Längenfeld ist aber nicht nur kulturell, nicht nur touristisch, sondern auch sportlich etwas los. Sicher, werden die sagen, die ihren Blick immer nur nach oben wenden, um die neuste Route in Fels und Eis zu finden. Denn sieben Klettergärten und rund 200 Routen ziehen in die Berge in Mitten des Ötztales, dorthin, wo das Tal sich plötzlich weitet. Dort ist das Gelbe vom Ei zu finden. Also, nicht nur so allgemein und nicht immer, sondern eigentlich nur in wenigen Wochen im Winter – das Gelbe vom Ei ist nämlich ein Eisfall mit senkrechten Stellen über mehrere Stufen über fast 200 Meter. Wer da raufsteigt, muss schon ein bisserl was können (WI6+). Allerdings, wer zu Sommerszeiten in die Tiroler Liga aufsteigt, ist auch nicht ganz ohne. Bereits im vergangenen Jahr zeigten die Längenfelder ihren Konkurrenten die Grenze auf, ließen Nachbarn Umhausen um zwei Punkte hinter sich und schafften mit 16 Siegen und vier Remis, mit 77 Toren bei 39 Gegentreffern souverän den Meistertitel, der sie in die Tiroler Liga brachte (und damit die Klasse halten ließ). Und bislang nahm man den Erfolg mit auf die neuen Spielfelder. Und nur dorthin, denn den Pflichtspielauftakt beim FC Stubai im Cup versemmelten die Ballesterer noch ordentlich und mussten mit 1:2 die Segel streichen. Umso erfolgreicher verliefen dafür die ersten drei Runden. Eine weiße Weste strahlt im Ötztal, 11 Tore bei nur zwei Gegentreffern, Oberperfuss und Breitenbach mit 3:1, Münster gar mit 5:0 geputzt. Die Längenfelder sind warmgeschossen.

Griene

Die grün-weißen Trikots sind also nahezu noch unbefleckt. 11 der 70 Tore in der Liga gehen auf die Kappe des SVL, 10 auf die des FCW. Es wird das Spiel der derzeit gefährlichsten Offensivreihen. Und dennoch, bei Längenfeld und Innsbruck muss ich doch an etwas Anderes denken. An jemand Anderen. Und nicht an Sturm, sondern ans Mittelfeld. Im Oktober vor 47 Jahren kam in Längenfeld ein Kind zur Welt, das den selben Familiennamen trug wie viele dort: der Bürgermeister heißt so, der Friseurlanden, Apartments, Schuh&Sportgeschäfte, Transport- und Bauunternehmen. Und trotzdem wurde es ein Name, der österreichweit bekannt wurde: Grüner. Der kleine Theo kickte sich über Imst nach Innsbruck, zog einmal das grünste Sporthemd Österreichs über und kehrte dann zu Schwarz-Grün zurück. 186mal trug er in Pflichtspielen das Innsbrucker Trikot und ging trotzdem viel zu früh vom Platz. Und mit nur 33 Jahren leider noch einen Schritt weiter voraus. „Gestern woan de Blatt’ln grea, heit sein’s goib und roud“.

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Autor: Stefan Weis

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